Foot Loose Triumph Thunderbird

Peter Su Markus 04.06.2017
Wer regelmäßig über die Bikeshows der Kustom Welt schlendert, wird wissen, dass sich dort stark vereinfacht ausgedrückt vier Arten von Bikes finden lassen. Eine Ebene wird von den Bikes besetzt, die in allen Einzelheiten perfekt scheinen und in der Qualität ihrer Formensprache und der handwerklichen Ausführung kaum in Frage zu stellen sind. Neben diesen Bikes, gibt es Bikes die, obwohl sie einem sofort ins Auge fallen, bei eingehender Betrachtung in vielen Bereichen schwächen aufweisen. Dann gibt es die Bikes, die die Kraft ihrer Wirkung erst auf den zweiten Blick entfalten und die Fähigkeit besitzen, den Betrachter mit auf eine Reise nehmen. Alle übrigen Bikes sind der vierten Kategorie zuzuordnen.

Die Triumph, die wir euch an dieser Stelle vorstellen, weckte unser Interesse im Rahmen der diesjährigen Rogues Choppershow als eines der Bikes, die den Betrachter mit auf eine Reise nehmen und weil wir nicht nur schauen, sondern auch fragen, erfuhren wir dass sie ihre eigene Reise bereits vor drei Jahrzehnten antrat.

Bei Erik und Reitse handelt es sich um zwei gestandene Holländer. Seit ihrer Jugend eng befreundet und mit einer Leidenschaft gesegnet, die die meisten von uns mit ihnen teilen. Die Freude, an jeder Form der motorisierten Zweiradbewegung. Doch während sich Erik früh in Richtung der Bearbeitung der Hardware entwickelte, konzentrierte sich Reitse darauf, jedes ihm zur Verfügung stehende Material im harten Asphalteinsatz auf Herz und Nieren zu prüfen. Als sich zwischen den Beiden die Idee entwickelt, auf der Basis einer Triumph ein Bike für Reitse auf die Räder zu stellen, sind sie gerade Anfang 20 und stehen damit in der beginnenden Blüte ihres Lebens.

Eine geeignete Basis in Form eines Hauptrahmens und des dazu gehörenden Motors ist in den 80er Jahren noch relativ leicht zu finden und lässt sich zu einem günstigen Kurs erstehen und so sollte der Realisierung des Projekts eigentlich nichts im Wege stehen, wäre da nicht das Leben, das Erik zu einem langjährigen Aufenthalt in die Schweiz führt und Reitse als angehenden Fachmann für Schiffselektrik auf den niederländischen Marinestützpunkt in Den Helder verschlägt. Diese Entwicklung führt dazu, dass sich die Freunde für lange Zeit aus den Augen verlieren und die bereits angeschaffte Triumph Basis für drei Jahrzehnte in der hintersten Ecke einer Garage verschwindet.

Doch wie es im Leben nun mal so ist, bedeutet aufgeschoben nicht unbedingt aufgehoben. Nach langen Jahren des mit Erfolg geführten Überlebenskampfs im Dschungel eidgenössischer Bürokratie beginnt sich in Erik die Sehnsucht nach der Heimat zu regen. Er sucht und findet im östlichen Hafengebiet Amsterdams eine geeignete Bleibe zur Umsetzung seiner Ideen und die Unterbringung seines inzwischen umfangreichen Maschinen- und Werkzeugparks. Und wie es der Zufall will, erfährt Reitse über drei Ecken, das sich Erik nun wieder dauerhaft im Land der Tulpen und Windmühlen befindet und bringt sich bei Erik mit dem gemeinsam geplanten Projekt ihrer Jugend in Erinnerung.

Inzwischen haben beide die 40 überschritten und so überrascht es Erik, dass sich Reitse nicht nur an das Projekt erinnert, sondern auch die zur Umsetzung erworbene Basis über all die Jahre in seiner Garage aufbewahrt hat. Darüber, dass die Triumph nun endlich wieder Asphalt unter die Räder nehmen sollte, sind sich die beiden schnell einig. Lediglich die Frage, in welcher Gestalt sie dies tun wird, ist zunächst noch offen.

Anfangs steht die Idee eines möglichst einfach zu realisierenden Aufbaus im Raum. Ein eher schlichtes Bike im Starrrahmen auf Triumph Basis, in mattschwarz gehalten und mit geringem Aufwand an Kosten umgesetzt. Doch was die Kosten angeht, haben sich die Zeiten und der Markt für Triumph Teile inzwischen deutlich in Richtung eines gehobenen Preissegments verändert. Da die Freunde der alten Schule angehören und es vorziehen, die Dinge im wahrsten Sinne des Wortes vor dem Kauf zu begreifen, stehen sie der Angebotspalette, die ihnen das Internet bietet mit gemischten Gefühlen gegenüber und wie es der Teufel will, geht bereits die erste Internetorder für das Projekt gründlich in die Hose.

Von dem, über einen amerikanischen Anbieter für 900 Dollar bestellten Heckrahmen, kommt nichts in Amsterdam an und auch von der bereits gezahlten Kaufsumme werden die Freunde nichts mehr hören oder sehen. Die Sache hat allerdings auch etwas Gutes. Denn nun sieht sich Erik in der Pflicht, Ersatz zu liefern und das Heck kurzerhand in Eigenregie zu fertigen. Das Problem dabei ist, das ihm das Heck so gut gelingt, das man sich spontan von der ursprünglichen Planung eines einfachen Bikes verabschiedet und der nun folgende Aufbau etwa 5000 Arbeitsstunden fordern wird.

Das Ergebnis der in diesen Stunden geleisteten Arbeit könnt ihr den Bildern entnehmen, wobei sich vieles im nicht sichtbaren Bereich befindet. Den Anfangs unternommenen Versuch euch auf die einzelnen Teile hinzuweisen, die in Eriks Werkstatt in Handarbeit entstanden sind, haben wir spätestes zu dem Zeitpunkt verworfen, an dem uns Erik erklärt, das allein der Bereich um die Gabelbrücke, dem Lenkkopf und dem Lenkungsdämpfer aus knapp 30 Sonderanfertigungen besteht. Wenn man es genau nimmt, dann lässt sich  an dem Bike kein Teil finden, das nicht durch seine Hände gegangen ist und bearbeitet wurde. Statt euch also mit einer nicht endenden Auflistung von Details zu langweilen, möchten wir euch lieber mit einem Aspekt Eriks Arbeitsphilosophie vertraut machen.

Laut Erik werden alte Motoren aus England und den USA gerne als grobschlächtige Traktoren bezeichnet und viele glauben, dass darin der wirklich coole Aspekt dieser Motoren begründet liegt. Eine Auffassung, der Erik in aller Deutlichkeit wiederspricht. Als gelernter Goldschmied, hat er sich eine sehr spezielle Sichtweise zu eigen gemacht. Er sieht diese Motoren mit den Augen eines Goldschmieds oder Uhrmachers und betrachtet sie dementsprechend in all ihren Feinheiten. Für ihn muss ein solcher Motor ebenso zuverlässig laufen, wie ein gut gemachtes Uhrwerk und auch wenn er im Bereich aller Aufbauarbeiten überaus kreative Lösungen anstrebt, ist es doch die optimale Laufruhe und Leistungsentfaltung eines Motors, die für ihn ein wirklich gelungenes Bike ausmachen.

Wenn ihr nun im Internet nach einer Schrauberbude googelt, die unter der Überschrift Foot Loose im Amsterdamer Hafen außergewöhnliche Bikes auf die Räder stellt, dann werdet ihr mit Erstaunen feststellen, dass sich weder zu Erik, noch zu seiner Arbeit oder seiner Werkstatt etwas finden lässt. Das liegt zum einen daran, das er kaum etwas an die große Glocke hängt und er zum anderen von wenigen Ausnahmen abgesehen nur für Freunde und Bekannte schraubt und dabei nichts macht, was ihn nicht persönlich anspricht oder interessiert. Die Tatsache, dass ihm dabei der gesamte Hype ums Internet am Hintern vorbei geht, macht ihn für uns im doppelten Sinne zu einem Sympathieträger ersten Ranges. Das findet auch Reitse, der sich inzwischen daran macht das von Erik gelieferte Material im Alltagseinsatz auf seine Zuverlässigkeit hin zu prüfen.         

Text und Fotos: Peter Su Markus