Jagd auf die Rocker - Ein Buch von Lutz Schelhorn, Ulrike Heitmüller und Kuno Kruse
Frank Bick 16.03.2016Nach den Vorfällen in Köln an Silvester 2015 die uns alle wirklich erschreckt und aufgewühlt haben, ja die sogar rechten Parteien zu unerwartet großen Zahlen an Sympathisanten verhalfen, bot ein Rockerclub öffentlich über Facebook seine Hilfe für die anstehenden Karnevalsumzüge an. Ziel der Herren war es den feiernden Damen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Ich persönlich fand die Idee gar nicht schlecht. Es vergingen im Prinzip nur wenige Tage da flatterten den Mitgliedern Verbote für den Aufenthalt an Karnevals-Umzugsorten ins Haus. Unser Polizeiapparat funktionierte hervorragend. Bitte keine Selbstjustiz. Was mich am meisten dabei überraschte ist die Tatsache wie schlecht der Polizeiapparat an vielen Stellen funktioniert und wie gut er hier greift. Woher kommt bloß diese überzogene Angst des Staates und der Bürger vor diesen Gruppierungen?
Die Macht liegt beim Staat, Gewalt und Kampf darf es nur noch in Filmen und Spielen geben. Die unsichtbare strukturelle Gewalt unseres zunehmend asozialeren Systems, die verschwiegene Gewalt vieler religiöser Gruppierungen durch Pädophilie, Unzucht und andere Abartigkeiten, die Gewalt die Tier und Natur stetig vom kapitalistischen System angetan werden, dieser Zeit durch ein sinnloses Bäume abhacken wieder bestätigt, ja all diese und weitere Gewalten bereiten dem kapitalistischen Bürger und dem kapitalistischen System aller etablierten Parteien scheinbar weniger Sorgen, aber die Rocker. Die öffentlich rechtlichen Sender liefern dazu die richtigen Bilder, angeleitet von ihren Herren, die freien Sender angeleitet von der Quote. In ein ein paar Panorama oder Monitor Sendungen zu späterer Stunde wird den Bürgern ein wenig kritischere Medien-Kost als Alibi für rechtschaffenen freien Journalismus geboten, von netten Blondchen und Herren mit Ken Attitüde zynisch serviert. Das reichte den Mannen und Weibern aus der Rockerfraktion des Huber Verlags scheinbar nicht mehr und sie verlegten neben ihrem Standardwerk in 4. Auflage Alles über die Rocker nun ein neues interessantes Werk: Jagd auf die Rocker. (beide erhältlich im Szeneshop)
Eingeleitet wird das Buch von einem Vorwort von Dr. Michael Ahlsdorf und einem Kapitel von Lutz Schelhorn, seines Zeichens Rocker seit 40 Jahren. Der erste Teil des Buches wurde zum größten Teil von Kuno Kruse verfasst. Er ist ein anerkannter und ausgezeichneter Journalist der über einige Jahre 25 Aktenordner über Pressemitteilungen, Dokumente und andere Quellen zum Thema zusammen getragen hat. Er kann an Hand dieser Materialien und unzähligen Interviews auf 250 Seiten überzeugend in spannenden Berichten darlegen, dass Rocker pauschal als Kriminelle eingestuft werden und man ihnen jede Menge Vergehen unterstellt. Die Motive dafür bleiben undurchsichtig, sind wahrscheinlich auch vielschichtig von persönlichen Abneigungen der Ermittlungsbehörden bis hin zu geschäftlichen Vorteilen für die braven Bürger und Geschäftsleute, aber auch für Abtrünnige aus den eigenen Reihen. Die einzelnen Kapitel über Verhaftungen und Verurteilungen von Rockern sind trotz sachlicher Vortragsweise spannend, bieten Material für Thriller. Rocker werden gern mit Drogen in Verbindung gebracht, aber kaum jemand weiß das ein Mitglied nicht drogenabhängig oder arbeitslos sein darf. Auch in mir bekannten Einrichtungen am Niederrhein sitzen gelegentlich Rocker zum Entzug ein, vom Club geschickt. Der erste Teil des Buches von Kuno Kruse bietet einen Einblick in die Welt und Erlebnisse einzelner Mitglieder und offenbart dass hier Männer die sicher keine Chorknaben sind, weitaus mehr zu Unrecht als zu Recht im Fokus der Ermittlungsbehörden landen. Ihre legalen Geschäfte werden gestört, ihre Fahrzeuge kontrolliert, ihr privates Leben wird ihnen schwer gemacht. Mit der Harley zum Treffen fahren? Besser nicht, denn spätestens am Tor zum Gelände wird die Polizei das Fahrzeug bemängeln. Schon die ersten 250 Seiten bieten Grund genug zur Lektüre.
Der zweite Teil des 467 Seiten starken Buches wird von der Journalistin Ulrike Heitmüller bestritten. Die studierte Theologin lebt als Journalistin und Autorin in Berlin und hat ihren Schwerpunkt in einem spannenden Gebiet, dem Verhältnis von Freiheit und Sicherheit. Sie legt im zweiten Teil den Umgang von Organsitationen mit dem Thema Rocker dar. Wie verfahren Europol, Wissenschaft und Medien mit dem Thema? Ihre Nachfragen und Recherchen bei Behörden, Ämtern, Zeitungen und anderen Einrichtungen, bzw. deren Antworten verdeutlichen für mich vor allem eins, da hat niemand mehr so richtig den Überblick. Zu groß sind die vernetzten Institutionen, zu komplex die Geschehnisse, als das von den meist unkreativen unwissenden einzelnen Mitarbeitern noch richtige Entscheidungen getroffen werden können. Ähnlich wie beim Umgang mit den Themen Flüchtlinge, Banken, Umwelt wird auch bei den Rockern eine undifferenzierte, einseitige und wenig nützliche Strategie von den meisten Einrichtungen gefahren, in diesem Falle lautet sie: Die Rocker sind rechtsradikal, alle böse und kriminell. Leider aber ist das weitaus weniger als die halbe Wahrheit.
Die Autoren haben sich auf die Seite der Rocker geschlagen, und genau das macht das Buch lesenswert. Politisch korrektes Rumgehampel ohne Sinn und Erfolg und diese ewigen Jeins bin ich mittlerweile so etwas von satt. Es wird Zeit das wir wieder Stellung beziehen, wie Männer, wie Rocker halt.
Lutz Schelhorn, Ulrike Heitmüller und Kuno Kruse, Jagd auf die Rocker, Vorwort von Michael Ahlsdorf, 448 Seiten, Huber Verlag, Mannheim 2016, ISBN: 978-3-927896-67-3, Preis: 24,80 Euro (D)