Das 2x23 Zoll Projekt /3
der Gasolin Alley
der Garage für angewandte Stressbewältigungstechniken, Tiefenentspannung und Metallmeditationen
In Zusammenarbeit mit
Frank Bick
und
freundlicher Unterstützung von:
Enrico De Sena - www.boss-performance-motorcycles.de
Dimitrios Georgoulas - www.spirit-leather.de
Hagen Jödecke - www.madeiradrive.de
Teil 3 - Der Rahmen
Anfang 2013 befiel mich eine zunächst unbestimmte Unruhe, die erfahrene Hinterhof Schrauber im Zusammenhang mit einer projektlosen Zeit, als eine der unangenehmsten Formen des kalten Schrauberentzugs bezeichnen, dessen Auswirkungen sich nur über die intensive Beschäftigung mit einer neuen Projektbasis mildern lassen und mich veranlassten mich nach etwas geeignetem umzusehen.
Angesichts einer kaum noch ernst zu nehmenden Kostenexplosion im Bereich der Harleys und Triumphs ging ich bereits in einer frühen Phase meiner Suche zu Modellen dieser Hersteller auf Abstand und richtete mein Interesse stattdessen auf eine geeignete Alternative aus dem Land der aufgehenden Sonne.
Da ich seit 1997 regelmäßig nach Japan reise, weiß ich, dass die dort aktiven Schrauber vorbehaltlos alles in einen die Sinne ansprechenden Umbau verwandeln können, was sich auf zwei Rädern bewegen lässt. Und auch wenn die Vertreter der bei uns so hoch gelobten Custom Szene, die Basis eines Reiskochers eher mitleidig belächeln, gibt es auch unter den Japanern Klassiker und die Yamaha XS gehört ohne jeden Zweifel dazu.
Kritiker japanischer Marken werden an dieser Stelle schnell zu dem Schluss kommen, das ein wirklich cooles Bike ausschließlich auf der Basis einer Harley entstehen kann und nachdem im Sektor des alten Eisens amerikanischer Herkunft die Preise, die selbst für den allerletzten Schrott gefordert und wohl auch gezahlt werden, im Namen eines künstlich aufgebauten Coolness Faktors zu astronomischen Summen hoch gekocht wurden, reihten sich alte Triumphs in die Gruppe der noch zu akzeptierenden Basisspender ein. Und wie nicht anders zu erwarten, kletterten alsbald auch in diesem Bereich die Preise in die Höhe.
Coolness hin oder her, muss das Ego der Besitzer einer solchen Basis meiner Meinung nach schon ziemlich gelitten haben, wenn er bereit ist seine Kohle auf den Tresen einer angesagten Custom Schmiede zu blättern, nur um der Gruppe der Coolen anzugehören. Dabei wird der eine oder andere in der Folge mit Ernüchterung festgestellt haben, dass das Bewegen einer solchen Basis ein gewisses Fachwissen und die ständige Bereitschaft zur Kontrolle und Wartung voraussetzt, an dem es der Summe der Coolness orientierten Harley und Triumphs Bewegern meiner Meinung nach deutlich mangelt.
Wie auch immer, steht die XS mit kaum zu übersehenden genetischen Verwandtschaft gegenüber englischer Paralleltwins der 70ger und 80ger Jahre in dem Ruf, die Basis all jener zu sein, die sich nichts besseres leisten können oder wollen und gilt damit in der Szene der Coolen als ausgesprochen Uncool. Nun könnte man sich bequem zurücklehnen und warten bis die XS so Uncool wird, dass sie von einer der zahlreich existierenden Subkulturen zur Königin und damit ebenfalls zum Kult erhoben wird. Weil damit die Preise auf dem XS Sektor ebenfalls explodieren würden, entschied ich mich gegen das Warten und hielt stattdessen frühzeitig die Augen nach günstigen Teilen auf.
Die Entwicklung der inzwischen auch diesem Bereich aufgerufenen Preise sollte mir in meiner Entscheidung recht geben. Selbst für XS Rahmen ohne Brief werden inzwischen bis zu 600,- Euro aufgerufen. Im guten, unverbastelten Zustand und mit Brief werden sie zwischen 800,- und 1000,- Euro gehandelt.
Ein guter Motor ist inzwischen kaum unter der 1000,- Euro Marke zu haben und auch Kleinteile wie Räder, Naben, Vergaser und Gabel sind deutlich im Wert gestiegen. Mit dem Einläuten der herbstlichen Auf- und Umbauzeit ziehen die Preise ebenfalls noch einmal deutlich an und wer auf ein echtes Schnäppchen aus ist, sollte jeweils bis zum Frühjahr warten.
Der Rahmen der im Frühjahr 2013 bei ebay auf mich wartete, wurde mit einem Startpreis von 100,- Euro eingestellt. Im Rückblick vermag ich nicht zu sagen, warum sich zu diesem Zeitpunkt offensichtlich niemand für dieses ausgesprochen günstige Angebot interessierte und ich bereits bei einem Gebot von 101,- Euro den Zuschlag erhielt.
Nachvollziehbar, dass sich der Verkäufer wenig glücklich zeigte. Hatte er doch mit deutlich mehr gerechnet, gepokert und verloren. Und so machte ich mich an einem regnerischen Mittwoch im April auf den Weg nach Witten, um einen Rahmen im originalen Zustand inklusive Brief zu übernehmen, für den es in meiner Garage bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch keinen konkreten Verwendungszweck gab.
Der erste Gedanke war den Rahmen zunächst wie eine gute Flasche Wein einfach ins Regal zu stellen, um ihn noch ein paar Jahre reifen zu lassen. Der zweite Gedanke drehte sich bereits um ein schnödes Spekulationsobjekt, sprich den Rahmen bereits im kommenden Herbst an gleicher Stelle wieder zum Verkauf einzustellen, um einen möglichst satten Gewinn einzufahren. Doch nachdem er einige Wochen so vor sich hin gestanden und mich mit einer Linienführung zu locken begann die es zu entwickeln galt, wurde mir immer klarer, das der Rahmen weder verkauft, noch die Garage in dem Zustand verlassen würde, in dem ich ihn dort abgestellt hatte.
Seit ein paar Jahren, warf ich in Abständen immer mal wieder einen Blick auf die Szene amerikanischer Hinterhofschrauber und natürlich war mir der sich auch dort entwickelnde Trend in Richtung XS nicht verborgen geblieben. So gehörten zum Beispiel die Schrauber von Monstercraftsmen zu denjenigen, die schon früh damit begannen wirklich schönes Zeug für die XS zu entwickeln und im Internet anzubieten. Einer ihrer Schaffenshöhepunkte stellte ein Heckrahmen mit tiefer gelegter Federbeinaufnahme dar, für dessen Einbau der komplette hintere Rahmen abgeflext und durch das neue Heck ersetzt werden musste. Ein Eingriff bei dem sich jedem Graukittel vom TÜV nicht nur die Nackenhaare sträubten.
Doch da das Bild eines solchen Heckumbaus mich extrem ansprach und fragen ja bekanntlich nichts kostet, versuchte ich mein Glück und klopfte ich beim TÜV die Eintragungsfähigkeit eines solchen Eingriffs ab. Die Antwort gestaltete sich einfach und ernüchternd. Nach Einschätzung des von mir konsultierten Prüfers hätte ein solcher Umbau nicht die geringste Change auf eine Eintragung.
Klare Worte, die jedoch bei weiterführenden Nachforschungen von der Summe der in Deutschland aktiven Umbauprofis offensichtlich anders gesehen wurde. So stieß ich über das Internet schnell auf Anbieter, die sich laut Eigenwerbung durchaus dazu in der Lage sahen, einen solchen oder ähnlichen Umbau TÜV Konform auf die Räder zu stellen. Allerdings würde die Geschichte je nach Aufwand inklusive aller erforderlichen TÜV Abnahmen mit 4000,- und 5000,- Euro zu Buche schlagen und ließ damit darauf schließen dass es sich auch hier, wie bei so vielem in der kommerziellen Umbau Szene, lediglich um eine Frage des Preises handelte.
Mit der von mir vertretenen Einstellung soviel wie möglich selber zu machen und mich noch dazu in einem überschaubaren Preisrahmen zu bewegen, schied ein solcher Weg allerdings aus und so verabschiedete ich mich der Vernunft folgend von dem Gedanken eines Heckumbaus Marke Monstercraftsmen und entschied mich stattdessen für ein in Eigenregie vorgenommenes Flexing, bei dem der Hauptrahmen in Bezug auf seine TÜV relevanten Rahmenteile unangetastet bleiben sollte.
Um mir einen ersten Überblick über das verschaffen zu können, was nicht meinem Verständnis von Kunst entsprach und somit ab konnte, begann ich zunächst damit alle meiner Meinung nach in Frage kommenden Bereiche mit blauem Tape zu markieren. Das Ergebnis dieser Aktion kam meiner Vorstellung einer deutlich abgespeckten Rahmenlinie bereits sehr nahe, würde der Rahmen am Ende doch nahezu ausschließlich aus dem ihn tragenden Rohrwerk bestehen.
In der Folge sollte ein Großteil der Teile, die von der Yamaha Konstruktionsabteilung seinerzeit für Unverzichtbar gehalten wurden, der Trennscheibe zum Opfer fallen. Stück für Stück landete auf dem Garagenboden und begann beim abendlichen zusammenfegen einen ansehnlichen Haufen zu bilden.
Während die Flex überflüssige Haltebleche und Aufnahmen im Sekundentakt vom Rahmen trennte, nahm die Nachbearbeitung und das verputzen des Restbestandes unter Einsatz von Feilen und diversen Schleifmitteln Stunden in Anspruch. Ich nutzte diesen Zeitaufwand zur Weiterentwicklung der garageneigenen meditativen Gelassenheit und hüllte den Rahmen und auch mich in einen Hauch von Zen, der meiner Empfindung nach ewig hätte anhalten können.
Doch da auch die ruhigen und ausgeglichen Phasen einer Beschäftigung früher oder später zum Abschluss gebracht werden, bildete das Rahmenwerk nach einem intensiven Bearbeitungszeitraum von knapp einer Woche ein Ergebnis, das man als durchaus gelungen und schlank bezeichnen konnte. Eine ideale Basis für die später folgenden 23 Zollräder.
Fotos & Text: Peter Su Markus / Fotos Frank Bick