Wallas Garage
Text von Peter Su Markus mit Fotos von Frank Bick 19.01.2018In einer Zeit, in der sich die Gesellschaft zunehmend in digitalen Räumen bewegt, präsentiert sich der in die Jahre gekommene Gewerbehof in dem sich Wallas Garage befindet, in einem fast melancholisch anmutenden Zustand des Analogen. Oder um es weniger philosophisch auszudrücken, hier hat Gewicht was von Kopf, Herz und vor allem von Hand gefertigt wird.
"Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt, ist es …!", legendär, die Textzeile mit der Herbert Grönemeyer in den 90er Jahren den Wesenszügen seiner Heimat ein Denkmal setzt. Kohle und Stahl, das sind die Motoren, die das Leben im Ruhrgebiet über viele Jahrzehnte in Bewegung halten und die Menschen prägen. Ein besonderer Lebensraum, den seine Bewohner nicht ohne Stolz als den Pott bezeichnen und der jenseits seiner Grenzen, auch heute noch gerne auf die schmutzig, graue Lebenskulisse einfacher Malocher reduziert wird.
Nun gehören Kohle und der Stahl in weiten Bereichen längst der Vergangenheit an. Geblieben ist eine Gemeinschaftsstruktur, wie man sie in dieser Form wohl nur im Pott und auch auf Wallas Hinterhof antrifft. Über Jahrzehnte gewachsen, erzeugt sie eines der ursprünglichen Lebensgefühle, dass einen ganz besonderen Schlag Mensch hervorbringt. Den Zusammenhalt der Malocher und die Bereitschaft, sich mit seiner Arbeitskraft auf unkomplizierte Weise an den Stellen einzubringen, an denen sie gerade benötigt wird.
Es heißt, dass die Menschen des Ruhrgebiets dabei eine ganz besondere Form der direkten Ansage entwickelt haben. Man sagt was man denkt und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und dass das Handeln in einem direkten Zusammenhang zum Gesagten steht, wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Das wirkt mitunter schroff und ungehobelt, gehört im Pott jedoch zum normalen Umgangston. Wenn es nun um Dennis "Walla" Walter geht, der seine Wurzeln in Bochum findet und seiner Stadt im Gegensatz zu Grönemeyer die Treu hält, dann wird schnell deutlich, dass es sich bei ihm um ein echtes Kind des Potts handelt. Walla geht offen auf die Menschen zu, sagt was er denkt und wenn er etwas zu seinem Ding erklärt, dann geht er es ohne große Umwege klar und direkt an.
Ursprünglich aus dem Karosseriebau kommend, hat das Interesse an coolen Bikes im Stil der alten Schule auf einem Abstecher über das Zimmermannshandwerk vor gut einem Jahrzehnt einen festen Platz in seinem Leben eingenommen und über seinen Anspruch, ein Thema in all seinen Facetten zu durchdringen, spielt die Haptik, das Begreifen der Dinge im doppelten Sinne für ihn inzwischen eine besondere Rolle.
Walla gehört zu den Menschen, die es in den Bereichen, mit denen sie sich beschäftigen tatsächlich wissen wollen und wenn es um den Aufbau eines handwerklich gut gemachten Bikes geht, dann will er einiges Wissen. Es genügt ihm nicht die Funktionsweise alter Technik in Internet zu googeln. Wenn er wissen will, wie ein Motor funktioniert, dann macht er ihn auf, schaut nach und nutzt dabei jede sich bietende Möglichkeit sich auf seinem Weg weiter zu entwickeln. Wenn es in der Vergangenheit darum ging, Erfahrungen zu sammeln und auch Rückschläge zu verarbeiten, dann ließ sich auf dem Gewerbehof, auf dem er sich vor gut 10 Jahren einen Platz zur Umsetzung seiner Ideen suchte, einiges finden.
Dicht an dicht stehen hier kleine Hallen, Werkstätten und Freiräume in denen an allen möglichen Projekten geschraubt, gedengelt, gesägt, geschweißt, geflext und lackiert wird. Genialität und Idiotie liegen auf solchen Höfen oft dicht beieinander und bilden ein kreative Melange, die einen jungen Mann mit offenen Armen empfängt, wenn er das nötige Interesse am Handwerk und die Bereitschaft des Zupackens mitbringt.
Beschreibt Walla die auf dem Gelände herrschende Gemeinschaft, beginnen seine Augen zu leuchten. Hier scheint die Herausforderung an Sinn und Unsinn ein gern gesehener Gast und es gibt kaum etwas an dem man sich nicht versuchen könnte, um an seinen Erfolgen zu wachsen und aus seinen Irrtümern zu lernen. Dass er sich dabei im Laufe der Jahre zunehmend den alten Handwerkstechniken und der Arbeit an altem Gerät verschrieben hat, wird mit dem ersten Schritt in seine Garage unmissverständlich deutlich.
Auf vier Arbeitsplätzen stehen im Augenblick vier Projekte in unterschiedlichen Aufbaustufen. Drei Harleys, eine Honda und seine eigene Triumph, deren Motorbearbeitung Walla als eine persönliche Herausforderung betrachtet, machen deutlich, dass er sich allen Marken und Stilrichtungen öffnet, wenn es sich um alte Fahrzeuge handelt. Mit Computer gesteuerter Technik und einem damit einhergehenden Übergewicht an Elektronik, weiß Walla wenig bis überhaupt nichts anzufangen.
Er bevorzugt das perfekte Zusammenspiel fein abgestimmter Mechanik. Eine Leidenschaft, die sich über die 10 Jahre hinweg entwickelte, in den er nun schon in seiner Garage werkelt. Mit Blick auf die Entwicklung die er in diesem Zeitraum durchschritten hat, erzählt er, dass er in seiner Arbeit zu Beginn ein großen Teil seiner Aufmerksamkeit auf die coolen, äußeren Aspekte eines Bikes richtete, die die Fahrbarkeit und die Zuverlässigkeit gerne schon mal in den Hintergrund stellen. Das änderte sich jedoch, als der Antrieb seiner ersten Triumph den Geist aufgab und eine komplette Motorrevision anstand. Er begab sich auf die Suche nach einem Motorspezialisten und fand in Rainer Traupel nicht nur den richtigen Mann für seinen Motor sondern auch gleichzeitig einen Mentor für sein Bedürfnis, im Bereich des Motorbaus sein Wissen zu erweitern. Hinter der unspektakulären Firmenbezeichnung Motortechnik Traupel, verbirgt sich der Fachbetrieb eines Motorbegeisterten, der sich die Entwicklung, Konstruktion und Anfertigung von mechanischen Bauteilen und Baugruppen und die Herstellung von nicht mehr erhältlichen Motor und Getriebeteilen auf die Fahne geschrieben hat und sich darüber hinaus auch mit der Verfeinerung von Fahrwerkstechnik beschäftigt. Ein Angebot, das einiges an Wissenspotenzial verspricht und in Walla einen wissbegierig dankbaren Abnehmer findet.
Aus der gemeinsamen Arbeit am Triumph Motor entwickelte sich auf Wallas Seite schnell der Wunsch sich intensiver mit den einzelnen Aspekten des Motorbaus zu beschäftigen und die Bereitschaft auf Rainers Seite ihn mit all den Facetten des Themas vertraut zu machen. Nun hat Rainers Firma ihren Sitz im Hamburger Raum und im Falle eines einzelnen Motors ist das mit dem Pendeln kein Problem. Das sich eine lang anhaltende Zusammenarbeit auf diesem Weg jedoch kaum realisieren ließe war beiden klar. Am Ende suchte sich Walla im Norden eine kleine Blockhütte und pendelt nun in einem Modus von 14 Tagen zwischen Hamburg und Bochum hin und her.
Rainer Traupel ist Spezialist für Motortechnik. Entwicklung, Konstruktion und Anfertigung von mechanischen Bauteilen und Baugruppen, der Nachbau von nicht mehr erhältlichen Teilen sind ein Schwerpunkt seiner Werkstatt in Delingsdorf. In dem maschinenbautechnischen Instandsetzungsbetrieb wird konstruiert und überarbeitet. Motoren, Getriebe, Kupplungen sowie Rahmen- und Fahrwerksteile von englischen, amerikanischen, italienischen und deutschen Klassikern, Exoten und Oldtimerfahrzeugen werden repariert und Instand gesetzt. Besonders das Eliminieren bekannter werksseitiger Schwachstellen, die Zuverlässigkeit oder Leistung betreffen liegen dem Nordlicht am Herzen. http://www.motortechnik-traupel.de
Das sich mit der nun sehr spezialisierten Arbeit an den Motoren, auch einiges an der Einstellung gegenüber der Fahrbarkeit und der Zuverlässigkeit eines Bikes zu verändern beginnt, zeigt sich an dem Anspruch, den er zum gegenwärtigen Zeitpunkt an seine Arbeit stellt. Cool sollen seine Bikes nach wie vor aussehen. Doch das zunehmende Wissen um die Bedeutung eines perfekt abgestimmten Zusammenspiels einzelner Motorkomponenten, das sich ja bekanntlich auch bei alten Motoren bei der entsprechenden Passung in Mikrometerbereichen bewegt, sorgte auch für einen deutlichen Wandel an der Werkzeugwand und im Maschinenpark. Inzwischen stehen Walla für die Umsetzung seiner Vorstellungen neben der schon obligatorischen Industriestandbohrmaschine und dem Schweißgerät eine professionelle Drehbank sowie eine Fräse zur Verfügung, mit deren Hilfe er von der reinen Teilefertigung abgesehen, nicht nur Motorteile entsprechend seiner Vorstellungen bearbeiten kann, sondern ihm auch im Bereich der Fertigung spezieller Werkzeuge individuelle Lösungsansätze bieten.
Wenn in Wallas Garage heute ein Teil ans Bike geschraubt wird, dann sollte es nicht nur in der Optik, sondern auch in der Funktion perfekt sein und unter diesem Anspruch landet das eine oder andere Teil dann auch schon mal in der Tonne. Mit Blick auf seine, sich beständig entwickelnden Fähigkeiten und dem Interesse an weiterführenden Techniken, der Arbeit mit unterschiedlichsten Materialien und der beständig zunehmenden Summe handgefertigter Teilen die sich aus dieser Beschäftigung ergeben, ist es für Ihn inzwischen eine Selbstverständlichkeit ein Teil auch ein zweites oder drittes Mal zu bauen, wenn es seinen Ansprüchen nicht genügt und er das Gefühl hat, dass es auch noch besser gehen könnte.
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