The Dutchman Racer
Der Idee den Geist des Flat Racings in die Gegenwart zu übertragen, entspringt ein Bike, wie man es in dieser klaren Eleganz nicht alle Tage zu sehen bekommt.Text & Fotos Gasolin Alley Garage
Geht es im Bereich der Coolness um Typen, Bikes und Veranstaltungen, ist es längst kein Geheimnis mehr, dass sich unsere niederländischen Nachbarn nicht nur auf den Bau von Windmühlen und den Anbau von Gemüse und Tulpen verstehen, sondern auch auf gänzlich anderen Ebenen vielseitig zu überzeugen wissen.
So wird auch Ruben Segers dem aufmerksamen Leser des Custombike Magazins längst kein unbekannter mehr sein. Über seine, in aufwändiger Handarbeit gefertigten Teile und den mit diesen Teilen verbundenen Aufbauten, fährt er unter den Freunden gepflegter Um- und Aufbaukultur einen hohen Grad an Anerkennung ein und stimmt mit seiner unter der Bezeichnung Wing Head auf die Räder gestellten Mischung aus Early Shovel Basis und Knuckle Head Optik immer noch manchen Betrachter nachdenklich, wo genau dieser Aufbau in der Geschichte der Company denn nun einzuordnen ist.
Wer sich die Zeit nimmt, den 37 jährigen Niederländer in seiner Werkstatt aufzusuchen, die im grenznahen Uden unter der Überschrift Wing Palace firmiert, wird schnell feststellen, dass hier auf hohem Niveau an nahezu allem geschraubt wird, was sich auf zwei Rädern bewegen lässt. Ob der Kunde einen klassischen Chopper oder Bobber oder einen coolen Cruiser auf der Basis eines amerikanischen, japanischen oder europäischen Eisens wünscht, spielt für Ruben eine eher untergeordnete Rolle.
Für ihn nehmen die grundsätzlichen Aspekte der handwerklichen Herausforderung und des technischen Anspruchs den wesentlichen Teil seiner Arbeit ein und dabei spielt es kaum eine Rolle woher eine Basis kommt oder wohin der Weg gehen soll. Spricht man den sympathischen Schrauber jedoch auf seine persönlichen Vorlieben an, erfährt man, dass sein Herz vor allem für Bikes der 30er und 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts schlägt und er sich bei dem Design seiner eigenen Bikes gerne in den frühen Jahren der Motorradgeschichte bewegt.
Seiner Geschäftsphilosophie folgend, legt er in seiner Arbeit größten Wert auf Zuverlässigkeit und klare Funktionsweise und so lassen sich an den Motorrädern, die bereits im siebten Jahr aus seiner Garage rollen, im Bereich der Motortechnik und Elektrik weder alte, noch verbrauchte und damit unzuverlässige Teile finden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich Ruben nicht gerne solcher Teile bedient.
Als bekennender Freund alten Eisens betrachtet er den optischen Reiz den diese Teile einem gelungenen Aufbau verleihen, als eines der wesentlichen Stilmittel seiner Arbeit. Eine seiner besonderen Fähigkeiten liegt in dem kompromisslosen Wunsch, die Patina der Oberfläche eines alten Teils zu erhalten und das Innere so weit wie möglich durch zeitgemäße Technik zu ersetzen. Ein Bemühen, das Ruben über seine Erfahrung in der Motorinstandsetzung und der Metallverarbeitung hinaus, als den künstlerischen Aspekt seiner Arbeit betrachtet und mit Blick auf die angestrebte Qualität beständig weiterentwickelt.
So ist auch sein aktueller Aufbau als Grenzgänger und Mittler traditioneller Werte und den zum gegenwärtigen Zeitpunkt gestellten Anforderungen an ein zuverlässiges Motorrad zu betrachten. Nachdem er im Kundenauftrag einige Bikes auf der Basis seiner Winghead Motoren auf die Räder gestellt hat, stand ihm der Sinn nach Abwechslung. Neben den abgespeckten Bikes der Nachkriegszeit, übte die schmale Linie der Flat Racer und Board Tracker der 30er und 40er Jahre eine besondere Anziehungskraft auf ihn aus und mit Blick auf diese Bikes, beschäftigte er sich zunächst mit der Idee, etwas auf der Basis schmaler 21" Räder auf die Räder zu stellen.
Bei der Suche nach geeigneten Rädern, stieß er dann auf die 23 Zöller, mit deren Einsatz Honda in den 80er Jahren den Versuch unternahm, sich im Bereich der Geländemaschinen einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Ein kurzer Blick auf die einschlägigen Internetplattformen, verriet eine durchaus gebotene Verfügbarkeit solcher Räder und so gab es für Ruben kein Zögern mehr.
Leider forderten die Honda Räder, auch wenn sie sich im Vergleich zum Angebot an Harley Teilen für relativ kleines Geld erstehen ließen, einiges an Gedankenschmalz und Folgekosten bis sie seinen Vorstellungen entsprechend, in das Gefüge des amerikanischen Eisens passten. Während sich die Anpassung des Vorderrads, das einschließlich der originalen Trommelbremse verbaut werden sollte, über einen leichten Eingriff in die Achsaufnahme als erledigt abhaken ließ, sah es mit dem Hinterrad deutlich anders aus. Da sich die Anzahl der von Honda vorgesehenen Speichen nicht mit der Speichen Aufnahme der Harley Nabe vertrug, führte kein Weg an der Einzelanfertigung einer speziellen 23" Felge mit entsprechender Speichenaufnahme vorbei, um die Optik der alten Harley Trommelbremse im Heck beibehalten zu können.
Geht es um die Zielsetzung der schmalen Linie bei gleichzeitiger Zuverlässigkeit und sportlichem Auftritt, dann eignet sich dazu, auch wenn die Auffassungen an dieser Stelle auseinandergehen mögen, kaum ein Motor der Harley Palette besser, als der einer 1200 Sportster. Da Ruben auf einen Motor dieser Baureihe zurückgreifen konnte und es sich vor allem um ein Entspannungsprojekt handelte, sollten sich auch die Kosten auf einem überschaubaren Level bewegen und so wanderte der Motor einer ´98 Sportster in den Rahmen, den sich Ruben allerdingst erst einmal bauen musste.
Spätestens an dieser Stelle hätte der eine oder andere Schrauber kalte Füße bekommen. Nicht so Ruben, der es gewöhnt ist, auch größeren Anforderungen gelassen zu begegnen. Wenn er einen Rahmen benötigt, den es seinen Vorstellungen entsprechend auf dem Markt nicht gibt, lässt er diesen auf der eigenen Werkbank entstehen und so beschäftigte er sich weniger mit der Frage, wie der Rahmen zu bauen sei, sondern viel mehr mit dem Gedanken, wie er diesen so trickreich wie möglich gestalten konnte.
Die Elektrik in den Rahmen zu verlegen, dürfte eine Übung sein, die in vielen Garagen inzwischen zum Standard gehört und da Ruben bei seinen Aufbauten immer auch nach einer stilsicheren Lösung zur Unterbringung des Öltanks sucht, bot sich dieses Projekt dazu an, auf die üblichen Lösungen eines solchen Tanks zu verzichten und zumindest einen Teil des später benötigten Schmiermittels in den Rahmenrohren bereitzustellen. Das er dazu nicht das obere Hauptrohr des Rahmens sondern die beiden Unterzüge nutzte, ist der Idee der gleichzeitigen Kühlung des Öls durch den Fahrtwind geschuldet.
Den selbstredend handgefertigten Sprittank gestaltete er zweiteilig und brachte einen weiteren Teil des Öls im vorderen Drittel der linken Tankhälfte unter. Der Rest des Tanks dient der Spritaufnahme und wird über einen Verbindungsschlauch über die rechte Tankseite befüllt. Nachdem all dies über die Bühne gegangen war, konnte die Herstellung des Lenkers und die Formgebung des hinteren Fenders als eine der leichteren Übungen betrachtet werden.
Das Vorderrad wird der schmalen Linie folgend, von einer modifizierten Springergabel aus der Knuckle Head Ära in der Spur gehalten. Mit dem Abhaken aller Komponenten, die Rubens Anspruch gegenüber einer einwandfreien Funktionsweise zu genügen hatten, sah er den Zeitpunkt gekommen, sich dem Bereich des Spirits des wirklich Alten zuzuwenden. Im Bereich der Beleuchtungskörper hat er inzwischen eine große Zahl an alten Lampen und Rücklichtern zusammengetragen und da die Niederländer bekanntlich auf eine lange und traditionsreiche Fahrradkultur blicken können, lässt sich in Rubens Lager so manches geschichtsträchtiges Teil finden, das seinen Dienst zuvor an einem alten Velo geleistet hat.
Ein kurzer Gang ins Lager genügte, um entsprechendes ans Tageslicht zu befördern und auch in Bezug auf alle anderen noch benötigten Anbauteile, wählt Ruben eher den Griff in die eigenen Regale, statt auf das Katalogangebot des Zubehörmarktes zurückzugreifen. Wirklich kultige Teile, lassen sich seiner Meinung nach eher selten in Katalogen finden und so stellt er das, was sich nicht in seinen Regalen findet, in Eigenregie her. Eine Einstellung, die seine Kunden zu schätzen wissen, garantiert er ihnen doch auf diese Weise ein Bike mit einer einzigartigen Seele.
Im Falle des 23" Racers nutzte Ruben zum Beispiel einen Satz alter Ringschlüssel um daraus die benötigten Bremsanker zu fertigen und auch die Batterie, deren Sitz er unter das Getriebe des Sportstermotors verlegte, bekam keine der bekannten 08/15 Halterungen verpasst, sondern wird von der Ölwanne einer alten Honda CB 500 an ihrem Platz gehalten. Der schmalen Linie folgend, musste der Riemenantrieb seinen Platz zu Gunsten einer schmaler bauenden Kette räumen. Den Raum, den der am Rahmen fehlende Öltank bot, wurde genutzt um die Auspuffrohre in kunstvoller Kurvenführung auf die linke Seite zu verlegen.
Als alles so war wie Ruben es sich vorgestellt hatte, wurde das Ganze in ein dezentes orange/cremeweißes Lackkleid getaucht und mit einem feinen Schriftzug und sparsamen Linien im Stil der 30ger Jahre versehen. Seinen ersten großen Auftritt hatte das Bike dann im Rahmen der Big Twin Show in Rosmalen. In Deutschland war es erstmal auf der Kustom Kulture Forever in Herten zu sehen. Um zu zeigen, was das Bike fahrtechnisch konnte, traf man sich im Juli auf der Bahn eines ausgedienten Velodromes am Niederrhein, um damit den Kreis der Geschichte um Rubens Dutchman Racer zu schließen.