Das 2x23 Zoll Projekt /2

der Gasolin Alley
der Garage für angewandte Stressbewältigungstechniken, Tiefenentspannung und Metallmeditationen
In Zusammenarbeit mit
Frank Bick
und
freundlicher Unterstützung von:
Enrico De Sena - www.boss-performance-motorcycles.de
Dimitrios Georgoulas - www.spirit-leather.de
Hagen Jödecke - www.madeiradrive.de

Teil 2 - Der Tank

Grundlegende Gedanken zur Wahl des Tanks

"Wie kaum ein anderes Bauteil eines Projektes, nimmt der Tank einen Einfluss auf die spätere Linie eines Motorradumbaus!"

Wer sich bereits mit dem Umbau eines Serienmotorrades beschäftigt und dabei auch Hand an den Tank gelegt hat, wird die Erfahrung gemacht haben, dass mit der Umsetzung eines zunächst simpel scheinenden Entschlusses einen anderen Tank auf das Rahmenoberrohr zu setzen, dieser in der Folge die komplette Linie des Aufbaus beeinflussen wird.

Gerade wenn, wie im Falle des hier beschriebenen Projektes an den TÜV relevanten Rahmenteilen keine, die Geometrie beeinflussenden Veränderungen vorgenommen werden sollen, handelt es sich bei einer solchen Entscheidung schnell um einen Gedankenschluss der auch deutlich ins Negative ausschlagen kann.

Mit Blick auf die bereits vorhandenen Teile war festzuhalten, das es bei diesem Projekt außer einem Rahmen und einem Motor keine weiteren Originalteile gab, deren Verwendung bei der weiteren Planung berücksichtigt werden mussten. Damit stand die Überlegung einer möglichen Veränderung eines bereits vorhandenen Serientanks nicht zur Debatte und gab den sich allmählich entwickelnden kreativen Gedanken zur anvisierten Linie genügend Planungsfreiraum.

Wenn jedoch die Entscheidung gefallen ist, die Geometrie des Rahmens nicht zu verändern, dann scheinen sich im Falle einer XS auf dem ersten Blick zunächst kaum noch Möglichkeiten zur Frage einer Linien bestimmenden Stilrichtung anzubieten.

Sieht man sich in den diversen Foren zum Thema XS um, dann scheint dort die Gruppe der Cafe Racer, dicht gefolgt von den Befürwortern des Chopper Geistes an vorderster Front um eine Anerkennung innerhalb der XS Umbaugemeinde zu werben.

Da ich mich in Bezug auf das Projekt weder der Fraktion der Racer, noch der der soften Chopper zugehörig fühle, stand mir der Sinn eher nach etwas, das sich nicht sofort der Schublade einer der bereits definierten Stilrichtungen zuordnen ließ. Gerade weil mein Rahmen in der amerikanischen S Ausführung bereits einen Teil seiner Lebenspanne als halbgarer Softchopper fristen musste, wollte ich seine Räder nicht weiter in diese Richtung rollen lassen und mit der Entscheidung in der Front ein 23 Zoll Rad zu verbauen, wurde auch der zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Bereich der Hinterhofschrauberei extrem angesagten Stilrichtung des Bobbers, mit seinen kleinen Ballonreifen bereits im Vorfeld der Planung eine Absage erteilt.

Mit der Feststellung das sich das geplante Projekt in keine der bekannten Stilrichtungen würde einordnen lassen, erledigten sich auch alle Überlegungen, sich beginnend mit dem Tank einer dieser Stilrichtungen zu nähern, um sich an bereits bestehendem orientieren zu können.

"Mit dem Tank einer Sportster kannst Du nichts falsch machen, der passt immer!"

Nun, das mag im Grundsatz zutreffen. Doch die nicht zu überschauende Zahl vergangener und gegenwärtiger Umbauten die mit einem solchen Tank über die Straßen bewegt werden, lässt mich deutlich an der Kreativität der jeweiligen Erbauer zweifeln. Denn gerade weil ein Sportstertank für den Fall, das einem nichts Besseres einfiel immer passte, kam dieser Tank für mich in der Umsetzung meines Projektes nicht in Frage.

Leider führten auch die von mir in der Folge vorgenommenen Versuche mit diversen Moped und Mofatanks nicht zu dem gewünschten Ergebnis. Bei dem einzigen Tank, zu dem ich mich hätte durchringen können, handelte es sich um das im Bereich der Hinterhofschrauberei inzwischen ebenfalls gerne verbaute Spritfässchen einer Simson SR 2, das mit einer nahezu klassischen Tropfenform zu überzeugen weiß.

Falls sich nichts anderes finden sollte, würde es wohl der Simson Tank werden, auch wenn er mich nicht mit dem Gefühl eines "der oder keiner" für sich einzunehmen wusste. Auf der einen Seite würde er mit einer deutlichen Tieferlegung des Tunnels sicherlich ein ganz brauchbares Teil abgeben, auf der anderen Seite würde sich dieser Eingriff deutlich negativ auf das sowieso schon geringe Fassungsvermögen auswirken. Der für eine Simson durchaus ausreichende Spritvorrat, würde durch eine zusätzliche Verringerung des Fassungsvermögens den durstigen Paralleltwin aus dem Land der Sonne vermutlich alle 70 bis 80 Kilometer zu einem Boxenstop an die Zapfsäule zwingen. Ein Gedanke mit dem ich mich schwer anfreunden konnte und der letztendlich dazu führte die Augen weiterhin nach einer geeigneteren Alternative offen zu halten.

Gefunden wurde diese Alternative dann im Rahmen der Indian Larry Blockparty, die im September 2013 in New York stattfand. So wie der Tank am Stand eines Teilehändlers, von der Summe möglicher Käufer unbeachtet zwischen Öltanks, Rastenanlagen und Endschalldämpfern lag, schien es mir als hätte er nur darauf  gewartet, von mir für die lächerliche Summe von 55 Dollar ausgelöst und seiner neuen Bestimmung zugeführt zu werden.

In seiner Formensprache orientierte er sich an den in der amerikanischen Chopper Szene der 60ger und 70ger Jahren beliebten Wasselltanks und verfügte bereits über einen sehr tiefen Tunnel, mit dem er sich, eine dem Rahmen entsprechende Tunnelbreite vorausgesetzt, ohne weitere Veränderungen eng und tief an des Oberrohr der XS legen würde.

Seine Füllmenge würde den Aktionsradius des Projekts im Vergleich zum Simson Tank zwar nur unwesentlich erweitern, doch dafür besaß im Gegensatz zu den anderen Kandidaten meiner engeren Wahl das von mir angestrebte besondere Etwas, das einem unstet suchendem Auge das wohlige Gefühl vermittelt, am Ziel seiner Suche angelangt zu sein und damit allen möglichen Nachteilen zum Trotz, diese im weiterführenden Gedankenverlauf mit dem Status der akzeptablen Nebensächlichkeit belegte.

Umbau und Anpassung

Nachdem der Tank in der Gasolin Alley zur Probe seinen Platz auf dem Rahmenrohr eingenommen hatte, verflog auch der letzte Zweifel in Bezug auf die Wahl des Tanks. Er fügte sich in Form und Ausführung so Perfekt in die Linie des Rahmens ein, das nur noch kosmetische Veränderungen nötig sein würden um meinen kreativen Gestaltungsvorgaben zu entsprechen, nach denen zum Beispiel der Tankstutzen verkleinert und gleichzeitig versetzt angebracht werden sollte.

Ohne großes Zögern, besiegelte die Trennscheibe das Schicksal des ursprünglichen Tankstutzens. Die Flex beherzt angesetzt, landete das Teil nach wenigen Sekunden auf dem Garagenboden und hinterließ ein perfekt eingefasstes kreisrundes Loch im Tank und eine weniger perfekte hässliche Riefe die die Tennscheibe im Zuge einer, von Hektik getriebenen Übermotivation in das Blech getrieben hatte. Beides sollte sich mit Hilfe eines erfahrenen Schweißers sicherlich schnell und fachmännisch wieder beseitigen lassen.

Für die Aufgabe des Schweißens konnte mit Enrico De Sena, dem kreativen Kopf von Boss-Performance-Motorcycles eine der eher ungewöhnlichen Persönlichkeiten der deutschen Custom Szene gewonnen werden.

Enrico gehört inzwischen zu den festen Mitstreitern der Motorradphilosophen und so bedurfte es keiner großen Überredungskunst ihn für die Idee des geplanten Projektes einzunehmen. Da er Rahmen seiner eigenen Arbeiten ebenfalls den Weg eines kreativen Freigeistes verfolgt, erklärte er sich spontan bereit, das Projekt im Rahmen seiner Fähigkeiten nach Kräften zu unterstützen.

Das Umschweißen eines Tanks stellte dabei kaum eine echte Herausforderung für ihn dar und so lies er seiner theoretischen Unterstützungszusage umgehend Taten folgen. Ohne das übliche Gerede von "wenn und aber", traf man sich zu ein paar gemütlichen Stunden bei Kaffee und Benzingesprächen an seinem Schweißtisch, an dem er das Schweißen des Tanks sozusagen nebenher erledigte.

Als neuen Verschluss hatte ich einen alten Indian Larry Öltankdeckel aus der Restteilekiste der Gasolin Alley vorgesehen. Leider hatte der dazu passende Stutzen im Laufe der Jahre seine Verwendung an einem anderen Projekt gefunden oder war sonst wie unter die Räder gekommen. Das Problem löste Enrico indem er kurz den Riemen auf den Antrieb seiner Drehbank warf, um dem Deckel innerhalb einer knappen halben Stunde einen mit dem Tank kompatiblen Stahlstutzen zu verpassen und diesen Umgehend einzuschweißen. Das Anbringen einer außen liegenden Füllstandsanzeige betrachtete er ebenfalls als eine der leichteren Übungen und zeigte sich am Ende ob der Tatsache enttäuscht das an dem Tank nichts weiter zu erledigen war, um die Qualität seiner Arbeit, die zu diesem Zeitpunkt von allen Anwesenden bereits unbestritten anerkannt wurde, weiterführend unter Beweis stellen zu können.
fest.

Fotos: Frank Bick

Zur Person

Bei Enrico De Sena handelt es sich um einen, im positiven Sinne Besessenen. Das ihm als gebürtigem Italiener innerhalb seines Schaffens schnell das Blut in Wallung gerät, kommt den Ausdruck dieser Besessenheit zusätzlich zugute.

Besessen sein, das bedeutet für Enrico in seinen Visionen aufzugehen und sich mit ganzem Köper, Geist und Seele auf die Formensprache seiner Motorradaufbauten einzulassen und diese unter Einsatz seiner Fähigkeiten auf einen höheren Level zu heben.

Mit der Art, wie er die Geschichten seiner Aufbauten, der von ihm gefertigten Teile oder kleinster Problemlösungen zu vermitteln weiß, nimmt er einen Zuhörer nicht nur schnell für die Form seines Denkens ein, sondern bietet mit seinem offenen Erzählstil auch die Gelegenheit ihn auf eine Gedankenreise zu den von ihm gewählten Problemlösungen zu begleiten.

Zur Frage der zum gegenwärtigen Zeitpunkt als Massenware angebotenen Custom Tanks vertritt Enrico sehr eigene und doch nachvollziehbare Ansichten.

Ein Tank von der Stange, sprich aus dem Teilekatalog der großen Custom Teile Anbieter, hat für ihn wenig bis überhaupt nichts mit einem Custom Tank seiner Vorstellung zu tun. Und auch wenn er wie in unserem Fall einen Tank von der Stange umschweißt, hat diese Art der Arbeit  selbst wenn sie näher an seinem Interesse liegen mag, als einfach einen Tank aus dem Katalog zu nehmen und auf einen Rahmen zu schrauben, kaum etwas mit dem Geist seiner Vorstellung ursprünglichen Handwerks zu tun.

Für Enrico beginnt die Herstellung eines Custom Tank in der Regel mit einer Idee und einem flachen Stück Stahlblech das dieser Idee eine Gestalt verleihen soll und findet seinen Abschluss in Form eines Tankes, der sich harmonisch in das Gesamtbild eines Aufbaus einfügt und damit zu 100% seiner Vorstellung entspricht.

Darüber hinaus mag es Enrico wenn das ganze wie im Beispiel des Tanks seines Circus Maximus Aufbaus, an dem er seit einigen Jahren arbeitet und das nun kurz vor seinem Abschluss steht, eine Geschichte zu erzählen weiß. Bei der Betrachtung des Edelstahltanks fallen eine Reihe feiner Unebenheiten im Blech auf und es drängt sich der Verdacht auf, dass diese durch das Schweißen der Bleche entstanden sein könnten.

Spricht man Enrico darauf an, erfährt man dass sich diese Unebenheiten bereits vor der Wandlung der Bleche zum Tank im Material befanden. Bevor seine Hände die Bleche in die gewünschte Form trieben, leisteten sie ihre Dienste als Teile eines Edelstahlgrills. Die Dellen im Stahl betrachtete er beim Zerlegen des Grills als Zeugnis dieser Vergangenheit und so hat er sich lange mit der Frage beschäftigt, ob er diese Dellen beseitigen oder als Teil der Geschichte beibehalten sollte. Am Ende siegte die Geschichte der Bleche über Enricos Anspruch einer perfekten Verarbeitung und Oberfläche.

Was den Stil und die Marke eines Motorrades angeht, zeigt Enrico sich erstaunlich offen. Während die Ausrichtung angesagter Custom Bauer eindeutig in Richtung amerikanischen Eisens und in Ausnahmefällen auch in Richtung alter englischer Parallel Twins geht, scheut er sich nicht auch schon mal einer Honda oder Kawasaki mit Hilfe einer von ihm entwickelten GFK Tank und Sitzhöcker Kombination eine Cafe Racer taugliche Linie zu verpassen.

Anfragen zu individuellen Einzelanfertigungen und ausgefeilter Problemlösungen aller Art begegnet er ebenfalls aufgeschlossen und bleibt dabei in Bezug auf die Preisvorstellung seiner Arbeiten ungewohnt bodenständig.

Was dies bedeutet demonstriert er uns zum Ende unseres Treffens an Hand eines einfachen Rechenbeispiels. Im Handel würde unser Projekttank mit etwa 180,- Euro zu Buche schlagen. Ein neuer Tankstutzen liegt je nach Ausführung bei 80,- bis 150,- Euro. Die Einschweißarbeiten werden je nach Aufwand zwischen 100,- und 150,- Euro liegen. Wenn dann auch noch der Tunnel geändert werden müsste, würde es selbstverständlich teurer werden. Alles in allem würde der Preis für einen, auf diese Weise mit Individualität versehener Tank von der Stange bei 400,- bis 500,- Euro liegen. Die Preise eines von ihm in Handarbeit gefertigten Einzelstücks beginnen ebenfalls bei 500,- Euro und bieten damit sicherlich eine überlegenswerte Alternative zur handelsüblichen Massenware.

Wer nun neugierig geworden ist und sich von Enrico unverbindlich über die Möglichkeiten und die damit verbundenen Kosten informieren möchte, findet seine Kontaktdaten unter www.boss-performance-motorcycles.de.

Kostenrechnung:

23 Zoll Vorderrad einer Honda XL 500 S (eBay) - 45,00
Verkauf der Radnabe (eBay) + 20,00
XS 650 Rahmen mit Brief (eBay) - 101,00
XS 650 Motor mit Vergasereinheit (eBay) - 461,00
Tank 55 Dollar (Teilemarkt in New York) - 40,00
Bisherige Gesamtkosten 627,00