Brixton Crossfire 500

Frank Bick 25.09.2020
Wenn immer wir ein neues Motorrad sehen, kommt schnell ein Freude und Objektivität störender Gedanke auf, nämlich die Frage danach, wo wir so etwas schon einmal gesehen haben. Und nach einigem Suchen finden wir dann das Original und sind enttäuscht. Schon in meiner Jugendzeit unterstellte man der Yamaha XS 650 die Kopie einer Triumph zu sein, ganz in Unkenntnis der Tatsache, dass sie in Horex Lizenz gefertigt wurde.

Die Brixton Crossfire 500 mit eigenwilligem Design von einer jungen Marke ist genau so ein Motorrad, das zu Spekulationen einlädt. Auf den ersten oberflächlichen Blick kommt die Umrisslinie der einer Husquarna Svartpilen gleich, aber schon beim zweiten Blick steht fest, hier wurde alles ganz anders gelöst und vor allen Dingen wirkt die Brixton weitaus klarer, weniger technisch und verspielt. Sie wird bisher in der Presse als Retromotorrad angepriesen, was aber nicht wirklich ins Schwarzgoldene trifft. Es ist ein klar strukturiertes, kompakt designtes Motorrad der A2 Führerscheinklasse mit einem Hauch des Charmes der zweckorientierten Avantgarde der mittlerweile 100 Jahre alten Bauhaus Schule. Ganz ohne Schnörkel und Firlefanz. Es ist auch das unausgesprochene Versprechen von Brixton Motorcycles, dass dies erst der Anfang ist. Dieses Versprechen steckt im ikonischen Brixton X in kantiger Form auf den Flanken des Fahrzeugtanks und in dem weltumspannenden Logo im Scheinwerfer mit Blick auf alle Himmelsrichtungen. Hier wird eine Marke platziert.

Die österreichische KSR Group hat die Marke Brixton Motorcycles bereits im Jahr 2015 gegründet und erstmals auf der EICMA im gleichen Jahr in Mailand der Öffentlichkeit präsentiert. Der schicke, englisch anmutende Markenname klingt überzeugend. Da bisher lediglich 125er und 250er Motorräder im Retrodesign in Lizenz eines Suzuki Motors gefertigt wurden, fiel die Marke unter den unzähligen anderen Newcomern nicht weiter auf. Das wird sich jetzt ändern. Man beschreitet mit den Crossfire Modellen einen eigenen Weg. Und natürlich schaut man, was die Konkurrenz so macht. Aber machen wir uns nichts vor, kein Hersteller hat das (Motor) Rad neu erfunden. Windkanal, Abgasbestimmungen, chinesische Produktionsmöglichkeiten und schließlich der Markt bestimmen doch, wie ein Motorrad auszusehen hat.

Kreuzfeuer ist ein guter Name für die 500er Brixton. Es ist ein militärischer Begriff, der immer dann verwendet wird, wenn sich die Wirkungsbereiche verschiedener Waffen überlappen. Und die Wirkungsbereiche der Crossfire Serie sind überlappend. Eine kleine Crossfire 125 XS für schlappe 1950,- Euro könnte der neue Liebling der Wohnmobilfahrer werden. Mit 1690 mm Länge passt das Funbike quer in viele der fahrenden Wohnstätten. Die hier gefahrene Crossfire 500 wird ein anderes Klientel ansprechen. Alltagstauglich konzipiert, mit ca. 6000 Euro nicht allzu teuer, 190 kg, die sich mit dem 48 PS Motor leicht bewegen lassen, die aber auch gut zu schieben und rangieren ist.

Nach Druck auf den Anlasserknopf brummt der Zweizylinder-Reihenmotor gelassen aus dem Edelstahl Endtopf vor sich hin. Ein schöner Klang. Der nicht parallele Motor dreht leicht und ohne Mühe in hohe Drehzahlbereiche. Das Fahrzeug lässt sich im letzten Gang bei etwa 50 km/h ruhig fahren. Bis 140 km/h steht beständig Leistung an, ist ein Vorschub deutlich spürbar. Dann wirkt es langsam angestrengt. Apropos Anstrengung, der Lüfter kommt auch im Stadtbetrieb schnell zur Sache und gibt Geräusche zum Besten wie ein Handsauger am Ohr.  Das harte, einstellbare Fahrwerk aus dem Hause KYB verrichtet gute Arbeit, das Fahrzeug bleibt jederzeit spurstabil. KYB ist der größte Hydraulikhersteller in Japan und einer der weltweit führenden Lieferanten von Stoßdämpfern für die Erstausrüstung der Automobilhersteller. Eine Million Stoßdämpfer verlassen Woche für Woche die KYB Produktion. Einstellungen am Federbein oder Upside-Down-Gabel habe ich mangels Kenntnis keine vorgenommen, hätte es mir ein wenig softer gewünscht. Die Sitzbank baut sehr flach und hart. Zudem ist sie etwas zu breit. Mit 180 cm Größe und langen Beinen ausgestattet, fällt es dennoch im Stand nicht so behaglich aus wie erwartet, der Sitz drückt die Beine auseinander und presst sich in die Flanken der Oberschenkel. Kleine Personen werden deshalb noch mehr Schwierigkeiten im Stand haben. Einmal losgerollt und die Füße auf die Rasten gestellt, ist die Crossfire aber sehr komfortabel. Der Beinwinkel ist durch tief montierte Rasten wieder sehr entspannt. Am auffälligsten bei der Schaltung ist die lange Schaltstange, die in solide verarbeiteten Ösen ihr Werk verrichtet. Die Schaltung ist leichtgängig, Kupplungs- und Bremshebel sind verstellbar. Der Fahrer sitzt leicht vornübergebeugt und wird mit zunehmender Geschwindigkeit entlastet.

Dank Pirelli Angel ST Bereifung und dem Verzicht auf jedwede elektronische Fahrmodi lässt sich das schicke Motorrad sportlich bewegen. Die 50 PS verhindern auch bei beherztem Zug am Gasgriff ein unkontrollierbares Ausbrechen des Fahrzeugs. Weniger ist oft mehr. Es ist auf den Landstraßen des Niederrheins gut möglich, PS Boliden zu folgen. Voraussetzung ist eine engagierte Fahrweise mit mittleren bis hohen Drehzahlen. Wer es in den Kurven übertreibt, wird durch Schräglagen Sensoren an den Fußrasten an seine Grenzen erinnert. Bei der Fahrt auf feuchten Straßen vermittelte der Reifen ein komfortables, sicheres, spurstabiles Gefühl ohne Überraschungen an Rillen und Unebenheiten. Auch in der Stadt macht das Gefährt eine gute Figur. Sie rollt ohne Auffälligkeiten über Straßenbahnschienen und ist wendig durch das Verkehrsgetümmel Duisburgs zu steuern. Den Motor könnte man durchaus als gutmütig bezeichnen. Er lässt sich straff und zügig genauso gut fahren wie bei ruhiger Sightseeing Tour in unteren Drehzahlen an Hafenkneipen entlang. Die Fahrmodi liegen hier förmlich ganz in der Gashand des Fahrers. Auch die Einscheiben-Bremsen vom spanischen Fabrikat J.Juan verrichten ihr Werk unauffällig. Sie packen weder aggressiv zu, noch fühlen sie sich schwammig oder nachlässig an. Wer kräftig zieht erhält entsprechende Verzögerung. Damit eignet sich das Fahrzeug hervorragend für Fahrschulen, Wege zur Arbeit oder Universität und Trips am Wochenende in die bergigen Gefilde der Eifel. Eine Beifahrerin sollte rank und schlank sein, der hintere Teil der Sitzbank fällt klein aus und der Kniewinkel wird spitz.

Das runde, elektronische Cockpit ist spartanisch, Bauhaus Design grüßt auch hier den informationsbegierigen Fahrzeuglenker. Farbe gibt es nur an den Rändern für Blinker, Neutral usw., der Kontrast fällt insgesamt gering aus. Die Geschwindigkeit lässt sich gut ablesen, der Rest geht bei Sonne etwas unter. Aber ehrlich, was will Mann da auch sehen? Solch ein Fahrzeug vermittelt die Fahreindrücke direkt, man benötigt keine weiteren Informationen darüber, ob man schnell oder langsam fährt, schalten oder walten muss. Die Schalter für die schönen kleinen LED Blinker und den ikonischen LED Scheinwerfer mit Tagfahrlicht sind ordentlich verarbeitet, fühlen sich wertig an. Das LED Rücklicht sitzt am Ende der Sitzbank. Durch den herabgesetzten Schmutzfänger inklusive Nummernschild und Blinker wirkt das Heck elegant und aufgeräumt, sorgt für eine feine Linie. Neben ausgewogenen Fahreigenschaften kann die Crossfire auch mit einem aufgeräumten sehr ansehnlichen Design punkten. Vom kantigen, mattschwarzen Tank ausgehend, läuft das Auge an ruhigen Linien entlang zu rauen, aluminiumfarbenen Komponenten wie Lenker, Fußrasten und auch Gabelbrücken. Die österreichischen Designer der KISKA GmbH haben hier gute Arbeit geleistet. Lediglich die Spiegel fallen ein wenig kopflastig aus, die würde ich bei Gelegenheit tauschen.

Die Brixton Crossfire ist ein alltagstaugliches Gerät, ein spartanischer Gefährte für alle Tage. Wohlwollende Blicke und Sprüche sind dem Fahrzeugeigner an Treffen und in der Stadt gewiß, denn sie ist in ihrer Einfachheit schon wieder außergewöhnlich. Wer das Fahrzeug in meiner Region Duisburg/Niederrhein Probe fahren möchte, kann dies bei der Royal Enfield World Duisburg in Alt-Walsum machen. Mir hat sie viel Spaß gemacht. Als nächstes werde ich wohl mal ihre kleine Schwester probieren.

Links in der Übersicht:
Brixton Motorcycles https://www.brixton-motorcycles.com
Royal Enfield World https://www.royal-enfield-world.de
Text & Fotografie Frank Bick http://fotostudio-orsoy.de

Video von 1000PS

CC Class 500 cc, Motortyp Zweizylinder-Viertaktmotor, Flüssigkeitsgekühlt, Hubraum 486 cm³, Max. Leistung 35 kW @ 8500 rpm, Zündung ECU, Bremsen Scheibe / Scheibe, Leermasse 180 kg, Länge 2117 mm, Breite 757 mm, Höhe 1116 mm, Verbrauch** 4,0 l / 100km, CO2-Emissionen** 92g/km, Standard Ausstattung LED-Tagfahrlicht, LED-Blinkleuchten, Digitaler Tachometer, ABS - Antiblockiersystem, J. Juan Bremssysteme, EFI - Elektronische Kraftstoffeinspritzung, Pirelli Reifen, Auspuffanlage aus Edelstahl
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