Text und Fotos Peter Su Markus am 04.01.2018
AISi9Mg, eine Formel, die in der Basis Aluminium vermuten lässt. Genügt die Aussagekraft der Formel, einer außergewöhnlichen Projektstudie eine Überschrift zu bieten? Der Gedanke, der mir zu dieser Studie in der ersten Begegnung in den Sinn kam, ging eher in Richtung eines "Primus inter Pares", eines "Ersten unter Gleichen". Angesichts der Vielfältigkeit dieser Projektstudie dürfte es schwer werden, eine Überschrift zu finden, unter der sich die Umsetzung der Idee zum rollenden Objekt in ihrer Gesamtheit unmissverständlich zusammenfasen ließe.
AISi9Mg, eine mit Bedacht gewählte Aluminium Legierung um der von Enrico de Haas bei Wannabe Choppers auf die Räder gestellten Zukunftsvision und den sich daraus ergebenden Überlegungen ein tragendes Gerüst zu bieten. Nun ist es so, dass es sich beim Werkstoff Aluminium im Bereich des Motorradbaus um nichts weltbewegend Neues handelt. Hochwertiges Aluminium, wie es auch im Flugzeugbau zur Anwendung kommt und im Bereich der Custom Bikes unter Einsatz CNC gesteuerter Fräsen zu Billet Aluminium Teilen verarbeitet wird. Die Basis, stellt dort der massive Block, in dem sich im Verständnis eines Bildhauers, das gewünschte Teil verbirgt, das unter Einsatz der computergesteuerten Fräse ans Licht gebracht wird, wobei der künstlerische Gedanke in der Welt eines hochtechnischen Maschinenparks kaum eine Rolle spielen dürfte.Die in der hier vorgestellten Projektstudie eingesetzte Legierung besitzt andere Qualitäten. Sie weist den handwerklichen Inhalten der Vergangenheit den Weg in Richtung kreativer Zukunftsperspektiven. Sie bietet über die haptische Sachlichkeit des Materials dem künstlerischen Ansatz eine Basis. Eine Aluminium Legierung, die speziell für die antiquiert scheinende Verarbeitung im Gussbereich entwickelt wurde und hier besonders im Bereich der Haptik zu überzeugen weiß. Der Technik des Gießens, eine der ursprünglichsten Fertigungstechniken im frühen Motoren- und Maschinenbaus, kommt über die Verwendung des Aluminiums eine zeitgemäße Bewertung in der Vielfalt der Möglichkeiten zu.
Die Möglichkeiten, die sich aus dieser Verbindung ergeben, bieten dem Betrachter der Projektstudie den gedanklichen Freiraum, den Wesenskern der hier gezeigten Studie entsprechend seines eigenen kreativen Potenzials weiterzuentwickeln. Bei dem, was der Betrachter auf dem ersten Blick zu sehen glaubt, scheint es sich um ein, der Textur der frühen Jahre der Motorradgeschichte entsprechendes Fahrzeug zu handeln. Doch ist das so? Bereits der zweite Blick nährt den Zweifel an dem, was die Form vorgibt zu sein. Dem Motor scheint es an Wesentlichem zu mangeln. Zum Getriebe, bei dem sich nun ebenfalls erheblicher Zweifel an der Funktion regt, besteht keine erkennbare Verbindung und auch in Richtung Hinterrad lässt nichts auf einen Antrieb über den Motor schließen. Und doch reagiert das Hinterrad auf die Betätigung des Gasgriffs mit Rotation. Die Lösung des Rätsels liegt im Elektroantrieb. Bleibt die Frage, warum sich das Ganze in der Gestalt eines waschechten Motorrads alter Schule präsentiert, während die Vision selbst offensichtlich dem Gedanken mobiler Zukunft schmeichelt.
Eine Frage, die ihre Beantwortung in der konsequenten Umsetzung eines kreativen Gedankenspiels findet. Die Realisierung einer Vision, die von Enrico de Haas unter dem Arbeitstitel AISi9Mg auf die Räder gestellt wurde, um die in der Werkstatt von Wannabe Choppers gebotenen handwerklichen Möglichkeiten sicht- und greifbar zu machen und gleichzeitig die Möglichkeiten unterschiedlicher Denkansätze demonstriert. In der Folge ließe sich die Studie über ihre handwerklichen Inhalte hinaus, die hier vor allem vom Bereich der innovativen Gusstechnik gekennzeichnet ist, je nach Bedarf in unterschiedliche Richtungen weiterentwickeln.
Die Idee, einen Elektromotor in Form eines Direktantriebs mit der Narbe des Hinterrads zu verbinden, beschreibt lediglich einen Teilbereich der Möglichkeiten in Richtung Zukunft. So ließe sich zum Beispiel auch ein Allradantrieb mit einfachsten Mitteln realisieren. Ein weiteres Gedankenspiel, beschäftigt sich mit der Frage des Energiehaushalts, der im Rahmen der Studie nicht auf die Lösung der Ladestation setzt, sondern mit der Idee einer austauschbaren Batterieeinheit spielt und eine möglichst hohe Energieeffizienz, bei gleichzeitiger Reduktion des Gewichts und der Abmessung in den Fokus der Überlegung stellt. Ein Gedankenansatz, der der Ladestation im Zuge der technischen Entwicklungen in absehbarer Zeit nicht nur eine sinnvolle, sondern auch realistische Alternative bieten wird.
Doch auch wenn es in der Betrachtung des in die Zukunft gerichteten innovativen Gedankens eines Elektroantriebs paradox scheint, liegt auch der Einsatz eines herkömmlichen Verbrennungsmotors im Bereich des Möglichen. Die Form des Motorblocks und der Getriebeeinheit, die sich im Augenblick als Platzhalter im Rahmen der Studie befinden, entspricht in Form und Abmessung in etwa den geplanten und auf der Basis alter Handwerkstechniken in der Herstellung durchaus möglicher Einheiten. Der Tatsache, dass sich die Zukunft der Mobilität in absehbarer Zeit in aller Deutlichkeit von den fossilen Brennstoffen distanzieren und sich in Richtung alternativer Antriebstechniken, wie zum Beispiel dem Elektromotor entwickeln wird, ist man sich auch bei Wannabe Choppers bewusst. Die Konstruktion, die Produktion und der Einsatz eines Motors auf Basis fossiler Brennstoffe könnte im Rahmen der aktuellen Entwicklung als Akt des Wiederstands gegen den Trend der Zeit verstanden werden.
Tatsächlich wird das Spiel mit dieser antiquert scheinenden Motorisierung vom Wunsch einer tiefen Verbeugung vor der Qualität und der Wertigkeit alten Handwerks getragen und zieht dabei alle Register, die sich auf der Ebene des Handwerks demjenigen bieten, der die Attribute des Alten zu schätzen weiß. Auch wenn sich das Zeitalter der fossilen Brennstoffe mit großen Schritten seinem Ende zuneigt, wird sich immer in irgendeinem Winkel des Globus eine Werkstatt finden, in der ein Handwerker mit dem Bau eines solchen Motors beschäftigt ist, ganz einfach weil er Fähigkeit dazu besitzt.
In einigen Jahren werden diese Attribute auf einer oberflächlichen Betrachtungsebene ohne Zweifel dem Konto des Vergangenen gutgeschrieben. Für Ricky de Haas ein Grund mehr, einen der Kreise zum Ursprungsgedanken des Motorrades zu schließen. Daran zu erinnern was war, der Möglichkeit des Vergessens ein Fahrzeug in den Weg zu stellen und gleichzeitig einen möglichen Weg in die Zukunft zu weisen.