Faszination Mofarennen

Wenn wir ins Alter kommen, fesseln uns vor allem die Tätigkeiten und Objekte, welche in unserer Jugendzeit Status, Freude und Abenteuer vermittelten. Bei den Männern der Arbeiterklasse waren das vor allem die bezahlbaren Fahrzeuge. Mit 15 ein Mofa zu besitzen, erhöhte nicht nur den Aktionsradius, sondern verbesserte das Ansehen in der Gruppe der Gleichaltrigen enorm. Und auch das schöne Geschlecht war gelegentlich leichter zu beeindrucken. Daher ist es kaum verwunderlich, das Mofas derzeit durch die Gruppe der etwa Fünfzigjährigen eine Wiederbelebung erhalten.

Den Mythos Mofa auf längeren Strecken zu bewegen, kommt für viele der Herren aus Zeitgründen und körperlichen Unzulänglichkeiten nicht in Frage. Dem Alter entsprechend verfügt man aber über ausreichend technische Kompetenz, eine Garage und Werkzeug. Damit die ganze Mühe der Öffentlichkeit nicht vollends entzogen in der Werkstatt versauert, bleibt die Möglichkeit sich dem harten Wettkampf zu stellen, dem Mofarennen.

Am Samstag gab es wieder so ein Rennen. 600 Meter, die für den öffentlichen Verkehr eigentlich gesperrt sind, mussten von den Rennfahrern einmal hin und zurück in kürzester Zeit bewältigt werden. Geplant wurde alles vorab akribisch über eine Whatsapp Gruppe. Am Morgen des Rennens wurden schnell noch einmal 400 Posts ausgetauscht. Und siehe da, jetzt hatten wenigstens alle vollends den Überblick verloren. Dennoch trudelten 6 der ursprünglich 8 gemeldeten Fahrer mehr oder weniger pünktlich am Startpunkt ein. Da es eine halbillegale Veranstaltung war, wurden nur Personen informiert, die beharrlich schweigen können. Lediglich jeder dritte Moerser, Orsoyer und Rheinberger Bürger hatte von dem Spektakel gehört.

Die ersten Schaulustigen parkten bereits ihre Personenkraftwagen oder Akku-Fahrräder am Wegesrand, als in der flimmernden Hitze des Feldes das laute Summen eines großen Insekts wie aus dem Nichts auftauchte. Bei genauerem hinhören, entpuppte sich das Geräusch als ein hochtourig laufender, kleiner Zweitaktmotor. Als er an der wartenden Gruppe laut und schnell vorüberzog, duftete es verdächtig nach Modellsportflugzeugen. Sofort wurde der Allgemeinheit klar, hier wird mit allen Mitteln um die begehrten Siegestrophäen gekämpft. Es konnte spannend werden. Nach und nach füllte sich der Ort des Geschehens mit Menschen. Während die 6 Rennfahrer die Modalitäten in geheimer Runde besprachen, vergnügte sich der Rest mit kalten Getränken und Benzingesprächen.

Die Bandbreite der Rennmaschinen variierte von stark umgebaut bis zu 80er im Originalkleid. Am schnellsten wirkte eine orangene Puch. Der offene K&N Luftfilter, der verstärkte Rahmen, handgedengelte Bleche. Hier verstand jemand sein Handwerk. Die schwarze Puch Maxi glänzte vor allem durch einen großvolumigen Auspuff und ein gefälliges verchromtes Heck. Eine Hercules Prima tropfte schon fleißig wie in den achtziger Jahren. Damals war es nur allen vollkommen (l)egal. In jenen Tagen fand Mann auch Fuchsschwänze cool. Dank des mit Lachen angesogenen Gases konnte es jedoch ein spannender Auftritt werden. Richtig gestählt kam auch die italienische Vespa Ciao an den Start. Neben dem Renntacho und dem verstärkten Rahmen überzeugten vor allem die sportlichen Aufkleber. Das gelbe Ding sah dadurch extrem professionell aus. Der Fahrer der grünen Mobylette hatte wohl die meisten Nerven und baute darauf, dass die hochgezüchteten Fahrzeuge auf der Strecke versagen. Er ließ alles in originalem Zustand und zeigte kein Quäntchen Nervosität. Denn die größte Schmach wäre es nicht nur als lahmster Fahrer in die Analen der Geschichte einzugehen. Es gab nämlich die Verpflichtung für den gemütlichsten Fahrzeuglenker, nach Abschluss des Rennens eine Dose stinkenden Fisches zu verzehren.

Gestartet wurde von der Linie mit laufendem Motor. Einmal hin und zurück. Das ganze Rennen war spannend und unterhaltend für alle Beteiligten. Einige Touristen auf Fahrrädern nutzen die Abwechslung und schlossen sich als Zuschauer an. Das eigentliche Renngeschehen dauerte keine 8 Minuten. Allen Beteiligten aber kam es dank der vielen Unterbrechungen dennoch wie ein Formel1 Rennen vor. Nur das es ordentliches Hansa-Pils in Dosen anstatt dieser Schaumweinplörre gab. Die Gesichter der Fahrer waren angespannt, die Konzentration auf jedem Foto spürbar. Die in die Jahre gekommenen Körper wurden zu Präzisionswerkzeugen. Geduckte Haltung, angewinkelte Beine und wegrasierte Scham- und Ohrmuschelbehaarung sollten die Aerodynamik erhöhen. Sogar ein Feuerschutzanzug aus chinesischer Billigseide kam zum Einsatz. Das Grubenhemd eines der Sieger entlockte manchem Zuschauer ein Tränchen der Erinnerung. Bei der Siegerehrung ging es feuchtfröhlich zu. Es gab mehr Pokale als Fahrzeuge und alle konnten den Tag unter erfolgreich verbuchen. Der Mann mit der Mobylette bewies Nervenstärke und aß, cool wie er auch auf dem Zweirad saß, ohne Anzeichen von Schwäche den stinkenden Fisch. Dadurch das auch die Optik der Fahrzeuge und der Fahrerkleidung mit Pokalen gesegnet wurden, standen so gut wie alle Fahrer auf dem fehlenden Siegertreppchen.

Wir raten allen Lesern des Artikels von der Nachahmung ab. Es gehören ein paar Jahre Bergbau und Frührente dazu, ein derart schwieriges und kräfteraubendes Rennen, ohne Verletzungen auszutragen.

Bis zum nächsten Jahr, an einem wieder völlig geheimen Ort, irgendwo am Niederrhein.

Wer sich für weitere Geschichten zu Mofas und Motorrad interessiert, dem empfehle ich eigennützig mein Buch: Motorradleben. Vom Mofa bis zur Midlife Crisis. Momentan nur digital erhältlich.