Akashi Sweets
Metallische Oberflächen, das Schwarz der GegenwartJede Strömung, erzeugt eine Gegenströmung. Das bedeutet, dass den durchaus innovativen Fahrzeugstudien der großen Motorradhersteller immer häufiger roh gearbeitete Kreationen kleiner Werkstätten gegenüber stehen. Dass in diesem Zusammenhang eine von Hand bearbeitete metallisch blanke Oberfläche an einem Motorrad einen ganz besonderen Reiz auf den Betrachter ausübt, dürfte inzwischen allgemein bekannt und damit nichts Neues sein.
In den 1980ger Jahren als Tourenmotorrad der gehobenen Mittelklasse erdacht, haftet dem Entschluss das Projekt drei Jahrzehnte später in metallisch blanke Oberflächen zu kleiden durchaus etwas Besonderes an, stellt die metallisch blanke Oberfläche doch eine deutliche Gegenströmung zur ursprünglich bunt gestalteten Kunststoffoberfläche einer von der Zeit längst überholten GPZ Basis dar. Darüber hinaus gefällt mir der Gedanke, dass sich auf diesem Weg die Möglichkeit eines Kaschierens von Fertigungspuren ausschließt und meine Idee einer natürlichen, rohen Oberfläche des Materials im Sinne des Ursprungsgedankens eines reinen Fahrgeräts unterstreicht.
Da dem Entschluss im Idealfall die Handlung folgt, begebe ich mich voller Tatendrang in den Baumarkt, um mich mit einem, zur Entfernung der Lackaltlasten geeigneten Abbeizers einzudecken. Als gelernter Maler, der sich vor gut vier Jahrzehnten das letzte Mal mit der professionellen Beseitigung eines Lacküberzugs beschäftigt hat, muss ich dort zunächst einmal feststellen, dass sich auf diesem Gebiet inzwischen Grundlegendes geändert hat.
Während man sich zu meiner Zeit in der Werbung noch damit rühmte, den zu entfernenden Lack im wahrsten Sinne des Wortes innerhalb von Minuten von der Oberfläche zu ätzen und dabei das Tragen von geeigneten Schutzhandschuhen und die Arbeitsausführung in gut durchlüfteten Räumen dringend angeraten war, beschreibt der Fachverkäufer im Baumarkt seinen Lackentferner als ein Mittel zur Umwelt schonenden Lackentfernung, das unter Verwendung biologisch abbaubarer Wirkstoffe auf Wasserbasis auch in geschlossenen Räumen und ohne jede Gefahr für Leib und Seele sein Werk verrichten würde.
Nun, wenn es funzt, dann soll mir die Basis egal sein. Der Hinweis auf die biologische Abbaubarkeit des Gels, das mich in seiner geruchlosen Farbe eher an herbstlichen Nasenrotz erinnert, stimmt mich jedoch misstrauisch. Eine der Lehren, die mir mein Lehrmeister anno ´72 mit auf den Weg gab, lautete:
"Was nicht stinkt, das funzt auch nicht!"
Der komplizierte denkende Geist der Gegenwart mag dies für eine schlichte Lehre halten, in ihrem Wahrheitskern dürfte sie jedoch kaum zu erschüttern sein. Die Beschreibung auf der Dose gibt sich dem Zeitgeist entsprechend tiefsinniger. Wer ihr Glauben schenken will, erfährt dass es sich beim Inhalt der Dose um einen der führenden Lackentferner am Markt handelt, der eine x beliebige Farbschicht innerhalb von 24 Stunden schonend von der Oberfläche löst und zwar geruchlos. Obwohl ich von Beginn an Zweifel hege, soll dieses Mittel und die anderen, die ihm im Laufe der kommen Wochen folgen sollen, seine Chance bekommen.
Zwei Tage nachdem ich den Rahmen, die Räder und einige Anbauteile mit dem, mir auf das wärmste empfohlene Lackentferner eingepinselt habe, betrachte ich das Ergebnis mit gemischten Gefühlen. Offensichtlich scheint es einen Zusammenhang zwischen dem Untergrund, der Beschaffenheit der Oberfläche und der Art beziehungsweise der Zusammensetzung des Lacks zu geben, der sich mir jedoch nicht auf Anhieb erschließt. Fakt ist, an den Stellen an denen das Gel den Lack tatsächlich abgelöst hat, hat es ganze Arbeit geleistet, an den Stellen an denen es versagte, hat es gründlich versagt. Das Problem das sich daraus ergibt, besteht darin, dass es beide Eigenschaften auf ein und demselben Bauteil relativ willkürlich zeigt.
An der einen Stelle, lässt sich der Lack mit einem feuchten Scheuerschwamm einfach wegwischen, wenige Zentimeter weiter haftet er dagegen so hartnäckig an der Oberfläche als hätte es den Kontakt zum Lackentferner nie gegeben. Da ich in solchen Fällen mit der ins Bohrfutter gespannten Runddrahtbürste beste Ergebnisse erziele, werden die betreffenden Oberflächen aufgeraut und erneut mit dem Lackentferner behandelt. Alles in allem eine zeitraubende Prozedur, doch was will man machen, wenn einem der freie Zugriff auf die sehr viel radikaler wirkenden Mittel meiner Lehrjahre vom Handel inzwischen verwehrt wird.
Dass der stete Tropfen den Stein höhlt, wussten bereits die alten Chinesen und so dürfte es lediglich eine Frage der Zeit, der eingesetzten Mittel und letztendlich meiner Geduld beziehungsweise Hartnäckigkeit sein, bis der Lack in die Knie gezwungen ist. In meinem Fall wird sich dieser Prozess über einen Zeitraum von drei Wochen und insgesamt vier weiteren, ebenso nutzlosen Produkten erstrecken und dabei meine Geduld auf eine sehr harte Probe stellen.
Mit Blick auf die rot beschichteten Alufelgen und den geringen Erfolg, den ich bei den restlichen Lackteilen verbuchen konnte, mache ich mich im Internet schlau und stelle fest das es auf den Markt keinen Lackentferner mehr zu geben scheint, der im Test in punkto Farbabtrag mit der Note sehr gut bewertet wird. Also tippe ich - Industrielle Lackentferner - in die Suchleiste und werde zu meiner Überraschung sofort fündig. Die hier angepriesenen Mittel werden nicht nur als gesundheitsschädlich, sondern auch als hochgradig feuergefährlich beschrieben. Ihre Verarbeitung sollte ausschließlich auf kleinen Flächen und in gut durchlüfteten Räumen stattfinden. Offensichtlich genau das was ich suche.
Drei Tage später halte ich eines der Mittel in Händen. Weitere zwei Tage später muss ich ernüchtert feststellen, dass auch dieses Mittel etwas für die Tonne ist. Am Ende bleibt mir nur die Arbeit mit Drahtbürste, Stahlwolle und Schleifpapier und wenn ich es genauer betrachte, dann machen sich die roten Farbreste in den Ecken der Felgen in der Gesamtoptik eigentlich gar nicht so schlecht. Die einen werden es möglicherweise für Patina halten, für mich ist es das Ergebnis der unwirksamsten Lackentferner, die der Markt dem Kunden zu bieten hat.
Text und Fotos: Gasolin Alley Garage