"Save the Choppers" - Ein Buch von Horst Heiler

Frank Bick 2016
Save the choppers Ausstellung Bad SalzuflenIn Bad Salzuflen auf der Custombike Show 2016 vom 2.- 4.Dezember wurde im Rahmen einer Austellung von etwa 30 beeindruckenden Choppern ein genauso beeindruckendes Buch der Öffentlichkeit vorgestellt. Es trägt den ungewöhnlichen Titel "Save the Choppers". Rettet die Wale und den Regenwald, save the world und save the elephants kannte ich ja bereits, aber dass auch Chopper gerettet werden müssen war mir bis dato unbekannt. Hier wird auch nicht von den unzähligen Umbauten in aller Welt gesprochen, sondern nur von diesen langgabeligen, unpraktischen, unnützen und schwer fahrbaren, oftmals schlecht bremsenden, bunten, auffälligen Motorrädern die erstmals in den frühen 70er Jahren überhaupt in Deutschland zu sehen waren. Und diese extrovertierten Selbstdarsteller sollen nun geschützt werden? Oder müssen sogar geschützt werden? Und dabei hilft dieses Buch? Fragen über Fragen die ich vorab schon mal mit Ja beantworten kann und warum das so ist, sollen die folgenen Zeilen verdeutlichen.

Aus dem Buch "Save the Choppers"Im ersten Kapitel geht es um die Geschichte der Chopper in den USA, die Entwicklung von Typen wie "Frisco Style" oder "Digger". Junge Menschen aus Kalifornien rebellieren gegen festgefahrene gesellschaftliche Strukturen und bringen das in ihren Fahrzeugen zum Ausdruck. Genau im Gegenteil zu den Konstruktionen der Hersteller sollen die Chopper nicht nützlich sein, sondern bei verbotenen Drag Races dank langem Radstand und großem Nachlauf perfekt geradeaus laufen. Die mit schmalen oder hohen Lenkern ausgestattenen Maschinen mit extrem langen Gabeln hingegen sind als fahrende Kunstwerke zu betrachten, und genau darin besteht auch der zu "rettende" Aspekt.

Digger aus dem Buch "Save the Choppers"Wer sich dem Thema Chopper als Pragmatiker oder Techniker nähert, muss unweigerlich scheitern. Auf belustigende Art deutlich wird dies im Buch im Kapitel über die deutsche Chopperszene. 1970 schreibt der Chefredakteur der Zeitschrift Motorrad - Siegfried Rauch - ein vernichtendes Editorial gegen den "gefährlichen Unsinn" Chopper. Spätestens bei diesen Zeilen wird deutlich, wie unverstanden und umstritten das Thema Chopper und Easyrider war und vielleicht auch heute noch ist. Hält man sich vor Augen das Siegfried Rauch 1907 in Chemnitz geboren wurde und Technischer Leiter und Oberingenieur im VEB Forschungs- und Entwicklungswerk Karl-Marx-Stadt war, dann wundert sein Entsetzen nicht. Wir haben hier einen Spießbürger alter Schule, der wahrscheinlich privat gern Heinz Rühmann Filme geguckt hat und genau zu der Gruppe unemanzipierter Menschen gehört, gegen die sich ja die Chopperbewegung richtete.

Aus dem Buch "Save the Choppers"Die Chopperszene besteht seit jeher aus Freigeistern, Rebellen, Künstlern und Lebenskünstlern die sich selbst und die Welt hinterfragen. Es war nie der Teil der Motorradwelt der Kampf und Krieg suchte und Symbole wie das Eiserne Kreuz - dem im Buch ein Kapitel gewidmet ist - nur aus provokativen Gründen benutzte. Die Künstler der Chopperszene können einfache Handwerker oder Kunsthandwerker sein, sind aber meist auch gebildet und belesen und oftmals auch mit akademischen Graden oder Meistertiteln ausgestattet. Die Mitglieder der Chopperszene sind international vernetzt, Designer, Grafiker, Fotografen, Kunsthandwerker, Ingenieure, Geisteswissenschaftler, Journalisten und so weiter gehören dazu. Und genau aus dieser Community heraus, ihren Choppern und Meinungen, Statements und Ansichten ließ der Autor Horst Heiler das Buch entstehen.  

Jean Tinguely's sinnlose MaschinenJean Tinguely's sinnlose MaschinenUnd warum ist der Chopper eigentlich Kunst? Um das zu verstehen muss man an Stelle eines spießigen ehemaligen DDR Bürgers wie Siegfried Rauch Künstler zu Wort kommen lassen. Und mir scheint der 1923 geborene Jean Tinguely da perfekt. Der Schweizer Maler und Bildhauer war Vertreter der kinetischen Kunst und hat genau das was die Chopper in der Motorradszene ausmachen international in die Kunstszene gebracht. Seine beweglichen, maschinenähnlichen Skulpturen waren nutzlose Maschinen die nach Aussage des Künstlers „Kritik an der Gleichförmigkeit industrieller Vorgänge und der Produktion von unnützen Dingen“ offenbaren sollten. Und genau diese Kritik steckt auch im Chopper, Kritik an einer Übertechnisierung die nicht mehr den direkten Spaß oder Nutzen zum Ziel hat, sondern hohe Verkaufzahlen wie die von Honda, BMW oder Harley-Davidson. Der Chopper ist die direkte Kritik an einer übertechnisierten und automatisierten Produktion, die von Bürokraten und Lobbyisten zum Wohle der Kapitalisten gesteuert wird, Stichwort "Euronormen". Und deshalb müssen der Chopper und die dazugehörige Szene gerettet werden.

Das Buch ist das Credo der Chopper-Liebhaber, die sich den Erhalt ihrer Subkultur auf die Fahnen geschrieben haben. Autor Horst Heiler ist seit den frühen 70er Jahren in der Szene aktiv. Er baut selbst Chopper, organisiert Ausstellungen und Treffen, ist ein Chronist der Chopper-Kultur und arbeitet seit 1992 für namhafte Custom-Magazine. Heiler hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Historie der Chopper und die Menschen, die diese prägten, in den Fokus zu rücken. Bei mehreren Zusammentreffen mit dem amerikanischen Chopper-Enthusiasten Tom Rad reift die Idee zu diesem Buch.

Buch "Save the Choppers"Buch "Save the Choppers"Das Buch wiegt 1930 Gramm und ist im Querformat gedruckt, sollte also bei der Lektüre irgendwo fest aufliegen. Den Anfang macht ein umfangreiches Kapitel über die Geschichte in den USA, gefolgt von Schweden und Deutschland. Der kundige Leser hätte noch Japan erwartet, aber wahrscheinlich verfügte man in den Reihen um Horst Heiler und den Huber-Verlag da über zu wenig Material oder zu wenig Zeit. Und das Material ist genau das bestechende des Buches, wunderbare Fotos von den Motorrädern, schöne Grafiken und Porträts beeindrucken Seite für Seite, machen neugierig und Lust auf Chopper. In den letzten 3 Kapiteln werden Technik, die Clubkultur und der Chopper im 21. Jahrhundert beschrieben. Die Texte sind allesamt gut lesbar und ergeben erst in der Gesamtheit ein umfangreiches Bild zum Thema. Das Buch besteht aus Mosaiksteinen die der Autor über Jahre gesammelt hat und die nicht zwingend zusammen gehören. Die Kapitel teilen die Themen nur grob in der Ausrichtung ein. So finden sich in dem Kapitel USA deutsche Chopperfahrer, genau wie im Kapitel Schweden. Auch wenn manche Fans heute die Annahme bevorzugen, daß „richtige Chopper“ nur auf Harley oder Indian basieren können, waren schon beim Entstehen dieser Subkultur in Amerika wie bei uns genauso europäische und japanische Motorräder mit im Spiel, worauf im Buch gebührend eingegangen wurde.

Ja, dieses Buch ist ein Beitrag zum Erhalt der Chopperkultur, die wir in der Motorradszene dringend brauchen, als Botschafter für die Freiheit des Denkens und Seins.  

Hardcover-Buch
496 Seiten | 49,60 Euro
Format: 280 x 210 mm
ISBN: 978-3-927896-65-9
Vertrieb über Buchhandel
und www.szeneshop.com

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