Auf dem Weg

Frank Hoppe, Natur- und Landschaftsführer.
Nachdem ich vom 01.Mai bis zum 22. September 2016 von Wuppertal, nach Santiago de Compostela und darüber hinaus gelaufen bin, bearbeite ich nachfolgenden, geblogten Reisebericht um ihn in Buchform zu bringen. Darüber hinaus werde ich diese Plattform nutzen, um weiterhin über meine Freizeitaktivitäten in der Natur zu berichten und wissenswertes weiterzugeben. Schaut hin und wieder mal rein, oder gebt der Facebook-Seite "Wandern-in-und-um-Wuppertal" ein Gefällt mir. Dann bekommt Ihr automatisch Bescheid, wenn es etwas Neues gibt!

10.06.16 Von Clairvaux nach Étourvy über Essoyes und Les Riceys

08. Juni

Nein das Paket ist nicht angekommen, ich habe mich mit Dirk von Walkabout kurzgeschlossen, ich gehe! Zumal
die gucken mich hier schon ganz komisch an, die Eingeborenen. Das Hotel ist auch sowas wie der Salon des Dorfes. Und jetzt sitzt der Fremde hier schon den dritten Tag. Und mehr als einen Abend sitzt man hier nur, wenn man wenigstens eine Wiese zu mähen und zwei bis drei Bäume zu fällen hat. Entweder hat er nicht mehr alle Steine in der Mauer, oder...
Gefangenenbefreiung!!! Er sitzt hier und wartet auf seine Kumpels, die irgendwann mit dem nächsten Zug kommen, der von der Ostküste hier eintrifft. Und dann... Krawall.
Und wenn ich dann weitergegangen bin, blicken Sie sich verstohlen um und einer fragt dann die Bedienung: Wo ist der, der hier die letzten Tage rum saß? Und sie wird sagen: Abgereist! Abgereist? Aha...! Viel sagend und alles wissend werden sie sich dann ansehen, vor sich hin nicken um sich dann wieder auf ihren Wein zu konzentrieren. Bis irgendwann der nächste Fremde länger als einen Abend hier, in ihrem Dorf verweilt.
Vielleicht wird die Bedienung noch darauf hinweisen, dass er, der Fremde auf ein Paket gewartet hat. Und einer der Eingeborenen nickt wissend und sagt: Besser ist Postlagernd...

Nun genug davon. Es nieselte als ich losgegangen bin. Also Regenhose und Plastiktüte. Neun Kilometer später in Chapignol lez Mondeville, hat es dann aufgehört. Und als ich sechs Kilometer später meine Ferse abkleben wollte, konnte ich mich auch der Regenhose entledigen. Es war richtig warm, leider ging es wieder die ganze Zeit auf der Straße lang. Cirka einen Kilometer vor Saint Usage fing es an zu grummeln in den Wolken, schwarze Wolken und der erste und der zweite Tropfen trafen meine Arme, dicke Tropfen. Nee! Sag ich. Vater bitte, nicht schon wieder! 10 Regen in Saint UsageMinuten, bitte, danke! Kein einziger Tropfen mehr... Eine ganz tolles Bushaltestellen-Häuschen mit Bank. Es kam nieder wie das jüngste Gericht. Ich war so froh im Trockenen zu sein, dass ich übermütig wurde und bleh,bleh,bleh zum Regen machte. Das letzte Bleh war noch nicht ausgesprochen da blitze es und noch in der gleichen Sekunde krachte es keine 100 m neben mir. Ich hüllte mich in Demut und machte mir einen Tee auf dem Spirituskocher und aß etwas Baguette vom Morgen. Als das Gewitter vorbei war, packte ich zum Glück langsam genug ein, denn es kam noch ein zweites hinterher.
So geschah es, dass ich tatsächlich trocken in Essoyes ankam.
Über das Plateau de Blu, nein nicht Blue sonder Blu ging es auf Schotterwegen mit herrlicher Fernsicht bis Essoyes. Hier in Essoyes hat Renoir mit Frau und zwei Kindern gelebt und gearbeitet. Schutzhütte in de Champagne Auf dem Plateau war neben einer Schautafel, auf der zu sehen ist, was Die Enkel von Renoirman alles sehen kann, wenn denn das Wetter stimmt, auch ein ursprüngliches Wetterhaus der Weinarbeiter zu sehen .
Klopfet an und so wird euch aufgetan.... Da es schon spät war, bin ich auf den letzten Drücker, erstmalig zu einer Touristeninformation gegangen und habe nach eine Unterkunft gefragt. Und jetzt sitze ich hier im katholischen Gemeindehaus und habe eine kostenlose Übernachtung. Tja.... Trau dich...!
Wahrscheinlich um etwas Esprit des großen Meisters mitzubekommen, haben sich etliche Künstler in Essoyes niedergelassenen. Ich habe den Eindruck, dass sie am Erfolgreichsten sind, die ganz offiziell Kopien des Meisters anbieten.

09. Juni

Schreibblockade, ich hab Hunger. Frustriert. Ein tolles Zimmer im Preisrahmen, auf einem Champagner-Gut bekommen. Richtig nett. Die Vermieterin macht von Montag bis Donnerstag Essen aber nur Menü. Also habe ich das abgesagt, bin in den Ort um einen Kaffee zu trinken und mich nach etwas zu essen zu orientieren. Nix, außer dem 3-Sternehotel in dessen Bar ich gerade sitze und das 3 verschiedene Menüs anbietet, beginnend bei 65,00. Also frage ich gleich meine Vermieterin, ob sie mir auch einen Salat und etwas Gemüse machen kann. Ansonsten hab ich noch ein Stück Baguette und etwas Käse.
Die Vermieterin macht nur mittags offiziell Essen, wahrscheinlich für die Champagner Kunden ihres Mannes. Mir hätte sie wohl eine Kleinigkeit gemacht, aber jetzt ist sie weg. 10 cm Baguette und ein Stückchen Emmentaler. Dazu ein Roiboshtee-Vanille der hier zur Verfügung stand. Heute ist mein alkoholfreier Tag.

10. Juni

Die Vermieterin hat entweder nach Feng-Shui einrichten lassen, oder hat selbst einen Kurs besucht, es ist alles sehr harmonisch und stilvoll eingerichtet. Auch das Lokal, das ich heute früh beim Frühstück kennenlernen durfte, beweist viel Geschmack.
Nach dem Frühstück, wollte der Mann kassieren, bar, hier, wo sogar in der Bäckerei mit Karte gezahlt wird. Wahrscheinlich ist die Pension, so ein kleiner Nebenverdienst. Tja, so habe ich etwa 2 km gespart, weil der Mann mit mir zum Geldautomaten gefahren ist.

Als erstes habe ich mir eine Apotheke gesucht um vernünftiges Blasenpflaster zu kaufen. Ja ich weiß, das Holz klopfen hat auch nix genutzt. Danach habe ich gedacht, dass es bei dem Wetter vielleicht auch in Wandersandalen geht, zur Schonung der Ferse. Ich muss dazu sagen, dass das Futter der neuen Wolfsin-Wanderschuhe gerissen ist und dort die Blase verursachte. Das mit den Sandalen ging eigentlich ganz gut, uneigentliche habe ich die schweren Stiefel an den Rucksack packen müssen und da ich noch neben der Apotheke stand... Also mit dem frischen 1,5l Wasser, das absolut notwendig war, wog der Rucksack 19 kg und das ist zuviel. Soviel, dass ich heute erstmalig über einen gut Grund nachdachte das ganze abzubrechen. 400 Höhenmeter und der einzige Trost: Wenn ich hier fertig bin, hat nur noch ein Tour de France Fahrer einen knackigeren Hintern und strammere Oberschenkel als ich.
Ich habe heute sogar meine Hosenbein abgezippt. Irgendwann lässt man alle Hemmungen fahren. Noch nie bin ich außerhalb eines Strandes oder Freibades in kurzer Hose rumgelaufen.
Nach ca. Zehn Kilometer, zwölf waren noch zu laufen, ging es über eine Landstraße weiter. Ich entschied zu trampen. Auch schon seit 30 Jahren nicht mehr gemacht. Aber .... Ich bin geschlagene sieben Kilometer gelaufen, ohne dass überhaupt ein Auto gekommen wäre. Ich hatte noch knapp fünf, da kam das erste Auto an mir vorbei. Und das hielt auch sofort. Upps... Alter Renault Kasten, im Heck tobte ein ausgewachsener Dobermann, der Beifahrersitz war voll... Ääh, okay gerne, Schluck. Der Fahrer stieg aus, machte den Beifahrersitz frei, ich stieg mit dem Rucksack auf dem Schoß ein.
Geht es? Den Rucksack nicht doch besser nach hinter? Damit dein Hund ihn zerfetzt? Oh no, c'est trés bien! Ich benutze ihn als Airbag. Oh mein Gott! Ich wüßte nicht, wie er einem entgegen kommenden Fahrzeug ausweichen wollte, bei dieser Geschwindigkeit, aber vielleicht weiß er ja auch, dass hier nur alle zwei Stunden jemand herfährt. Und vielleicht weiß auch jeder im Dorf, dass er gerade unterwegs ist. Inschallah! Ich habe es aber noch geschafft im zu erklären, wo ich herkomme und wo ich hin will. Überhaupt und heute. Das heute habe ich Vollidiot ihm in meinem Pilgerführer gezeigt. Es war wohl meiner verkrampften Haltung zu verdanken, dass er so eben rechtzeitig wieder nach vorne sah.
Der Pilgerführer sprach von zwei Herbergen und ich beschloss es dem Zufall zu überlassen. Da wusste ich noch nichts von meinem Tramper Glück. Er fuhr mich direkt auf den Hof, von einer der beiden. Und damit war das geklärt. Alles weitere, wenn ich das nächste Mal WLAN habe.

Eins doch noch, im Grunde bin ich erst Vorgestern in das eigentliche Champagner Gebiet Champagne vorgedrungen. Das heißt, erst ab Chapignol lez Mondeville darf ein Champagner Champagner heißen. Heute habe ich das Gebiet wieder verlassen, leider ohne einen Champagner getrunken zu haben. Grundsätzlich halte ich es mit meiner Schwester Susanne. Wobei ich nicht unbedingt Bier bevorzugen, aber doch lieber einen Wein als Champagner trinken würde. Nur, wenn ich schon einmal hier bin, allerdings hat keine das teure Zeug offen im Kühlschrank und selbst eine halbe, 0,375 l große Flasche ist mir zu viel gewesen. Den Chablis in dessen Gebiet ich übermorgen einfallen werde, werde ich in jedem Fall probieren, natürlich auch ein Glas Grand Cru.

07.06.16 Letzter Tag Clairvaux

07. Juni Clairvaux wo sonst?

Die Weinberge der Champagne müssen noch warten und Ihr mit mir auf das Paket. Heute morgen war eine andere Frühstücksbedienung im Haus, und die meinte ich solle doch mal gegenüber bei der Post fragen, wann der Postwagen heute kommt. Ich also rüber zur Post, die Dame dort sprach soviel Englisch wie ich Französisch, sodass wir ganz gut zurecht kamen. Der Wagen fährt, da, da, da und ist gegen 10.00 h cirka, am Hotel. Ob ich eine Einlieferungsnummer hätte. Leider nicht! Und ich solle doch in Zukunft die Pakete Postlagernd anfordern, das ist immer besser... Nur der Tatsache geschuldet, dass ich nicht genau weiß ob ich sie richtig verstanden habe, verdankt sie ihr Leben.

Eine kleine im Allgemeinen, für die entsprechenden Wanderer bedeutnde Besonderheit gibt es schon noch hier in Clairvaux. Es kreuzen sich zwei bedeutende Pilgerwege. Der Jakobsweg nach Santiago de Compostela, trifft hier auf die Via Francigena, dem Frankenweg von Canterbury nach Rom.
Heute im Frühstücksraum traf ich auf einen Engländer, der diesen Weg seit 8 Wochen läuft. Ich sah in gestern bereits auf der Terrasse in Badelatschen, mit komplett verpflasterten Füßen. Da bin ich froh, dass mir das Blasenthema erspart geblieben ist. Dieses Mal vergesse ich aber nicht das Holz zu beklopfen.
Ein Freund Isaac Newtons soll sich beim Betreten dessen Hauses über das Hufeisen, über der Türe gewundert und diesen darauf angesprochen haben: Ich wußte nicht, dass du abergläubisch bist. Antwortet Newton: Bin ich auch nicht, es soll aber auch helfen, wenn man nicht dran glaubt.

Soo jetzt lasse ich mal den Optimismus raus, was Hotelkosten und fehlendes Paket angeht, wahrscheinlich ärgere ich mich auch deshal so sehr, weil ich mit ordentlicher Ausrüstung hätte Wanderschuhe losgehen müssen und nicht mit so einem, so einem Tchibo-Poncho. Jetzt ist es raus.
So habe ich jetzt die Zeit gefunden mich mit Wofsskin auseinanderzusetzen, wegen ihrer angeblich wasserdichten Schuhe, deren Futter sich nach 5 Wochen ebenfalls anfängt, im Fersenbereich aufzulösen. Und mal richtig durch trocknen können sie hier auch. Es hängt immer noch Feuchtigkeit drin von vor acht Tagen.

Morgen geht es in jedem Fall weiter. Dann sehen wir die Weinberge der Champagne, also ich sehe die Weinberge und Ihr das Foto und wenn alles klappt bin ich am Sonntag in Chablis.

06.06.16 Colombey-les-deux-Églises/Clairvaux

06. Juni

Das Dorf Colombey-les-deux-Églises lebt deutlich bzw. ausschließlich vom Ruhm seines ehemaligen Bewohners de Gaulle. Es hat mehr Hotels als z.B. Joinville und das ist schon eine größere Kleinstadt. Die Hotels sind am Wochenende ausgebucht und ich hatte Glück noch ein Zimmer zu bekommen. Der Rezeptionist fragt ob ich denn heute Abend auch hier Essen möchte. Ich verneinte, bin ja nicht wahnsinnig. Gegen sieben machte mich auf den Weg. Die Parkplätze vor den Hotels waren voll, ich sah das Schild eines Bistros, dass wie sich herausstellte abends geschlossen hat. Ich ging weiter durch die leeren Straßen und fand noch das Petit Restaurant geschlossen vor. Meine Vorstellung von einem preiswerten Abendessen schwanden. Wobei, es war schon sehr vernünftig die Bistros abends zu schließen, denn außer mir war definitiv niemand auf der Straße. Letztendlich blieben die Restaurants der drei großen Hotels. Zwei boten ausschließlich Menüs an, also zog es mich reumütig in mein Hotel zurück.
Kleiner Salat, Lotte auf Gemüse etwas Wein und Wasser... frag nicht. Und es war richtig gut. Der Wermutstropfen waren die zwei älteren Ehepaare aus dem zentralem Schwabenländle, die mit der Kellnerin zwar hervorragendes französisch sprachen, aber wenn die miteinander sprachen... Wäre der Seeteufel nicht filitiert gewesen, er hätte die Flucht ergriffen. Was dem Italiener die Antipasti, Primi Piatti und Secundo Piatto sind, ist dem Franzosen das Dessert. Und ich werde regelmäßig völlig desorientiert angesehen, wenn ich es rigeros ablehne. Da sind mir Primi und Secundo deutlich lieber. Allerdings wollte ich schon immer mal einen wirklich guten Calvados probieren undCalvados wenn nicht in Frankreich wo dann? Also machte ich der Bedienung die Freude und bestellte einen Calvados, den sie mir ausgesprochen kunstvoll in einen Schwenker goss, was mir auch gewisse Sorgen bereitete.
Wie Öl hinterließ die Flüssigkeit ihre Spuren auf dem Glas. Und jemand mit mehr Ahnung, hätte noch die Apfelsorte rausgerochen. Auf der Zunge und auf dem Gaumen noch Apfelgeschmack, entwickelte sich das wärmende aber nicht brennende Feuer erst in der Kehle und wandert angenehm durch den Körper und hinterlässt eine Vorfreude auf den nächsten kleinen Schluck.
Lange Rede kurzer.... ich hab mal ein Foto gemacht und wenn mir jemand im nächsten Leben mal eine Freude machen will...
Am nächsten Tag, sprich gestern, am Sonntag auf dem Weg nach Clairvaux kam mir auf der Landstraße ein weißer Kastenwagen entgegen. Ein hupen, ein gegenseitiges Winken, der Verkaufsfahrer vom Vortag. Eine kurze und nette Begegnung.
Clairvaux habe ich nicht nur trocken erreicht es kam sogar die Sonne gelegentlich durch. Aus dem Jakobspilger Frank HoppeGrunde ein Superselfie mit zusammen gekniffenen Sonnenstrahl Augen.
Es sind wärmere Gefilde erreicht. Das merkst du, wenn du selbst nach mehreren Tagen Schlechtwetter nur ein T-Shirt brauchts, wenn in fast jedem Vorgarten Stechpalmen stehen und wenn die Hotels nur noch elektrische Notheizungen haben.
Clairvaux ist nach dem Gründer der hier ansässigen Abtei benannt. Bernhard von Clairvaux war ein Fanatiker, der es ähnlich wie Göbels verstand Menschenmassen zu mobilisieren und zu begeistern. So folgten etliche seinem Ruf zum 2. Kreuzzug. In Vézelay, am 31.März 1146, als sich um ihn und Ludwig VII. ca. 100.000 Kämpfer versammelt hatten, predigte er vor ihnen. Hier ein kurzer Auszug: "Wenn sich dein Vater auf die Schwelle legte, wenn deine Mutter dir die Brust zeigte, die dich genährt, so steige über deinen Vater hinweg, tritt deine Mutter mit Füßen und folge trocknen Auges dem Kreuzesbanner nach. Hier für Christus grausam sein, ist die höchste Stufe der Seligkeit." Tja und wenn sie nun das Kreuzbanner durch z.B. den Halbmond und Christus durch Mohamed ersetzen, können die Hassprediger unserer Zeit die Rede eins zu eins übernehmen.
In ca. 10 - 14 Tagen bin ich auch in Vézelay. Ich freue mich sehr, weil es eine sehr geschichtsträchtige Stadt ist. Richard Löwenherz war dort und....

Die Abteigebäude von Clairvaux sind bereits seit 1791 ein Gefängnis und heute ein Zentrum des Strafvollzug Clairvaux französischen Strafvollzugs. Hier das Hotel ist direkt neben den Klostermauern und den unmittelbar dahinter liegenden Gefängnissmauern und Türme. Ich bin wirklich froh, dass ich ein Zimmer zur anderen Seite habe.
Ansonsten ist hier nix, gar nix. Stimmt nicht es gibt freundliche Menschen und.... Ich könnte mich so aufregen, ich rege mich auf, ich bin gaaanz gelassen, OMMMM....
Die Männer von Walkabout sind wirklich klasse! Ich schreibe eine Nachricht: Alles nass, brauche....! Keine 10 Minuten später kommt die Antwort: Alles klar geht morgen raus, wohin?! Sowas ist Mega Service! Ich antworte Postlagernd/poste restante, Ort, Land. Kam am anderen Mittag die Mitteilung: Ohne komplette Adresse nehmen die kein Paket an! Ich frage ich Dich, ja Dich: Welcher Paketdienst weiß nicht, in welcher Straße das Postamt seiner Stadt ist? OOOMMM... Wie blöd kann man sein. Das Problem sind diese Postboutiquen und Postkioske. Da wird eine Zigaretten- und Zeitungsverkäuferin, in einem Wochenendkurs zur Paketannehmerin angelernt. Was kann man da lernen? Anderthalb Tage wird darauf verwendet den Scanner zu erklären, fast der gesamte Rest geht für Kaffee- und Zigarettenpausen drauf, bleiben noch 10 Minuten für das Adressfeld: Oben Name, Mitte Straße, Unten Ort und Postleitzahl. Wenn alle Reihen ausgefüllt sind, gutes Paket, guter Kunde! Wenn eine Reihe ein Lücke aufweist Kunde nach Hause schicken. Boah, was ich da selbst schon erlebt habe. 18.55 h schweres Paket zu Mc Paper, Scanen, klappt nicht, Verkäuferin wird unruhig in 4 Minuten Feierabend, 19.05 h und zehn Versuche später: Nein, das funktioniert nicht, da ist irgendwas falsch. Ich: Okay, aber... Das Paket bleibt hier, damit ist nämlich nix falsch. Es reicht, wenn ich morgen noch mal vorbei kommen muss. Ich vertraue ihnen, schönen Feierabend! Am anderen Morgen: Guten Morgen, da müsste ein Paket stehen, das funktionierte Gestern nicht. Piep (der Scanner) 5.99 €, jaaaa die kann das noch nicht so... Ja ist das denn mein Problem? Ja dazu wird es gemacht, zu meinem Problem. Denn der Inhaber, der nur Mindestenlohn zahlt kommt ja nicht zu mir nach Hause und sagt soo Herr Hoppe hier ihre Quittung, nee ich muss zwei mal dahin laufen. Und jetzt lieg ich hier in diesem überteuerten Hotel auf dem Bett und ärgere mich. Anstatt, dass das Paket gemütlich bei irgendeiner Post auf mich wartet.
Mir fällt da gerade die Ültjes-Erdnuss-Werbung ein: Jetzt steh ich schon seit Tagen und singe hier mein Lied... Hihihi.
Naja, wer weiß wozu es gut... Super Spruch aber letztlich weiß keiner, welchen Schicksalsschlägen er bereits entkommen ist, dadurch das sich etwas gegen seinen Willen verzögert hat. Also entspanne ich mich und gehe was essen. Ich freue mich, weil ich seit vorgestern Abend nur Brot und Käse gegessen habe. Das Restaurant hatte gestern Abend zu. Essen war lecker und ich habe einen Erdnuss-Ohrwurm. Auf der nächsten Tour, wann auch immer sie sein mag, erreiche ich die Weinberge der Champagne.

05.06.16 Statement

05. Juni noch in Colombey-les-deux-Églises

Vor Beginn meiner Reise bin das eine oder andere Mal gefragt worden, ob der Sinn einer solchen Reise nicht die innere Einkehr wäre? Und ob ich es richtig fände, mir mit den Medien Internet, Facebook etc. diese innere Einkehr zu verweigern? Und so was könne ja nicht der Sinn einer solchen Reise sein.
Ich denke, dass diese Form der Wandererschaft schon immer eine Wanderschaft der Gemeinschaft war. Karl der Größe, einer der ersten bekannten Pilger, wäre bestimmt nicht auf die Idee gekommen alleine nach Spanien zu reiten. Und die weniger betuchten haben sich zu Gruppen zusammen getan, damit sie einigermaßen sicher durch den Wald kamen. Wäre ich vor 500 Jahren alleine losgelaufen, hätte ich wahrscheinlich Köln nicht erreicht und würde irgendwo bei Wermelskirchen tot überm Zaun hängen.
Heute kann man sich als Einzelperson relativ sicher auf den Weg machen. Und dennoch ist das allgemein erklärte Ziel, die Gemeinschaft. Es wird davon geschrieben, dass die Herbergen eigentlich ein Muss sind, um die Gemeinschaft der Pilger zu pflegen. Je näher du deinem Ziel kommst, um so häufiger wirst du auf Menschen treffen, mit denen du ein Stück zusammen gehst, heißt es. Will ich das alles?
Auf der anderen Seite ist es so, dass ich sehr viel Zeit mit mir verbringen. Wenn ich teilweise bis zu acht Stunden keiner Menschenseele begegne, habe ich extrem viel Zeit über mich zu meditieren. So dass ich den Kontakt, wie ich ihn mit o.g. Medien pflege, für tragbar halte.
Mal ganz abgesehen davon, habe ich totalen Spaß am Schreiben und wenn ich signalisiert bekomme, dass es gefällt, ist es natürlich um so schöner.
Clairvaux Hotelfenster Jetzt stellte sich die Frage, soll es eher ein Reisebericht werden, oder schon etwas ausführlicher, in Form eines Tagebuchs. Ich habe mich für Letzteres entschlossen, auch wenn es manchmal etwas sehr persönlich wird. Schließlich habe ich ein Stadium in meinem Leben erreicht, in dem ich keine Maske mehr tragen muss. Ich möchte weder Kanzler noch Vorstandsvorsitzender werden, noch buhle ich mit Kollegen um Beförderung und Gehaltserhöhung. Und was die Nachbarn denken, ist mir schon von je her egal gewesen.
So... und deshalb darf mich jeder so sehen wie bin. Manche werden den Spruch aus der Kindheit kennen, wenn sie mal etwas zu ausgelassen waren: "Musst du dich wieder zeigen?" Klare Anwort: "Ja, ja und noch mal ja!"

Ich bin heute hier in Clairvaux angekommen, wo ich bis einschließlich Montag bleibe, in der Hoffnung, dass morgen im Laufe des Tages das Paket von Walkabout ankommt.
Dadurch ist morgen noch Zeit und Gelegenheit, ein paar Sätze zu Colombey-les-deux-Églises und Clairvaux zu schreiben.

04.06.16 Von Joinville nach Colombey-les-deux-Églises über Ambonville

03. Juni Voinville 09.00 h

NebelwetterEs regnet immer noch und meine Laune... Es gibt nur schlechte Kleidung ... Jau, die Regenponchos bei Walkabout in Bochum hatten mich noch angelacht, aber ich dachte, dass ich schließlich Richtung Süden laufe, mir etwas Regen noch nie was ausgemacht hat und ich zur Not den Poncho von .... ich sags nicht, bei hab.
Jetzt erwarte ich ein Paket von Walkabout, mit Poncho, Mütze und Impregnierspray. Bis dahin trage ich Regenhose und Plastiktüte. Die Wege sind unpassierbar. Es stehen ausschließlich die Straßen zur Verfügung.
Natürlich ist das alles kein Vergleich mit den Parisern und Süddeutschen, die teilweise in Turnhallen übernachten müssen. Aber es macht für das Gemüt schon einen Unterschied, ob ich das Schicksal und die Götter beschimpfen kann, oder ob ich weiß, dass ich mich selbst offenen Auges da reingeschmissen habe.
Ich weiß, dass jetzt jeder zurecht sagt, kaum ist es mal etwas unangenehm, fängt er an zu jammern, da war doch von auszugehen, von Regen, nassem Equipment, schmerzenden Füßen. Ja vollkommen richtig. Dennoch ist es interessant zu erleben, wie wenig es manchmal Bedarf, um ganze Vornehmungen in Zweifel zu ziehen. Dabei bin ich historisch gesehen ein ganz kleiner Fisch.
Manche werden die Geschichte kennen: Volk Israel in Ägypten, versklavt, scheiß Leben, Moses sieben Plagen und dann nix wie ab die Post, schnell noch ein paar ungesäuerte Broten dann aber. Hurra Freiheit wir kommen... Kaum sind die ungesäuerte Brote weggeputzt, geht das Theater los:"Oh ne, wären wir mal besser in Ägypten geblieben, da hatten wir wenigstens Essen, jetzt irren wir hier hungrig in dieser blöden Wüste rum..." Was kam ist auch bekannt, es gab das tägliche Mana. (Sonntags wurde sich getroffen und gemeinsam gesungen "Manamana..." Und Gott antwortete "Dippdieh, dieh didipp...") Und damit nicht genug, ständig hatten die Israelis was zu nöhlen und immer mit dem Satz: Wären wir mal besser ..." Da verlierst du als Gott auch den Spaß an der Sache.
Nee, jetzt wieder im Ernst. Du kannst noch so gute Vorsetzen und Gründe haben, wenn du nachts im Zelt liegst, das Unwetter tobt und du bist im Urlaub, dann freust du dich auf zu Hause und auf dein Bett. Wenn du aber weißt, dass du dein Bett auf den Sperrmüll geschmissen hast, dann macht das in diesem Moment alles nur noch begrenzten Spaß.
Nun sind zwischen dem Beginn dieser heutigen Niederschrift und dem jetzigen Moment neun Stunden vergangen und ich durfte mir viele Gedanken machen. Zum Beispiel der, dass bei oder nach Veränderungen, sobald die erste Euphorie erloschen ist und die ersten Problemchen auftreten, der alte bekannte und vertraute Zustand, egal wie beschissen er auch war zurück ersehnt wird. Wobei ich hier schon betonen möchte, dass ich mich in keinem beschissenen Zustand befunden habe, meine Beweggründe waren und sind andere. 
Ich durfte in den neun Stunden fast regenfrei durch tolle Täler laufen und bin am Ende zur bereitsPilgerherberge Schild gestern genannten Pilgerherberge gekommen und es ist wirklich unglaublich toll. Alles gibt mir hier das Gefühl: Alles ist richtig!
Und was ich damit sagen will ist, dass es auch oft nicht viel braucht um das Gefühl zu bekommen: Es geht weiter. Und meistens sind es nicht die momentanen Themen, sondern nur die Sorge um die Zukunft die uns das Leben bitter machen.

Bei meiner heutigen Morgenlaune, habe ich noch gedacht boah, Pilgerherberge, viele Leute auf engem Raum, aber ich wollte mich drauf einlassen und habe mich, nachdem ich hier angekommen bin, auch drauf gefreut mit anderen Menschen zusammen zu kommen, vielleicht zusammen zu kochen. Bin aber der einzige geblieben. Dann koche ich mir jetzt mal was.

4. Juni

Gefrühstückt, gefegt, gespült und los. Der Rucksack kommt mir geradezu leicht vor. Nach einigen Kilometern fiel mir auf, dass ich das Wasser vergessen habe. Das merkst man schon wenn 1,5 kg fehlen.
Nach der Hälfte der Strecke sollte ein Dorf mit Lebensmittelgeschäft kommen. Wenn es mal noch da ist. Natürlich nicht, aber dafür hörte ich das bereits bekannte Schellen des Lebensmittelwagens der von Dorf zu Dorf fährt. Ich habe ihn auch gerade noch erwischt, er hielt wegen mir noch mal an. Nein, Wasser hat er nicht ein Croissant schon. Okay, beim Kauf des Croissant erklärte ich ihm, dass ich mein Wasser vergessen habe und nichts zu trinken dabei habe. Zuerst verstand er deutlich sichtbar nichts, auf einmal aber stürzte er zum Beifahrersitz, holte eine fast leere Halbliterflasche hervor, ich dachte schon er wollte mir seine angenucklte Flasche anbieten, stürzte dann aber aus dem Wagen um an der Türe, an der er eben noch was verkauft hat zu schellen, damit die Flasche aufgefüllt wird. Raus gekommen ist er mit einer vollen 1,5 l Flasche Mineralwasser. Tolle Aktion!
Was ich immer wieder spannend finde, ist die Sache mit der Verständigung. Die ersten Sätze von mir sind meist völlig zusammenhaltlos. Dann, beim 2. Versuch wird es besser. Und wenn dazu die Bereitschaft des Anderen kommt, meint man das Einrasten von Zahnrädern förmlich zu spüren. Ab dem Punkt ist eine Unterhaltung mit einem hohen Grad an Verständigung möglich.
So habe ich auch von der Herbergsverwalterin erfahren, dass sie noch acht Geschwister hat und dass im vergangenen Jahr eine 20-köpfige Pilgergruppe aus Litauen bei ihr war und das die älteste 77 Jahre war und das die noch ein riesiges Kreuz mit sich rumschleppten, dass sie abwechselnd trugen. Ich bin ja so ein Weichei.

Gegen 15.00 h bin ich nach einer fast trockenen Wanderung und der netten Begegnung mit dem Verkaufsfahrer in Colombey-les-deux-Églises angekommen. Für den patriotischen Franzosen ist das hier das bekannteste Dorf Frankreichs. Hier hat Charles de Gaulle seinen Lebensabend verbracht und ist auch hier 1970 verstorben. Es gibt ein De Gaulle Museum sowie das bis weit ins Umland zu sehende Lothringische Kreuz, das Zeichen des französischen Widerstand im 2. Weltkrieg. De Gaulle hat 1940 von seinem englischen Exil aus, die französische Bevölkerung zum Widerstand gegen die Besatzer aufgerufen, nachdem die französische Regierung ein Waffenstillstand vereinbart hatte. Charles de Gaulle wurde von der französischen Regierung in Abwesenheit wegen Hochverrat zum Tode verurteilt. Nach dem Krieg war er zwei mal Minister Präsident und einmal Präsident. Mit Konrad Adenauer betrieb er die Annäherung zwischen Deutland und Frankreich.

Hier im übrigen die Lösung für Schlechtwetter Nächte. Fast jedes Dorf hat solche ehemaligen Waschhäuser. Die einen besser die anderen schlechter erhalten, aber immer trocken. Ja, unmittelbar neben fließende Gewässer... Aber besser neben fließendem Gewässer als im fließendem Gewässer.
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