Wannabe Choppers Motorrad Teile Manufaktur
Frank BickDonnerstag 22.09.2016
Als ich Zweiradmeister Ricky de Haas im Januar 2012 das erste Mal in seiner Firma besuchte war er gerade mal 22 Jahre alt und hatte dennoch schon prämierte umgebaute Motorräder in der Halle stehen. Er verdiente sein Geld mit Motorradaufbauten und Service. Schon damals berichtete er von großen Zukunftsplänen und strotzte nur so über voll jugendlicher Energie. In der Halle in Gießen baute er einzelne handgefertigte Teile für einzelne Motorräder. Individuelle handgefertigte Teile entwirft und baut der künstlerisch begabte Meister immer noch, allerdings werden sie jetzt nicht mehr ausschließlich von eigener Hand gefertigt, sondern auf einer Art Produktionsstraße in größerer Zahl. Wannabe Choppers ist damit keine Motorradwerkstatt im eigentlichen Sinne mehr, sondern ein produzierender Betrieb und Vertrieb. Motorräder werden hier nicht mehr gewartet oder repariert, es kommt aber regelmäßig zum Aufbau von einzelnen Bikes für Shows und Messen. An diesen Bikes werden dann natürlich auch die eigens produzierten Teile verbaut. Go Baby Go ist damit nicht nur ein schickes Motto für einen Gasgriff, noch viel mehr könnte es als Lebensmotto von Ricky de Haas gesehen werden.
In 800 Quadratmeter großen Halle in Rechtenbach schaffen derzeit bis zu 9 Personen an dem Erfolg von Wannabe Choppers. Einige der Helfer sind Praktikanten aus schwierigen Situationen, wie Flüchtlinge, Knackis oder Menschen mit psychischen Erkrankungen, der christlich eingestellte Mann kennt keine Berührungsängste. Dann gibt es noch einen Auszubildenden zum Zweirad-Mechatroniker, Julius, der sich hier während Ausbildungszeit ein Custombike baut, wovon wir aber gesondert berichten werden.
Die Produktionsstätte beginnt mit der Station für die Verarbeitung von Rohren. Die Rohre müssen gebogen, gesägt und geschweißt werden und ergeben dann Lenker, Tunnel für Benzintanks, Sissy Bars und weitere Produkte. Damit auch die ungelernten Helfer bei der Fertigung mit anpacken können, liegen an vielen Stellen kurze Arbeitsanleitungen herum die irgendwann digital erfasst und sortiert werden. An zweiter Stelle kommt die Station für die Bearbeitung von Blechen, aus denen Schutzbleche, Halter, Sitzpfannen und andere Teile entstehen.
Schon 2012 hat Ricky die ersten Motorradteile aus Aluminium und Messing gegossen. Diese Fertigkeit hat er stetig weiter entwickelt und ist bereits in der Lage Objekte in größerer Stückzahl zu gießen. So entstehen Griffe, Seitendeckel, Brems- und Kupplungshebel, Griffarmaturen und und und ...
Sebastian ist 20 Jahre alt und hatte Schwierigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Seine Bildung und Ausbildung erhält der junge Mann bei der Lebenshilfe Gießen. Bei Wannabe Choppers macht er ein 4-wöchiges Praktikum. In dieser Woche ist er damit beauftragt die Gußformen für Handhebel vorzubereiten. Dazu wird ein Hohlraum in 2 Formsandbehältern erzeugt, in den später hineingegossen wird. Die vorbereiteten Metallbehälter zeugen davon dass noch einige Arbeit vor Sebastian liegt. Er träumt davon eine Ausbildung bei einer Motorradwerkstatt zu machen, möchte gern Inspektionen durchführen und Moppeds reparieren. Wir drücken die Daumen das es gelingt.
Nach dem Gießen müssen die Teile nachbearbeitet und geschliffen oder gebohrt werden. Der 19 jährige Henok macht ein Jahrespraktikum bei Wannabe Choppers. Er ist vor drei Jahren allein aus Eritrea geflüchtet. Er ist dabei die Realschule abzuschließen und muss gemäß Regelung 2 Tage in der Woche für ein Jahr in einem Betrieb beschäftigt sein. In dieser Woche ist er damit beschäftigt Bremshebel und Bremsarmaturen zu reinigen. Was er später einmal machen will weiß er noch nicht. Die Perspektive in Eritrea ist schlecht, etwa 50% der Bevölkerung ist unter 14 Jahre alt. Er spricht gut deutsch und macht fleißig seine Arbeit und kann sogar noch dabei lachen. Solche Leute brauchen wir.
Nach der Fertigstellung kommen die produzierten Teile in eine schicke Verpackung und werden dann an Händler vertrieben, auf Messen verkauft und ausgestellt und sind zudem im Onlineshop von Wannabe Choppers erhältlich: http://wannabe-shop.de
Der Auszubildene Julius Herbel hat derzeit die Aufgabe selbst gefertigte Teile am aktuellen Motorradaufbau zu verbauen. Heute sind Bremshebel- und Armaturen und die Schalteinheiten an der Reihe. Die originalen Schalter mit viel Plastik werden durch gegossene Halter mit Minitastern ersetzt. Dafür muss der angehende Zweiradmechatroniker erst mal die Kabel durchmessen.
Wenn ihr auf einer Messe oder einem Choppertreffen seid, achtet auf diese Gesichter. Ein Gespräch mit diesen beiden Herren sollte man sich nicht entgehen lassen. Wie es das mittlere Foto schon zeigt, die Jungs könnten der Serie "Little Britain" Konkurrenz machen.
Zum Bericht von 2012 ...