Handcraft by Bloßfeld

Peter Su Markus / DEZ 2016
Das Bemühen, über eine konsequente Beschäftigung mit den  handwerklichen Inhalten einer alten, bisweilen vergessen geglaubten Kunst, eine neue Saite auf der künstlerischen Ebene der aktuellen Kustom Kulture anzuschlagen.

Chopper, Bobber, Hot Rods, Kustom Kulture, die Szene präsentiert sich dem Betrachter in vielen Farben und Facetten und in vielen Bereichen hat sie den Status einer Subkultur längst hinter sich gelassen. Der Reiz der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, die sich heute stark vereinfacht unter dem Begriff der Kustom Kulture zusammenfassen lässt und über viele Jahre einem kleinen, eingeschworenen Haufen vorbehalten war, wird zunehmend von nachrückenden Generationen entdeckt und dabei nicht nur vereinnahmt, sondern auch mit frischen Ideen versorgt.
Auch wenn der lebendig, quirlige Fortschritt, den die Kustom Kulture durch seine noch junge Anhängerschaft weltweit erfährt, von den alteingesessen Gralshütern der Szene mit kritischen Augen gesehen wird, lässt er sich im Sinne eines freien Geistes kaum aufhalten. Und bei den Werten der Unabhängigkeit, die die Mitglieder Szene in aller Deutlichkeit als eines ihrer zentralen Themen propagiert, dürfte ein Wiederstand gegenüber dieser Entwicklung auch kaum Sinn machen, ist es doch gerade der unabhängige, sich von allen gesellschaftlichen Zwängen befreiende Coolness-Faktor, der die nachrückende Anhängerschaft der Kustom Kulture fasziniert. Angesichts des frischen Blutes, das die Neuen in die Szene tragen überrascht es nicht, dass deren Weg in die freien Räume der Szene von den unterschiedlichsten kreativen Ansätzen begleitet wird.
Wurde der klassische Schritt zur Mitgliedschaft in der Vergangenheit noch in erster Linie  über den Erwerb und die Instandsetzung eines der Fahrzeuge vollzogen, die von Haus aus eng mit der Kustom Kulture verbunden sind und das so oft zitierte und als natürlich empfundene "in die Szene wachsen" ermöglichten, hat dieser traditionelle Weg im Zeitalter der schnellen Bewegung deutlich an Inhalt verloren. Während das Ziel einer allgemein anerkannten Zugehörigkeit zur Szene über den Aufbau eines Bikes noch in greifbarer Nähe scheint, fordert die Beschäftigung und Arbeit mit und an einem Auto nach wie vor ein Vielfaches an Einsatz und wohl auch an Leidensfähigkeit. Wer hier nach alternativen Wegen sucht, findet sie möglicherweise in den künstlerischen Ausdrucksformen, die sich über die Lowbrow Bewegung der Kustom Kulture angeschlossen haben.
Die Kunst des Tätowierens kann als eine dieser Verbindungen betrachtet werden und  mit einer persönlichen Vorliebe gegenüber der alten Stile, Motive und geistiger Inhalte wie sie in den Anfängen des Tätowierens in den Häfen der Welt anzutreffen waren, stand Matthias Bloßfeld immer schon mit einem Bein in der Kustom Kulture. Entspricht er mit seiner Fähigkeit die alten Motive ihrem Ursprungswesen entsprechend unter die Haut zu bringen, doch sehr genau dem Interesse, das auch in vielen subkulturellen Bereichen der Kustom Kulture gepflegt und gelebt wird.
So wächst zusammen, was zusammen gehört und da sich Matthias seit jeher für die Vielfalt der Spielarten subkultureller Kunst interessiert, ist es für ihn ein kleiner Schritt in die schrill bunte Welt der Kustom Cars und Bikes. Doch seltsamerweise richtet sich sein Fokus dabei schnell auf die eher kleinen, oft unbeachteten Bereiche, die sich unter der Oberfläche dieser Fahrzeuge befinden und einen Platz besetzen, der normalerweise der unberührten, gerne auch polierten Fläche vorbehalten ist.
Die Gravur, eine der ersten künstlerischen Ausdrucksformen die der Mensch seit den Ursprüngen seiner kulturellen Entwicklung pflegt und weiterentwickelt. Eine Kunstform, die bereits in ihren Wurzeln einen Hinweis auf die besondere Wertschätzung gibt, mit der ein Einzelner einen personalisierten, auf andere Menschen normal wirkenden Gebrauchsgegenstand belegt. In vielen Fällen beschwört der Mensch der Urzeit mit seinen Ritzungen magische Kräfte und so ist es auch nicht verwunderlich, das sich diese Ritzungen bis in unserer Gegenwart hinein auf Waffen aller Art finden lassen.  Und es dürfte auch nicht überraschen, dass sich im Bereich der Waffengravur, neben der reinen Schmuckgravur über die Jahrhunderte hinweg einige der außergewöhnlichsten Beispiele handwerklicher Kunst finden lassen.
Ab den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, begannen einige der noch aktiven Graveure ihre Motive zunehmend auch auf die Oberflächen personalisierter Fahrzeuge zu übertagen. Warum auch nicht? Das Grundmaterial wies in vielen Bereichen eine vergleichbare Struktur auf und nachdem auch in den USA die Waffe als ein Teil der eigenen Persönlichkeit zunehmend in den Hintergrund trat, bot es sich an, nun Teile eines bereits stark personalisierten Fahrzeugs über die Gravur noch stärker an seinen Besitzer zu binden.
In Bezug auf die gestalterische Kreativität, zeigten sich die Graveure dieser Zeit jedoch eher bieder und eingefahren. In der Summe der Gravuren begegneten dem Betrachter in erster Linie altbekannte Waffenmotive im Sheridan Stil. Florale Muster, wie man sie von der klassisch amerikanischen Waffengravur her kennt oder sie auf den Lederarbeiten der Western Szene findet. Ende der 90er Jahre war es dann auch schon wieder vorbei. Heute erinnern vor allem billig wirkende Gussdeckel an diese Zeit, die über, im Gussverfahren hergestellte Strukturen eine Gravur vortäuschen und sich über die Darstellung von Adlern, Sternenbannern und einfachsten Sinnsprüchen mühen, den für die 70er bis 90er Jahren typischen "Ride Free" Geist zu beschwören und doch kaum über den Status billiger Anschraubteile aus Fernost hinauskommen.
Die neue Ära der Gravur in der Kustom Kulture beginnt nach der Jahrtausendwende. Mit der Welle unzähliger "build off" Formate, mit denen die privaten TV Sender die Herzen der Garagenschrauber fluten, regt sich auch das Interesse für die alten, längst vergessen geglaubten Handwerkstechniken. Wer innerhalb dieser Flut an Informationen und qualitativ gut gemachter Aufbauten noch etwas reißen will, kann sich eigentlich nur noch mit Hilfe handwerklicher  Besonderheiten von der Masse abheben. Die Oberflächenveredelung durch die Gravur bietet eine solche Besonderheit und wird dementsprechend wohlwollend zur Kenntnis genommen und vor allem auf künstlerischen Ebene weiterentwickelt.
Damit gehört der zuvor beschriebene "Ride Free" Muff der 90er endgültig der Vergangenheit an und kreative Köpfe wie Matthias Bloßfeld lassen sich gerne von den nun neu zu entdeckenden Möglichkeiten dieser alten Verbindung von Handwerk und Kunst mit auf eine kreative Reise nehmen. Sein Neigung, die Dinge die ihn interessieren an ihren Wurzeln zu erfassen, macht Matthias in vielen Bereichen zu einem Getriebenen, bietet ihm aber gleichzeitig auch die Möglichkeit, sich sehr schnell in seinen Fähigkeiten zu entwickeln. Mit seinen Kenntnissen in Grafik und Design, fällt es ihm nicht schwer seine Ideen bildlich umzusetzen und auf ein Werkstück zu übertragen. Die im Bereich des Heimwerkermarktes angebotenen Arbeitsmittel zeigen ihm parallel zur positiven Entwicklung im Bereich seiner Ideen auf der praktischen Seite jedoch deutliche Grenzen auf.
Ihm wird schnell klar, dass er sich seiner Idee einer guten Gravur über das Kratzen, Schleifen und Raspeln das ihm das Dremelsortiment der Baumärkte bietet, kaum nähern wird. Er will in die Tiefe, will Material abtragen und nicht verdichten. Der drängende Wunsch das Material in Spänen aus dem Vollen zu lösen und über diesen Abtrag eine Gravur entsprechend seiner Wertvorstellung zu schaffen, findet seinen Ursprung in den ernüchternden Ergebnissen, die sich über die Arbeit mit "normalen" Graviermaschinen erzielen lassen. Diese Tiefe erreicht er erst mit dem nächsten Schritt, beziehungsweise dem Griff zum Stichel.
In den USA besorgt er sich einen Kompressor betriebenen Presslufthammer für die Hand, der ihm die Möglichkeit bietet, seine Stichel mit Kraft in das Material zu treiben und großflächig auszuheben wo es nötig ist und an anderer Stelle minimalistisch feine Linien und Konturen auszuarbeiten. Wenn es um die Geräuschkulisse seines Arbeitswerkzeugs geht, dann hat sich Matthias kaum vom Tätowieren entfernt und bei oberflächlicher Betrachtung scheint es zwischen der Gravur und den Tätowieren eine logisch scheinende Verbindung zu geben. Matthias legt jedoch Wert darauf beide Kunstformen strickt zu trennen und damit unbedingt als eigenständig zu betrachten.
Wer sich bei der Betrachtung seiner Arbeiten gedanklich in die Tiefe begibt, wird schnell erkennen, dass es hier in der Tat einen deutlichen Unterschied gibt. Während es sich bei der Tätowierung, auch wenn sie unter die Haut geht, eher um eine bildliche Darstellung handelt, bietet ihm die Gravur über die Möglichkeiten der Struktur, ein dreidimensionales Werk zu schaffen. Selbst wenn die künstlerisch geschaffene Struktur einer Tätowierung Tiefe vortäuscht, handelt es sich auf allen Ebenen der Betrachtung doch immer um eine Illusion.  
Doch auch wenn Matthias der von ihm angestrebten Tiefe inzwischen ein deutliches Stück näher gekommen ist, steht er dem ihm zur Verfügung stehenden Handwerkszeug immer noch kritisch gegenüber. Denn bei allen Möglichkeiten, die ihm die Graviermaschine bietet, fühlt er sich in zunehmenden Maße dem traditionellen Weg verbunden, dessen Wesen von der Arbeit mit dem Handstichel geprägt wird, der ausschließlich über die Kraft und das Gefühl der Hand durch das Material geführt wird und darüber im wahrsten Sinne des Wortes die Herstellung eines von Hand geschaffenen Kunstwerks ermöglicht. Die Beispiele seiner Arbeiten, die wir an dieser Stelle vorstellen, ermöglichen hoffentlich einen Einblick in die Qualität und den künstlerischen Anspruch, den Matthias mit seiner Interpretation des Gravur Handwerks anstrebt.
Die Aufgabenstellung des Tankdeckels bestand darin, nicht nur die Themen Einklang und Bewegung in einem Symbol unterzubringen, sondern auch dem zwischen diesen Themen dauerhaft herrschenden Kampf einen Raum zu bieten. Die Basis des Symbols bietet das japanische Mitsu Domo, das sich mit seinen drei ineinanderlaufenden Kreisen oder Wellen unaufhörlich als Rad des Schicksals dreht. Die einzelnen Wellen symbolisieren jeweils den Körper, den Geist und die Seele, die es gilt in Einklang zu bringen. Die Schädel, die sich aus der Tiefe der jeweiligen Welle kommend, an die Oberfläche drängen, stehen für die Summe der alltäglichen Unzulänglichkeiten mit denen wir uns den Weg zur Erlangung der Harmonie zwischen Körper, Geist und Seele immer wieder selbst verstellen. Alles in allem keine leichte Aufgabe. Weder im Entwurf noch in der Umsetzung und doch auf eindrucksvolle Art und Weise gelöst.
Bei dem Kupplungshebel ging es um ein eher profanes Thema. Beim Guss des Hebels entstand ein Gussfehler, der unter normalen Umständen dazu geführt hätte, den Hebel mit einem gezielten Wurf in Richtung Ausschusstonne zu entsorgen. In diesem Fall rettete ihn jedoch der Gedanke ein offensichtlich unbrauchbares und damit wertlos scheinendes Teil über die Unterstreichung des vermeintlich Fehlerhaften zur Kunst zu erheben. Zuerst stand die Idee im Raum eine Art Wurm in dem Fehler verschwinden zu lassen. Aus dieser Idee entwickelte Matthias dann ein Fabelwesen, das sich aus dem Fehler windet und sich mit lässiger Selbstverständlichkeit über die Oberfläche des Hebels bewegt.              
Beim dritten Beispiel handelt es sich um das verbindende Credo einer sich aktuell bildenden Chopper Bewegung, die sich den Schutz beziehungsweise die Pflege der Chopper der 60er, 70er und 80er Jahre verschrieben hat und ihre Aktivitäten mit "Save the Choppers" überschreibt. Die im Rahmen der Custombike Messe herrschenden Atmosphäre inspirierte Matthias spontan dazu dieses Credo in seine Arbeit aufzunehmen, es im Stil der alten Gravuren auf eine Lenkerklemme zu übertragen und das Ganze noch während der Messe zum Abschluss zu bringen.
Wer sich von diesen Beispielen inspiriert fühlt oder vielleicht auch länger schon nach einer Möglichkeit gesucht hat, sich einen persönlichen Gegenstand von Wert und Bedeutung über den Weg der Gravur auf eine einzigartige Weise personifizieren zu lassen, der dürfte sich mit seinen Ideen bei Matthias Bloßfeld an der richtigen Adresse befinden.