Simson Spatz "R70" Custombike

03.08.2017
Fotos von Swen Weber und Frank Bick
Text von Patricia Günther-Grasedieck aus der Sicht von Swen Weber
Kontakt:
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Mehr über Swen: Fahrerporträt

Der Plan. Es war einer dieser Sommertage, in dem die Eiskugel bereits vor Eintreffen in der Waffel schmolz. Da lag die Entscheidung, spontan einen Tag am Meer zu verbringen, für mich und drei meiner Kumpel nahe. Jung und draufgängerisch ging es ohne große Vorbereitung mit dem schon etwas in die Jahre gekommenen Corsa A meines Freundes auf in Richtung Den Helder. Bereits während der Fahrt wurden Pläne für den ersten Sprung ins kalte Nordseewasser und die anschließende Einkehr zum Pommes- mit- Frikandel Spezial-Essen in der Strandhütte geschmiedet. Man konnte das Meer förmlich schon riechen, denn wir befanden uns auf der idyllischen Landstraße raus zu den schönen Strandorten. Kaum hatte der Letzte seine Liste von To-Dos vor Ort gedanklich abgehakt, wurden die Urlaubsträume durch einen großen Knall und einer üppigen weißen Wolke, welche sich durch Motorhaube und Cockpit drängte, durchkreuzt. Gerade noch voller Euphorie blickten wir nun unseren Urlaubschauffeur ebenso ungläubig wie verdutzt an. Dieser machte keinen Hehl daraus, dass auch ihn das aktuelle Ereignis entsetzte und erreichte mit sichtlicher Mühe noch den rettenden Grünstreifen. Kaum zum Stehen gekommen, sprangen wir wie vom Blitz getroffen aus dem Auto, welches immer noch qualmend und alles andere als vertrauenswürdig aussah. Völlig durch den Wind, bemerkten wir zunächst nicht einmal die meterlange Ölspur, die der Opelaner hinter sich gelassen hatte. Dagegen nicht zu übersehen war die Tatsache, dass eine Weiterfahrt unmöglich war.

Me(e)hr geht nicht. Die Wunden, der dahinschwindenden Pläne leckend, dauerte es nicht lange, bis ein freundlicher Holländer, der mit dem Rad unterwegs war, seine Hilfe anbot. Völlig unkompliziert bat er uns einige Minuten auf ihn zu warten, damit er seinen Traktor für eine Schleppaktion auf den Hof seines Nachbarn, der zufälligerweise dem KFZ-Handwerk nachging, holen konnte. Für jede Hilfe dankbar, stimmten wir gerne zu und setzten uns wartend an den Rand des angrenzenden Feldes. Schnell realisierten wir, dass wir das Meer wohl an diesem Wochenende nicht mehr sehen würden. Tatsächlich dauert es nicht lange, da hörte man einen Bulldog, beladen mit Besen, Schaufel und Sägemehl für die Ölspurbeseitigung, auf die sein Fahrer mahnend zeigte, heraneilen. Sichtlich mitgenommen erreichten wir nach Beseitigung der öligen Hinterlassenschaften endlich den rettenden Hof des beschriebenen Nachbarn. Das es sich bei diesem Herr um einen begeisterten Mechaniker handelte, konnte niemandem entgehen. Sein Hof war gesäumt von alten verrosteten und teilweise ausgeschlachteten Autokarossen und Zweirädern, die sowohl als Blumentopf- Ständer wie auch als Niststätte für Wald und Flurtieren dienten. Unsere Ankunft blieb nicht unbemerkt und so lernten wir den Mann, der dieses wunderbare OPEN-AIR Museum sein Eigen nennen durfte, kennen. Ein kleiner bauchiger, freundlich winkender Mann begrüßte uns herzlich und warf sofort einen kritischen Blick unter die Motorhaube des Corsa, welcher immer noch stinkend hinter dem Traktor hang. Es bestätigte sich, dass das Abenteuer „Meer sehen“, ein jähes Ende gefunden hatte. Joop, so hieß unser „Rettungs- Schrauber“, erkannte gleich, dass es sich um einen Durchschlag des Kolbens durch die Ölwanne handelte. Unmöglich innerhalb weniger Stunden zu reparieren. Nachdem wir die ersten Telefonate in die Heimat absetzen und den Rücktransport in die Heimat organisieren konnten, boten Joop und seine Frau Mareike uns den Heuboden ihrer Scheune als Übernachtungsmöglichkeit an. Angesichts der vorangeschrittenen Uhrzeit und mangels Unterkunft nahmen wir auch dieses Angebot gerne an.

„Auf‘s Örtchen“ mit Folgen. Versorgt mit Decken, Kissen und Taschenlampen bezogen wir, völlig „erschossen“ von den Strapazen, nichtahnend unser Heuhotel. Obwohl ich total erledigt war, konnte ich nicht schlafen und suchte noch einmal das kleine Toilettenhäuschen, welche sich direkt unter dem Heuboden befinden sollte. Mit Taschenlampe bewaffnet, hangelte ich mich durch meterhohe Heuberge, welche den Weg zum Örtchen erschwerten. Bei einem großen Schritt über den letzten Ballen, bleib ich mit dem Hosenbein hängen und plumpste, lautstark über dieses Missgeschick schimpfend, in eine versteckte Nische innerhalb des Heudepots. Nachdem ich panisch nach der Taschenlampe suchend den Kopf aus dem Heu streckte, sah ich es. Das runtergekommenste und von Spinnweben umhüllte Moped, welches ich bis dato je gesehen hatte. Ich krabbelte gerade noch über letzte Heuhindernisse, da stand bereits Joop hinter mir, der von meinem nicht gerade lautlosen Missgeschick aus dem Schlaf gerissen wurde. Als klar war, dass ich unversehrt war, lachten wir beide und beschlossen angesichts meines Fundes und meiner zahlreichen Fragen noch einen gemeinsamen Schlaftrunk zu uns zu nehmen. Hellwach und voller Tatendrang wollte ich von Joop unbedingt wissen, um welches Fabrikat es sich bei dem rostigen Schätzchen handelte.

N(O)stalgie im Heu. Er erzählte, dass er das Moped von einem Ostdeutschen Nordseeurlauber kurz nach der Wende bekommen hatte. Dieser reiste damals mit seinem Trabbi und einem Gespann quer durch die Niederlande. Ebenfalls von eine Panne eingeholt, strandete der Urlauber bei ihm in seiner damaligen Werkstatt. Er bat ihm das Moped, welches er als Spatz aus der Vogelserie des Herstellers SIMSON der in Suhl in der DDR produzierte, spezifizierte, im Tausch gegen die Reparatur und eine Überholung des Trabbis an. Nach kurzer Überlegung machten die Männer das Geschäft und Joop war seit dem stolzer Besitzer eines Ost- Mopeds. Er hatte sich neben weiteren Kraftfahrzeuge immer vorgenommen es mal wieder schön herzurichten, hat aber mangels Zeit niemals damit angefangen. Kaum noch klar denkend, signalisierte ich sofort, dass ich unmöglich ohne dieses Moped nach Hause fahren könnte. Da ich selber aus der DDR stamme und der Spatz schließlich mich gefunden hätte und nicht ich ihn. Nach mehreren Ausschmückungen meiner Argumentation für eine Überlassung des Gefährts und zahlreichen Anläufen herauszufinden wie hoch der Preis für das Objekt meiner Begierde sei, verabschiedete sich der schmunzelnde Joop Richtung Wohnhaus und wünschte mir noch etwas Schlaf. Weit gefehlt, ich machte natürlich kein Auge mehr zu! Gefühlte 10 Minuten später, wurde ich durch das rege Treiben auf dem Hof von Mareike und Joop geweckt. Der Vater meines Kumpels war eingetroffen und man versuchte bereits den sichtlich mitgenommenen Corsa auf den Trailer zu bugsieren. Als es an das Verschnüren des Auto ging, erreichte ich nach einer kurzen Katzenwäsche und einem Verabschiedungsbesuch bei meinem Fundmoped, ebenfalls noch schlaftrunken den Vorhof. Während Joop mit dem Vater noch die Formalitäten klärte, bot mir Mareike blinzelnd ein Glas Milch und ein Marmeladenbrot, welches sie bereits für alle Heugäste vorbereitet hatte, an. Noch kauend forderte Joop die Jungs und mich auf, ihm vor der nahenden Abreise bei einem Gefallen behilflich zu sein. Für uns selbstverständlich, folgten wir ihm hinter die Scheune, wo wir einen vernagelten Eingang für ihn öffnen sollten. Er müsse hinter dem Verschlag ein Vogelnest entfernen, da es bereits verlassen sei und er keine weiteren Besucher im Heu bräuchte.

Das Versprechen. Kaum waren die dicken Eisennägel entfernt, fiel die Tür bereits aus den Angeln. Dahinter der Spatz, der im Licht, der eindringenden Sonnenstrahlen, dem herrschaftlichen Ausbreiten der Flügel eines Adler gleich kam. Ich rieb mir immer noch müde, aber auch überwältigt von dem Anblick die Augen und konnte kaum an mich halten, die Scheune zu stürmen. Meine Freunde konnten diese Begeisterung nicht wirklich teilen und machten sich in Richtung Auto auf. Ich war wie angewurzelt ! Völlig weggetreten, stand ich mit Joop da und dann sagte er es: „Wenn du das Moped wirklich willst, dann soll es deins sein! Aber, du musst mir versprechen, dass du es mit Herz und Leidenschaft wieder zum Leben erweckst!“ Er hatte Mareike von unserem Aufeinandertreffen in der Nacht und meiner unermüdlichen Überredungskunst bis in die frühen Morgenstunden erzählt. Beide waren sich danach einig, dass es sicherlich keinen besseren Moment und keinen passenderen Neubesitzer für diese Moped geben könne und die Verrottung dieses Stückes Geschichte eine Schande wäre. Es war mit Abstand der großartigste Moment in meinem Leben, als ich den rostigen, kaum noch rollenden Spatz auf den Trailer schieben durfte. Mit einem kreisrunden Lächeln und um ein paar Hundert Euros leichter, verabschiedete ich mich dankbar umarmend von Mareike und Joop und gelobte das Versprechen einzuhalten. Außerdem kündigte ich ein Wiedersehen bzw. eine Rückkehr mit dem Spatz in neuen Glanz an!

Der Anfang und die Arbeit


Das Ergebnis. Nun ist der Spatz nach 400 Arbeitsstunden und einem Budget von ca. 5.000 Euro endlich fertiggestellt. Das Versprechen mit Herz und Leidenschaft ans Werk zu gehen hat den Spatz in ein etwas anderes Kleid schlüpfen lassen, aber die Seele des Ostmopeds ist unverändert geblieben. Ich freue mich schon jetzt auf die idyllische Überlandfahrt und das Wiedersehen mit Mareike und Joop. Die Fahrt in die schönen Niederlande wird sicher anstrengend bei diesen Geschwindigkeiten, aber Mareike wird auch dann sicher wieder mit Ihrer leckeren Marmelade für neue Kräfte sorgen.


Die Fakten

SW-CUSTOMS: SIMSON SPATZ R70

Tuning:

-Edelstahl Felgen mit gecleanter Nabe 1,6x16 / 1,85x16 Hochglanz poliert
-Weißwandreifen Mitas 1,85x16 mit Felgen/Reifen Gutachten
-Ventilkappen Krone mit Perle umlackiert
-Hintere Tuning Stossdämpfer 2cx-6 mit Rosetten 280mm verstellbar
-Federn vorne von Mz250 gekürzt & Gummi gedämpft
-Lampen Umbau vorne auf 12Volt H4 Klarglas Scheinwerfen mit Lampenschirm
-Lampe hinten Totenkopf mit Bremslicht 12Volt mit Krone & Swarovski Steine
-Tuning Kette 420 Weiß eloxiert
-Tuning Krümmer 32mm Edelstahl mit Kalotten Befestigung
-Ritzel vorne 15Z hinten 34 Zähne
-Versenkbarer Tankdecke Alu poliert mit Swarovski Steinen
-Tachometer von MMB 48mm mit Ziffernblatt Anfertigung
-Benzinhahn 63 Harley D. mit Chrom Filter & Halterung Anfertigung
-Tuning Kickstarter drehbar & klappbaren Ganghebel Alu poliert
-Custom Tuning Fussrasten Chrom mit Edelstahl Halterohr
-Fußbremshebel verchromt
-Start-Stop Schalter LED 12V Blau im Simson Emblem
-Innenzug Armaturen Bremse/Kupplung 40iger Jahre Alu poliert
-Zündung Vape 12Volt mit LED Anzeige & Gel Batterie
-Edelstahlschläuche für Bowdenzug & Benzinschlauch
-Simson SR1 Fender Emblem vorn
-Zierschrauben / Hutmuttern Edelstahl
-Achsschrauben Abdeckung Alu gefräst
-KTM Kettenschleifer

Umbau:
-Verstärkter und nach unten verlängerter Hauptrahmen
-Alle Schweissnähte Gecleant
-Lenkeranschlagumbau
-CNC Alu Seitenständer Umbau von links auf rechts
-Motor Kr51/1 mit Sperber Zylinder & Kopf auf 63ccm aufgebohrt & angepasst
-Vergaser Amal 16mm auf 17mm gebohrt & mit 75HD und Handshock Anfertigung
-T-Luftfilter Mit Tuningpatrone,Chromrosetten und Lederüberzug
-Limadeckel mit Sichtfenster und Swarovski steinen poliert
-Kettenführungskasten verlängert & lackiert
-Auspuffgitter & Unterboden Blende Enduro
-Nabendeckel vorn gelocht mit Zierschrauben und Ledereinlage
-Bremsdeckel vorn gelocht mit Lufteinlässe
-Lampenmaske und Halterung gestützt & gekürzt
-Schutzblech vorn über die Schwinge gelegt und verstärkt
-Vordergabel um 4cm gekürzt
-Schutzblech hinten gecleant,verlängert & mit Rahmen verschweißt
-Tank mit Versenkbaren Tankdeckel,Tacho Schacht & größeren Benzinstutzen
-Tankunterbau verkleidung
-Lange Schwalbe Schwinge hinten verstärkt & Spatz Dämpfer Aufnahme
-Brems und Kettendeckel hinten gelocht, geledert und poliert
-Lackierung Pastel Blau mit Elfenbein
-Pinstripe Streifen & Schriftzüge
-Bremsgestänge Hebel vorne Edelstahl
-Nummernschildhalterung & Federbein Verstärkung Alu gelocht & poliert
-Motorhalterung Verblendung Alu poliert
-Lenker Breit mit Innenzug Gasgriff
-Lenkerverkleidung Alu poliert
-Sitzbank mit Leder,Stick,Zierleiste,Simson Emblem
-Sitzbank Schiebesystem und Befestigung
-Tuning Auspuff 32mm mit Schwalbenschwanz Optik
-Auspuffhalterung Alu poliert
-Schutzblech Halterung vorne Alu gelocht & poliert
-Lenkerschalter Auf /Abblendlicht
-Kabelbaumanfertigung
-und und und......

Daten:
-Simson Spatz 4/1
-Bj 1970
-3 Gang Fussschaltung
-80 Kmh
-ca.6,5 PS
-12Volt
-Umbauzeit ca. 400 Stunden
-Umbaukosten ca. 5000€
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