Das 2x23 Zoll Projekt /3

der Gasolin Alley
der Garage für angewandte Stressbewältigungstechniken, Tiefenentspannung und Metallmeditationen
In Zusammenarbeit mit
Frank Bick
und
freundlicher Unterstützung von:
Enrico De Sena - www.boss-performance-motorcycles.de
Dimitrios Georgoulas - www.spirit-leather.de
Hagen Jödecke - www.madeiradrive.de

Teil 4 - Die Räder

Nachdem die beiden, von mir anvisierten XL 500 S Felgenringe der Räder tatsächlich für das erhofft kleine Geld über das Internet erstanden werden konnten und die für die Räder vorgesehenen Naben für etwas mehr Kohle im Rahmen des Flake King Swap Meet gesichert wurden und dabei gleichzeitig zwei geeignete Bremssättel, ein paar nette Hebel für Kupplung und Bremse, ein alter Fender für was auch immer und eine Parkverbotsknolle über 95 Euro an mir kleben blieben, war erstmal Ebbe in der Kasse.

Das bedeutete jedoch nicht, dass es nichts zu tun gab. Nachdem der freundliche Reifenhändler meines Vertrauens die beiden Hondaräder von ihren Reifen befeit und diese auch kostenfrei entsorgt hatte, machte ich mich daran mit dem Bolzenschneider die Speichen aus den Rädern zu knipsen.

Um die Bearbeitung der neuen, alten Naben kümmerte sich inzwischen Enrico von Boss-Performance-Motorcycles während die Vorderradnabe durch behutsames ausdrehen einiges an Gewicht verlor und dabei gleichzeitig an Optik gewann, wurde die Hinterradnabe lediglich mit der Poliermaschine aufgehübscht.

Ließ sich bis zu diesem Punkt alles schön billig über die Bühne bringen, würden mit dem nächsten Schritt erstmals echte Kosten anfallen. In Bezug auf dass Einspeichen von Rädern hatte ich in der Vergangenheit ausreichend schlechte Erfahrungen sammeln können, um mich für die nun anstehenden Arbeiten nach einem ausgewiesenen Fachmann umzusehen.

Im Rahmen der alljährlich Anfang Dezember stattfindenden Custombike Messe hatte ich erste Kontakte gesucht und dabei in Erfahrung gebracht, das ich bei einer Sonderanfertigung wie sie mir vorschwebte, mit etwa 300,- und 400,- Euro pro Rad rechnen müsse.

Da die von mir auf der Messe angesprochenen Firmenvertreter ihre Aktivitäten vor allem im Bereich Harley-Davidson sahen, war mir klar, dass es sich bei den genannten Summen um relative Größen handelte und es auf dem "normalen" Markt gewiss noch Spielraum nach unten geben würde. Abseits der Apothekenpreise, die auf dem Markt der amerikanischen Big Twins aufgerufen wurden, würde der Preis in der realen Welt mit etwas Glück bei der Hälfte liegen und damit etwa 400,- Euro für beide Räder betragen.

Wie so häufig, spielte auch bei der nun folgenden Suche der Zufall eine entscheidende Rolle. In den vergangenen Jahren hatte ich immer mal wieder von einem Mann gehört, dem im Einspeichen von Rädern die Fähigkeiten eines Speichenflüsterers zugesprochen wurden und der seinen Tätigkeitsbereich wohl ganz in meiner Nähe am Niederrhein haben sollte.

Wie das in solchen Fällen oft ist, wusste leider niemand etwas Genaues zu sagen und da es mich bisher auch nie sonderlich interessiert hatte, wurden diese Hinweise von mir auch nie weiter verfolgt. Als ich nun beim oben erwähnten Reifenhändler die Räder von den Reifen befreien ließ, legte dieser erneut das Feuer an die bereits bekannte Lunte.

Ob ich mich mit dem Gedanken trage die Speichen zu ersetzen, wollte dieser wissen und ob ich jemanden wüsste, den man für eine solche Arbeit weiterempfehlen könne.

Mit dem Verneinen des zweiten Teils seiner Frage, trat der Mann vom Niederrhein in meine Erinnerung und ich sagte, dass es am Niederrhein wohl jemanden geben solle, ich jedoch über keine weiteren Informationen verfüge.

Ja, von diesem Mann habe er wohl auch schon gehört, doch da auch er darüber hinaus nichts weiter zu sagen wusste, lag es an mir den Mann nun endlich zu finden.  

Die folgende Suche im Internet begann mit Eingabe des Begriffs "Speichen". Neben allen möglichen Hinweisen, die alles mögliche, nur keine Speichen an den Mann bringen wollten, bekam ich den Hinweis auf einen der führenden deutschen Speichenhersteller, was nicht besonders viel bedeutete, da sich deren Zahl, wie ich inzwischen  weiß, an den Fingern einer Hand abzählen lässt. Auf der Seite des Herstellers gab es allerdings ein Händlerverzeichnis und in diesem fand sich ein Eintrag für den Niederrhein.

"Speichen Zentrum Niederrhein - Radspannerei" Sollte es wirklich so einfach gewesen sein? Ich griff zum Telefon und wählte die angegebene Nummer.

"Haffmanns!"

" Markus! Bin ich mit dem Speichen Zentrum Niederrhein verbunden?"

" Ja!"  

So sind sie, die Niederrheiner knapp angebunden und Präzise in der Kernaussage. Ich schilderte Herrn Haffmanns in knappen Sätzen mein Anliegen und erwartete ob der Besonderheit meines Wunsches bereits die üblichen Litanei des "geht so nicht!" oder "kann man so nicht machen!". Doch statt eines Einwands wurde ich mit der knappen Frage, ob das alles sei überrascht.

"Ja! Das im Prinzip wäre das alles!"

"Bestens! Wann wollen sie die Teile bringen und bis wann sollen die Räder fertig sein?"

Wenn das mit den Rädern tatsächlich so einfach sein sollte, würde es mich sehr überraschen.

Ein Termin war jedenfalls schnell gefunden und ich machte mich einige Tage später auf den kurzen Weg nach Eyll am See, knapp 20 gemütliche Fahrminuten von Duisburg entfernt. Ländliche Gegend, mit ländlich gemütlicher Atmosphäre, in der man die ständig Zeitlosen aus der großen Stadt gerne mit einer fest installierten Geschwindigkeitsüberwachungsanlage entschleunigt.

So auch auf der Straße nach Eyll. Freundlicherweise hatte mich Herr Haffmanns während unseres Telefonates auf die Entschleunigungsanlage aufmerksam gemacht und so diente sie mir nun als nützliche Landmarke zur Orientierung. Ein paar  Kreuzungen und zwei Mal abbiegen später, stand ich mit meinen Teilen vor dem Speichen Zentrum. Untergebracht in einem typischen Anbau, an einem der typischen Gehöfte der Gegend. Nicht gerade das was ich erwartete hatte und doch ausreichend um alle Arbeiten zu erledigen, die ein Rad benötigte um seiner Funktion zugeführt werden zu können.

Herr Haffmanns, mit dem ich nach einem kräftigen Handschlag duzte, also Anton, entpuppte sich sehr schnell als der kompetente Mann der Tat, den das Telefonat erahnen ließ. Einen Showraum würde er sich gerne einrichten, doch die Arbeit ließe ihm bisher keine Zeit dazu. Ich bin überzeugt davon, dass er einen solchen Raum seit Jahren plante und so wie es an seinem Arbeitsplatz aussah, würde es diesen Raum auch in Jahren noch nicht geben. Was es gab, waren Felgen, Naben und Speichen im Überfluss und in allen denkbaren Ausführungen und natürlich die mit den entsprechenden Maschinen ausgestatteten Arbeitsbereiche, die man benötigte um all die vorhandenen Teile zu Rädern zu verbinden. Und es gab Geschichten, die sich um diese Räder rankten.

Wer die Meinung vertritt, ein Rad sei nur ein Rad, der ist bei Anton in aller Deutlichkeit an der falschen Adresse und wer glaubt er könne seine Teile an diesen Geschichten vorbei schleusen, einfach nur abladen und wieder verschwinden, der war ebenfalls falsch gewickelt.

Für Anton ist ein Rad nicht einfach nur ein Rad. Die Räder und seine mit diesen Rädern  verbundene Arbeit, bedeuten ihm etwas. Über sie zahlt er nicht nur seine Rechnungen, sie sind auch Ausdruck seiner Kompetenz und so spürt man seine Freude, wenn man für diese Kompetenz ein Interesse zeigt, das über eine bloße Auftragserteilung hinaus geht.                    

Es handelt sich bei ihm um einen Handwerker alten Schlages und er scheint sein Handwerk nicht nur zu verstehen, sondern auch ernst zu nehmen. Was meinen Auftrag anging, erklärt er mir genau was zu machen sei und wie es zu machen wäre und was mich das Ganze am Ende kosten würde. Er hat feste Preise für das Material und er hat eine klare Vorstellung vom Kostenaufwand der von ihm zu erbringenden Arbeitsleistung. Alles in allem würden beide Räder zusammen bei knapp 400,- Euro liegen. Am Ende würde er mir noch einen, das Projekt unterstützenden Rabatt gewähren und ich würde ihm 350,- Euro für beide Räder zahlen.

Die Räder sollten mit Edelstahlspeichen ausgestattet werden, die Anton dem Sondermaß entsprechen, auf die erforderliche Länge bringen und nacharbeiten würde. Das er bei der Wahl des Basismaterials besonderen Wert auf Qualität legt und dabei ausschließlich auf das Produkt eines deutschen Herstellers zurückgreift und ich bei meinem Projekt trotz des geringen Finanzrahmens, immer auch die Qualität der geleisteten Arbeiten im Blick behalte und aus diesem Grund kaum geneigt bin auf Billigware aus Fernost zurückzugreifen, kam mir dies natürlich gelegen.

In der Zeit, in der wir die weiteren Einzelheiten des Auftrags besprachen, kontrollierte Anton in einer Art Automatismus die Übereinstimmung der Bohrungen in Felgen und Naben. Meine Bemerkung, das ich die Anzahl der Löcher bereits geprüft hätte, ignoriert er mit dem Hinweis, das ich nicht glauben würde, wie viele der bei ihm abgelieferten Ideen bereits im Ansatz  scheiterten, weil die Anzahl der Bohrungen für die Speichen in Felge und Nabe nicht übereinstimmte.

Das auch ich, in der Tat erst lange nach dem Kauf der Felgen und Naben auf die Idee gekommen bin, diese auf die Übereinstimmung der Bohrungen hin zu kontrollieren, behielt ich für mich. Stattdessen zog ich die Schultern hoch, um meine Ahnungslosigkeit zu demonstrieren und ließ seinen Hinweis ohne weitere schlaue Kommentare im Raum verklingen.

Nach Antons Einschätzung, sollten die Räder in etwa zwei Wochen fertig sein. Eine Zeitspanne, die ich auf Grund der von mir in der Vergangenheit gesammelten Erfahrungen als relative Größe betrachtete und entsprechend überrascht war, als die Räder nach Ablauf der Frist tatsächlich zur Abholung bereit standen.

Da sich die Auswahl an passenden Reifen mit zwei gebotenen Möglichkeiten sehr überschaubar gestaltete, wurde die Idee in der Front die schmalere Ausführung dieser beiden Möglichkeiten zu verbauen, zugunsten der Optik wieder aufgegeben. Mit dem breiteren Reifen im Heck wirkte das Hinterrad wesentlich größer und übte so einen negativen Einfluss auf die angestrebte Gesamtlinie aus.

Darüber hinaus fand sich im Vergleich zum hinteren Reifen, der für Geschwindigkeiten bis 150 Km/h zugelassen war, für den schmaleren Reifen keine Geschwindigkeitszulassung. Also wurde auch das Vorderrad mit dem breiteren Reifen versehen und die Optik damit wieder auf Linie gebracht.

Nachdem die beiden Räder zur Überprüfung des Sitzes in den Rahmen gehängt wurden, zeigte sich nicht nur deutlich, welch großen Einfluss die 23 Zoll Räder auf die Gesamtoptik nehmen würden, sondern auch, das die Abmessung des Hinterrad in Verbindung mit den kurzen, beim School Bar Atelier Swap Meet günstig erstandenen Showa Dämpfern eine Umgestaltung des Heckrahmens erforderlich machen würde.  

Wer sich in Bezug auf dass Einspeichen von Rädern unverbindlich über die Möglichkeiten und die damit verbundenen Kosten informieren möchte, findet alle dazu notwendigen Daten unter www.speichen-zentrum-niederrhein.de

Einen Bericht zum Speichenzentrum Niederrhein gibt es hier: Speichenzentrum

Text: Peter Su Markus  Fotos: Peter Su Markus / Frank Bick

Kostenrechnungsstand   Juni 2014
Rahmen Yamaha XS 650 mit Brief Ebay -     101,00 Euro
Motor + Vergasereinheit Yamaha XS 650 Ebay -     461,00 Euro
Wassell Tank Teilemarkt NY -       40,00 Euro
2 x 23 Zoll Vorderrad Honda XL 500 S Ebay   -       92,50 Euro
2 x Honda XL 500 S Radnaben Ebay +     38,50 Euro
2 x Kupplungs/Brems Hebel FK Swap Meet -       20,00 Euro
Vorderradnabe XS 650 FK Swap Meet -       35,00 Euro
Hinterradnabe XS 650 FK Swap Meet -       50,00 Euro
Fender FK Swap Meet -       10.00 Euro
Halteverbotsknolle Stadt Eindhofen -       95.00 Euro
Showa Stoßdämpfer SB Swap Meet -       75,00 Euro
2 x 23 Zoll Reifen Ebay -     112,00 Euro
2 x 23 Zoll Schläuche Ebay -       48,00 Euro
Kosten für das Einspeichen der Räder Speichen Z. N. -       350,00 Euro
Summe   1451,00 Euro