Akashi Sweets
Die Frage nach dem angestrebten Stil und das Zweispurfahrzeug als Quelle der GrundideeNach ein paar Wochen mehr oder weniger klarer Überlegungen, in welche Richtung die Reise gehen soll, warten die von mir bearbeiteten Teile, die ich weiterverwenden will in Kisten verstaut darauf den ihnen zugewiesenen Platz am Projekt einzunehmen. Der Rahmen, vom Lack und allen, mir überflüssig scheinenden Anbauaufnahmen befreit, hat seinen Platz auf der improvisierten Montagebühne eingenommen und mit dem Schritt in die Öffentlichkeit, nehmen nun auch die Fragen nach dem, von mir angestrebten Stil zu, den ich nach wie vor von einer eher philosophischen Seite aus betrachte.
Obwohl es zum gegenwärtigen Zeitpunkt offensichtlich vielen wichtig ist einem Stil zu folgen und diesen auch zu pflegen, scheint mir die ständige Frage nach dem Stil merkwürdig. Meine eigenen Zweiradwurzeln verbinden mich mit einer Zeit, in der ein Motorrad kaum mehr war als ein Motorrad, ein motorisiertes Einspurfahrzeug, gegenüber dem Auto günstiger in der Anschaffung und zur Fortbewegung gedacht. Wenn es zu dieser Zeit überhaupt so etwas wie einen Stil gab, dann wurde dieser vor allem von der Markenzugehörigkeit des jeweiligen Motorrads bestimmt. Die Motorräder der Marke BMW trugen in der Summe ihrer Teile das Herstellermerkmal einer BMW und so verhielt es sich eigentlich mit allen Marken und Motorrädern, die so etwas wie eine Seele besaßen.
Motorräder, die für die Straße gebaut wurden, waren schlicht Straßenmotorräder. Motorräder, die im Gelände bewegt wurden, waren schlicht Geländemotorräder und so weiter. Da kaum jemand auf die Idee kam, ein Straßenmotorrad im Gelände zu bewegen und umgekehrt, gab es auch nur selten das Bemühen einem Motorrad einen Stil zu verleihen, der nicht seiner ihm zugewiesenen Funktion entsprach.
Ein im Grundsatz logisches Denken, das im Laufe der Zeit unter dem Einfluss des Modewortes "Urbanität" grundlegend an Logik verlor. In Zeiten in denen ein Motorrad vor allem den Ansprüchen der Mode zu genügen hat, gerät die ursprüngliche Seele, der ursprüngliche Wesenskern eines Motorrades zur Nebensächlichkeit. Ob ein, optisch auf Geländetauglichkeit getrimmtes Motorrad überhaupt dazu in der Lage wäre unter Geländebedingungen zu bestehen, spielt nach den Regeln der Stil bestimmenden Mode kaum noch eine Rolle. Und so ist auch der typische Chopperfahrer inzwischen längst nicht mehr ein am Rande der Gesellschaft stehende Vertreter einer wie auch immer gearteten Subkultur. Er bewegt seinen Chopper ganz einfach weil er vor allem anderen einen Stil pflegt.
Weil die Mode zwingend neue Stile benötigt, um sich in ihrer ganzen Kraft entfalten zu können, wurde auch das Motorrad als ein scheinbar leicht zu formendes Stilmittel längst von den Machern der Mode okkupiert um es in seinen Stilblüten in alle denkbaren Richtungen zu treiben. Die Akzeptanz gegenüber meines Anfangs geäußerten Vorhabens, mich einfach in Richtung eines, aus sich selbst heraus entwickelnden Projekts treiben zu lassen, mich nicht auf einen bestimmten Stil festlegen zu wollen und ohne ein klares Ziel vor Augen über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus einfach vor mich hin zu schrauben, scheint wenigen sinnvoll und damit kaum nachvollziehbar.
Der Tatsache, dass das Projekt mit dem offiziellen Startschuss in einem Zeitraum von drei Monaten über die Bühne zu bringen ist und spätestens zur Custombike Messe im Dezember als fertiger Aufbau präsentiert werden sollte, scheint dem von mir favorisierten Gedanken der Stillosigkeit deutlich im Wege zu stehen. Wenn ich auf die Grundidee zurückblicke und dabei ehrlich bin, dann habe ich natürlich auch nicht wirklich einfach drauf los geschraubt.
Als bekennender Fan der langgabligen Chopper der 60ger und 70ger Jahre, hätte es mir sehr viel Freude bereitet ein Bike in diesem Stil auf die Räder zu stellen. Doch sind gerade Chopper und die dem Chopper nahe stehenden Bobber im Augenblick extrem angesagt und entsprechend begehrt und so fordern sie in Bezug auf eine in Frage kommende Basis und die damit zwingend verbundenen Stilmittel einiges an Grundkapital.
Bei Einhaltung der finanziellen Obergrenze des Custombike Magazins, die bei 5000 Euro liegt, wäre durchaus einiges in Richtung eines Choppers im Stil der 60ger, 70ger Jahre möglich gewesen. Doch da mir diese Summe selbstverständlich nicht gestellt wird, sondern von mir selber aufzubringen ist, stand sie in dieser Höhe für mich zu keinem Zeitpunkt meiner Planung im Bereich einer ernsthaften Überlegung. Meine persönliche finanzielle Obergrenze lag von Beginn an bei maximal 2000 Euro und damit stand die Idee eines Chopper- oder Bobberaufbaus im Stil der 60ger/70ger Jahre zu keinem Zeitpunkt zur Option.
Betrachte ich die Entwicklung der zum gegenwärtigen Zeitpunkt gepflegten Custombike Kultur, dann sehe ich vor allem anderen, künstlich erzeugte und zu bunten Ballons aufgeblasene Moden und Trends, die von ihren Machern und Betreibern in ihrer, rein auf einen möglichen Profit gerichteten Orientierung überaus geschickt in Richtung eines urbanen Motorradstils gelenkt werden. Wobei eine genaue Definition des Begriffs der Urbanität in der Verbindung zu einer ebenfalls zu definierenden Motorrad Kultur sehr geschickt gemieden wird.
In meiner gedanklichen Interpretation wird ein urbanes Fahrzeug der Gegenwart zum Teilaspekt eines Gesamtpaketes herabgestuft. Ein einzelner Baustein als Teil eines kulturellen Gesamtbauwerks, das die Trendsetter der Mode ihren Kunden als einen urbanen Biker Lifestyle verkaufen und dabei peinlichst darauf achten, dass die Profit orientierte Botschaft eines rein von den Interessen der Modemacher gesteuerten Kleidungs- und weiterführendem Persönlichkeitskodexes ihre Zielgruppe auch erreicht.
Ein Fahrzeug, das sich mit einfachsten und doch keineswegs billigen Mitteln, die aus den gut sortierten Regale der Anbieter selbstredend in großer Zahl abrufbar sind, zu einem stadttauglichen Kurvenkratzer mit hohem Trend- und Modefaktor aufbauen lässt, um eine neu zu generierende Zielgruppe, sprich die Mitglieder einer jungen, dynamischen, finanzkräftigen und möglichst Trend bewussten Generation vom möglichen Lebens- und Lustgewinns eines an die Urbanität der Gegenwart angepassten Motorradgeistes der Vergangenheit zu überzeugen.
Wenn ich dabei die zunehmend reduzierten Aufbauten der zur Zeit angesagten Bikebuilder sehe und dabei die ungeheuren Kosten- beziehungsweise Gewinnspannen ausklammere, da diese in meinem Projekt keine Rolle spielen, würde ich dabei sogar noch einen deutlichen Schritt weiter in Richtung einer zweirädrigen Endzeitstimmung im Sinne eines Mad Max gehen. Da ein, mit einem Verbrennungsmotor betriebenes Motorrad, so wie wir es aus der Vergangenheit kennen, in absehbarer Zeit kaum noch einen gesellschaftlich anerkannten Nutzwert aufweisen wird, steht es für mich in der Position eines effizienten Fortbewegungsmittels längst an einem Wendepunkt seiner ursprünglichen Existenz.
Während vor einem Jahrzehnt noch jeder Gedanke an ein elektrisch betriebenes Motorrad von der gesamten Motorradindustrie milde belächelt wurde, lässt sich heute kaum noch ein Hersteller finden, der nicht mit Hochdruck in Richtung dieser Antriebstechnik plant und forscht. Die immer strenger werdenden Umweltverordnungen fordern auch unter den Verbrennungsmotor betriebenen Zweiradklassikern bereits deutliche Opfer. Selbst Baureihen kultverdächtiger Modelle werden inzwischen von den Herstellern ohne zu zögern eingestellt. Zeitlich überholte Technik, die heute nicht mehr den Normen der immer strenger werdenden Verordnungen entspricht, lässt sich scheinbar auch durch eine aufwändige Modellpflege nicht mehr an die vom Gesetzgeber geforderten Werte anpassen und wird so in den kommenden Jahrzehnten zunehmend aus dem Straßenbild verschwinden.
Der Logik dieser Entwicklung folgend, dürften sich nachrückende Generation immer weniger für die, von den meisten Bikern unserer Zeit noch hochgeschätzte Vibration eines frei atmenden Verbrennungsmotors interessieren und so wird es für diejenigen die bereits in unserer Zeit mit laufruhigen, elektronisch gesteuerten Motoren groß werden, nur noch ein kleiner Schritt in die Welt der Elektrofahrzeuge sein.
Damit dürfte der, auf zwei Rädern ruppig laufende Verbrennungsmotor wohl lange vor dem PKW zum motorisierten Dinosaurier einer längst überholungsbedürftigen Epoche werden und die Endzeitstimmung eines Mad Max zur greifbaren Realität. Soll ich also einen Stil benennen, dann wird die Gestaltung meines Projektes von diesem, Mad Max inspirierten Gedanken gelenkt. Die Basis einer mittelalten Maschine aus einer Zeit, in der wirklich schöne, in allen Einzelheiten durchdachte Motorräder bereits als Klassiker einer vergangenen Zeit galten und das Motorrad bereits als ein aussterbendes Nutzfahrzeug einer unteren Bevölkerungsschicht gesehen wurde, die sich Entwicklungstechnisch in einer Art Vakuum befanden.
In den 80gern für diejenigen gebaut, die immer noch der inspirierenden Kraft motorisierter Zweiräder anhingen. Von der Zweiradindustrie in buntes Plastik gehüllt um sich zumindest äußerlich den Anschein zu geben, mit der Zeit zu gehen, egal wohin dieser Weg Hersteller und Nutzer führen würde.
Text: Gasolin Alley Garage Fotos: Internet.