Der Zweiprozenter in der Umsetzung seiner Ideen

Peter Su markus

"Möglicherweise liegt es in der besonderen Natur eines Zweiprozenters die  Ruhe zu suchen und in Abgeschiedenheit zu arbeiten und sich damit sehr bewusst an den Rand der Schrauberszene zu stellen!"

Bei der Betrachtung der charakterisierenden Wesenszüge eines Zweiprozenters komme ich zu dem Schluss, das er in seinem Wesen eher dem ursprünglichen Chopper Gedanken im Sinne von Abschneidens entspricht und weniger dem Custom Gedanken im Sinne eines Aufbauens anhängt und er damit im Grundsatz seinen eigenen Vorstellungen folgt und selten versucht eine der im Augenblick angesagten Wellen zu reiten.  

Auch wenn die Medien und hier besonders, die das Feld der Custom Szene ausgiebig beackernden Printmedien, beständig bemüht sind Schubladen zu schaffen, um diesen in der Folge die eine oder andere Stilrichtung allgemeingültig zuordnen, werden die Inhalte der von diesen Medien  geschaffenen Schubladen auf eine mir paradox scheinende Art und Weise nach dem Ablegen umgehend in Frage gestellt.

So wird zum Beispiel gerne von einer kreativen, sich im Untergrund entwickelnden Custom Szene gesprochen, die jedoch nach Ansicht der Medien kaum die Unterstützung und Anerkennung der etablierten Custom Szene findet. Dabei wird der Grad einer Anerkennung in der Regel ausschließlich am Klingeln der Kasse gemessen und unterstellt beim ausbleiben dieses Klingelns ein mangelndes Kaufinteresse gegenüber der im Untergrund gefertigten Teile.

Zunächst einmal denke ich, dass das die Summe der Hinterhofschrauber und damit die Beschäftigungsebene der Zweiprozenter, nicht mit der Beschäftigungsebene der Custom Szene gleichzustellen ist und die Mitglieder der kreativen Hinterhofschraubereien ebenso wie auch die Mitglieder der etablierte Custom Szene keinen gesteigerten Wert darauf legen in einem Topf zu landen, es sei den sie wollten aus welchen Gründen auch immer das Lager wechseln.

Was die Kritik der Medien angeht, das es den im Untergrund gefertigten Teilen oftmals an Kaufinteresse einer breiten Masse mangelt, wird es in der Tat so sein, das sich in der etablierten Custom Szene das Geld leichter verdienen lässt. Bedient man hier doch die Bedürfnisse einer bereiten Masse, während man im kreativen Untergrund wohl eher an Einzellösungen interessiert sein wird, die zwar durchaus geeignet sind dem jeweiligen Projekt ein einzigartiges Erscheinungsbild zu verleihen, sich jedoch kaum als massentauglich erweisen werden. Damit stellt sich die grundsätzliche Frage ob sich die Begriffe der Untergrund- und Hinterhofschrauberei und eine in der Custom Szene praktizierte Serienfertigung von Teilen nicht bereits von ihrem Wesen her grundsätzlich unterscheiden und damit gegenseitig ausschließen.  

Ein gutes Beispiel des Verstehens bietet hier zum Beispiel ein Vergleich zwischen der von der Firma V-Tech angebotenen Lenker Produktpalette und des von Ricky de Haas zunächst wohl als Einzelstück erstandenen Lenkers, der nun Zusammenarbeit mit Dock 66 in deren Internetshop als Teil des Warenangebotes vertrieben wird.

Während man sich bei V-Tech über Jahre auf die Herstellung von Lenkern für amerikanische Motorräder spezialisiert hat und eine große Zahl unterschiedlicher Lenkerausführungen auf qualitativ hohem Niveau anbietet, die obwohl sehr unterschiedlich in der Form doch alle eine gewisse Massentauglichkeit aufweisen, hat Ricky de Haas im Gegensatz dazu einen für deutsche Verhältnisse extremen Lenker entworfen, der sich stark an den schmalen Lenkern der im Augenblick angesagten jungen Generation amerikanischer und auch japanischer Vertreter der alten Schule orientiert.

Innerhalb des Interesses, das man auch in Deutschland dieser Szene entgegenbringt, sollte man nun vermuten das sich dieser Lenker verkauft wie geschnitten Brot. Ich gehe jedoch davon aus, dass eher das Gegenteil der Fall sein wird. Der Grund für meine Vermutung liegt meiner Meinung nach offensichtlich auf der Hand. Der Lenker der dem Untergrund der Zweiprozenter entspringt, mag dem Einen oder Anderen als Krone der Lenker erscheinen, nur massentauglich ist er nicht.

Er wird sich optisch nur bei verschwindend wenigen Aufbauten harmonisch ins Bild fügen. Bei allen anderen sieht er dagegen im günstigsten Fall deplatziert aus und ist damit im Gegensatz zu den Lenkern von V-Tech auch beim besten Willen durch nichts schön zu sprechen.

So komme ich in diesem Beispiel zu dem Schluss, dass sich die sehr speziellen, auf ein Projekt bezogenen Bauteile einer Zweiprozenter Arbeit kaum sinnvoll an einem 08/15 Motorradaufbau verbauen lassen und das sie falls doch, dann nur in seltenen Ausnahmen der angestrebten Zielsetzung entsprechen.

Damit lassen sich unter den professionellen, Profit orientierten  Schraubern nur selten Zweiprozenter finden. Die wenigen Ausnahmen wie zum Beispiel Schrauber vom Schlag eines Shinya Kimuras, dessen Kunden sich damit abfinden müssen, das ihr von Shinya Kimura auf die Räder gestelltes Motorrad in seiner Ausführung ausschließlich der Idee seines Erbauers folgt, haben sich ihren Ruf über Jahrzehnte im Untergrund aufgebaut und spielen inzwischen in einer gänzlich anderen Liga.

Das man in Deutschland jedoch lange nach einem solchen Schrauber wird suchen müssen, liegt auch an den hier gültigen Gesetzesvorgaben, die es auch einem Shinya Kimura unmöglich machen würden seine Ideen legal auf die Straße zu bringen.

So bleibt der Zweiprozenter in Deutschland ein Wesen im Untergrund. Ein Hinterhofschrauber, der seine Ideen über lange Zeiträume verfolgt und in stoischer Ruhe alle sich ihm bietenden Möglichkeiten und Schlupflöcher nutzt, um das Umzusetzen, was eigentlich nicht umsetzbar ist.

Ihm geht es in erster Linie um das beschreiten eines Weges und den auf diesem Weg zu sammelnden Erfahrungen. Dabei scheint es für ihn häufig keine Rolle zu spielen, ob diese Erfahrungen negativer oder positiver Natur sind. Das was für ihn zählt, ist das Wissen, das ihn in seiner Entwicklung jede einzelne Erfahrung einen Schritt weiter bringt. Eine weitere Charaktereigenschaft eines Zweiprozenters besteht darin, das er eher selten im Blickpunkt eines breiten öffentlichen Interesses anzutreffen ist.

Seine Fahrzeuge lassen sich oft am Rande großer Veranstaltungen finden. Sie schieben sich dort ohne viel Tamtam eher unscheinbar ins Blickfeld des Betrachters und entwickeln ihre Kraft und Präsenz erst auf den zweiten Blick.