Der Versuch der Kultivierung einer Subkultur
Text: Gasolin Alley GarageDie Magie des Oldschool Ideals als wegweisendes Lebensgefühl einer Weg suchenden Generation
Bewegung bedeutet in einer Zeit, in der sich der Mensch zunehmend in imaginären Welten zu verlieren droht, für viele Fortschritt und Entwicklung. Wenn mit einer solchen Bewegung auch noch das körperliche, das begreifende Empfinden angesprochen und in Schwingung versetzt wird, dann besetzt eine solche Bewegung in den Augen ihrer Anhänger nicht selten die Position eines heiligen Grals.
Leider sind solche Bewegungen häufig mit extrem kurzen Halbwertszeiten geschlagen und so befinden sich vor allem die sogenannten Kreativen, die Macher hinter der Mode der Gegenwart auf der permanenten Suche nach neuen Ebenen und/oder verborgenen Nischen, um ihren Anhängern immer wieder aufs Neue die Glückseligkeit eines solchen Grals bieten zu können. Doch machen wir uns nichts vor, innerhalb einer allgegenwärtigen Informationsvielfalt hat der Mensch seine sichergeglaubten Steuerungsmechanismen in vielen Bereichen des Fortschritts längst aus der Hand gegeben.
Während die sich die einen mit den Ressourcen ihres kreativen Geistes ausschließlich in der Zukunft sehen, nach tatsächlich Neuem suchen und dabei vielerorts lediglich der Zeit hinterherlaufen, richten andere ihren Blick in die Vergangenheit, um das begehrte Neue im Alten zu suchen und hoffentlich auch zu finden. Dass dieses Alte in der Folge auf paradoxe Weise wie selbstverständlich mit den Inhalten des Neuen gefüllt wird, scheint für die Masse der Nutzer merkwürdigerweise keinen Wiederspruch dazustellen.
Geht es wie in unserem Thema um die Produktion von Motorrädern, dann beschwören Hersteller wie zum Beispiel Harley-Davidson oder BMW, die die Zunft der Garagen- oder Hinterhofschrauberei noch vor wenigen Jahren mit dem sprichwörtlichen Arsch nicht angeschaut hätten, bei der Präsentation ihrer neuesten Produkte nicht nur den mit der Hinterhofschrauberei verbundenen Flair, sondern scheinen sogar tatsächlich den Schulterschluss zur Szene des sogenannten Untergrunds zu suchen, in dem sie ihre Fahrzeuge bereits im Rahmen der Modellpräsentation ausgewählten Garagenschrauber als Umbaubasis zur Verfügung stellen, um ihrem Publikum am Beispiel dieser Umbauten zu verdeutlichen, wie sehr sich gerade dieses eine Produkt zur kreativen Individualisierung eignet.
Dass diese Fahrzeuge natürlich nicht in den Hinterhofbuden unbedeutender Schrauber landen, versteht sich dabei von selbst. Das Vertrauen der großen Hersteller reicht an dieser Stelle durchaus Nachvollziehbar nur bis zu denjenigen die sich in einer relativ jungen und durch und durch auf Coolness bedachten Szene, bereits einen Coolness garantierenden Namen gemacht haben und damit die Aufmerksamkeit eines breiten Publikums garantieren. So wird das so oft beschworene Rad auch an dieser Stelle nicht neu erfunden, sondern lediglich die Magier des Oldschool Ideals beschworen und im Sinne der Hersteller, der Mode und der Medien zurechtgebogen und voran getrieben, während sich in den Köpfen derjenigen die sich bereits seit den 60ger/70ger Jahren in der Welt dieses Ideals bewegen, zunehmend der Gedanke festigt, das hier wieder einmal alter Wein in neuen Schläuchen unters Volk gebracht werden soll.
Die neue BMW R NineT Scrambler lockt jene, die Steve McQueen im Herzen tragen!
Classic Driver
Die Frage, warum gerade ein Hersteller wie BMW zum Beispiel mit der R NineT das aktuelle Zugpferd seiner Produktpalette auf die Hebebühnen der Custombike Builder rollt, wird dabei von den kreativen Machern der R NineT sinngemäß wie folgt beantwortet. "Man habe sein Ohr am Gefühl der Zeit und den aktuellen Trend zum Custombike nicht nur aufgenommen, sondern auch entscheidend mitgestaltet". Auch wenn dies in einigen Bereichen zutreffen mag, wird hinter vorgehaltener Hand jedoch auch gemunkelt, dass es sich bei dem BMW typischen Fahrer der Vergangenheit, von den weltweit BMW fahrenden Ordnungsmächten abgesehen, um eine, vom Aussterben bedrohte Spezies handelt.
Bei Harley-Davidson scheint im Gegensatz der Bedarf zur Erklärung des eigenen Tuns nicht zu bestehen. Statt sich in der Unterstellung einer möglichen Rechtfertigung zu verlieren, gibt man dem Kunden der Company schlicht was sich dieser Kunde wünscht. Die Notwendigkeit, ihre Fahrzeuge unter die coolen Bike Builder der Welt zu streuen, schien man bei Harley-Davidson auch nicht zu sehen. Das sollte sich mit dem Model der Street, die Harley-Davidson selbst als - Urban, Authentisch & Lebendig - bezeichnet jedoch ändern.
Auch bei Harley-Davidson hat man zur Kenntnis nehmen müssen, das der ursprünglich typische Harley Treiber nicht ewig lebt und der Sinn des jungen Volks, in einer Welt in der der Geiz mit dem Gefühl des Geilen auf eine Ebene gestellt wird, nicht gerade nach einem Motorrad steht, das mit dem Privileg des amerikanischen Eisens belegt, nicht nur ein hohes und damit möglicherweise schwerfälliges Gewicht verspricht, sondern sich darüber hinaus auch noch in einer Preisklasse bewegt, die die 10 000 Euro Marke deutlich überschreitet.
Doch bei einem neuen, auf die Geldbeutel eines jungen, urbanen Volkes, abgestimmten Produkts, macht es Sinn, diesem, für seine extrem kurze inhaltliche Halbwertszeit bekannte Volk, mit der Präsentation des Produktes gleichzeitig auch die Möglichkeiten der Individualisierung demonstrieren und während sich BMW mit seiner R NineT und Yamaha mit seinen Modellen XV950 Bolt und XJR 1300 im Rahmen ihrer Yard Built Projekte um die besten Plätze auf den Hebebühnen der angesagten Szeneschrauber rangelt und man bei Harley-Davidson mit dem Umbau der Street auf die Möglichkeiten die das eigene Händlernetzt bietet, setzt man bei Triumph auf die kreativen Fähigkeiten der eigenen Mitarbeiter und stellte den Mechanikern in ihrem Triumph Factory Custom Build Off zwei Motorräder der Bonneville Baureihe zum Umbau auf die Bühnen, die nach Ansicht der Trendsetter die Welt der Garagenschrauber bedeuten.
Das sich diese wie bereits geschrieben, über all dies Wundern, mag unter anderem daran liegen, das sie sich vom dem plötzlich über sie hereinbrechenden Interesse der selbsternannten Macher und Erneuere der Szene ein wenig überrumpelt fühlen und darüber hinaus nur einen verschwindend geringen Teil der allgegenwärtig beschworenen Custombike Mainstreams tatsächlich auf ihre eigene Arbeit oder Interessen beziehen.
Wie das? Wird sich der Custombike interessierte Trendsetter nun fragen. Die Antwort auf diese Frage ist ebenso einfach wie für den aktuellen Trend ernüchternd. Der Umbau eines neuen Fahrzeugs, das sich in seinen Anschaffungskosten deutlich oberhalb der 10.000 Euro Marke befindet, ist zwar durchaus als Custombike Building zu bezeichnen. Mit einem Fahrzeug der alten Schule hat ein solcher Um- oder Aufbau dem Verständnis der Garagen- oder Hinterhofschrauberei entsprechen jedoch nicht das Geringste zu tun.
In den Hinterhöfen der niederen Schraubergemeinschaften wird in der Regel an alten, billigen Motorädern geschraubt und es wird bei diesen Um- und Aufbauten auch nur selten in das Regal des jeweiligen Herstellers gegriffen, weil sich in diesen Regalen für die alten Modelle kaum etwas findet, das sich anschrauben ließe. Dass dem so ist, würde ich als einen klaren Beleg dafür betrachten, das sich die heute Lautstark den Spirit des Hinterhofschraubens beschwörenden Marken, nicht tatsächlich für die Hintergründe dieses Geistes interessieren, sondern lediglich auf den aktuellen Zug aufspringen, um sich ihre Profite zu sichern, bevor es diesen Markt nicht mehr gibt.