Wie wäre es, wenn der Weg den Weg bildet und das auf diesem WeDg gesehene das Ziel ist. Würde man dann nicht mit jedem Blick eine Geschichte schreiben?
Es heißt, dass die amerikanische Flagge als Symbol für die Kraft des Landes und den Zusammenhalt seiner Menschen niemals den Staub des Bodens berühren darf. Eines der ersten Dinge, die in den 90ern während meines ersten Besuchs in den USA in den Gedanken an eine Suche nach geistigen Werten berührte, war eine kleine Flagge, die ich in den Trümmern eines Abrisshauses in den Straßen von San Francisco sah. Im Licht der Nachmittagssonne strahlte sie mich aus genau dem Staub an, in dem sie eigentlich nie hätte liegen dürfen. Wie und warum sie ihren Weg in den Staub gefunden hatte, sollte sich mir nicht erschließen. Sie machte mir allerdings deutlich, wie viel den Menschen ein Symbol bedeuten und wie fragil es in seiner Bedeutung werden kann, wenn sich in der Wahrnehmung der Menschen die Gewichtungen verschieben. Damals kletterte ich unter den Augen kritischer Passanten über den Bauzaun, stieg in die Grube und setzte mich neben die Flagge in den Staub. Dann nahm ich sie in dem Bewusstsein an mich, das sie solange sie sich in meinem Besitz befindet, niemals mehr den Staub des Bodens berühren wird.
Traut man den Unheilbeschwörungen, die seit der Wahl des neuen, vermeintlich mächtigsten Mannes, der vermeintlich mächtigsten Nation der Erde, durch die sogenannten sozialen Netzwerke geistern, dann befindet sich der Untergang der Menschheit wieder einmal in greifbarer Nähe. So wie es aussieht, hat sich die knappe Mehrheit der US Amerikaner dazu entschlossen, einen extrem polarisierenden Mann für einen klar umrissenen Zeitraum und der Möglichkeit auf eine ebenso klar umrissenen zweite Amtszeit in die Position des nationalen Führers der vermeintlich mächtigsten Nation der Erde zu wählen und damit, nach Ansicht mehr oder weniger schlauer Köpfe nicht nur den Abgesang der USA zu besiegeln, sondern auch die Werte der restlichen freien Welt in eine deutliche Schräglage zu versetzen.
Für unzählige Menschen, die sich nicht in der USA befinden und auch in absehbarer Zeit keine Reise in die USA geplant haben, verbietet sich eine Reise in die USA im Augenblick von selbst. Der knappen Minderheit, die dem Präsidenten ihre Zustimmung verweigerte bleibt der Wunsch und der damit verbundene Vorsatz, den USA so schnell wie möglich den Rücken zu kehren. Die sogenannten sozialen Netzwerke quellen für einen, an der menschlichen Geschichtsspanne bemessen, bedeutungslos kurzen Augenblick über vor geistreichen und auch weniger geistreichen Beiträgen zum bevorstehenden Untergang. Doch ungeachtet der Tatsache, dass es inzwischen kaum wichtigeres zu geben scheint, wie, wem, wann oder vielleicht auch nicht, der vermeintlich mächtigste Mann der Erde einem der anderen vermeintlich mächtigen Frauen und Männer der Erde den Arm aus der Jacke schüttelt, ist der prognostizierte Untergang bislang ausgeblieben und das Leben weitergegangen.
Hier und da werden Kleinlaster von religiösen Fanatikern in Menschenansammlungen gelenkt, brennen Hochhäuser oder fallen Fabriken zusammen. Der Blick auf die Mensch gemachten Tragödien und den damit verbundenen Ängsten, die sich seit der Wahl ereigneten, lässt den Mann im Weißen Haus auf die Größe einer, skurril anmutenden Witzfigur im Stile eines Alfred E. Neumann schrumpfen.
Diejenigen, die so großkotzig das Emoji ihres politischen Entsetzens in die unendlichen Weiten der sogenannten sozialen Netzwerke rotzten und mit geschwellter Brust in das Horn des unbedingten Reiseboykotts gestoßen haben und dann doch gefahren sind, widmen sich im wohligen Rausch ihres Entsetzens längst anderen Themen und auch die Masse der A, B und C Prominenz, die das Land der unbegrenzten Möglichkeiten auf dem kürzesten Wege verlassen wollten, sieht sich zu ihrem und wohl auch zu unserem Glück nicht in der Pflicht ihren Worten Taten folgen zu lassen.
Es wird halt viel geredet in der Welt und den sogenannten sozialen Netzwerken und wenn der vermeintlich mächtigste Mann der Erde seine vermeintlich wirren Gedanken über Twitter unters Volk bringt, ohne Ergebnis orientiert daran gemessen zu werden, warum dann nicht auch der vermeintlich Schlaue, der vermeintlich politisch Entsetzte, der vermeintlich menschlich Enttäuschte, von der Masse der vermeintlich Verwirrten ganz zu schweigen.
Ich gehe mal davon aus, dass der Beitrag an diesem Punkt das Interesse derjenigen verloren haben dürfte, die sich nur noch auf plakative Überschriften und das Leben weich zeichnende bunte Bilder konzentrieren und wir uns damit neuen Perspektiven und Standpunkten zuwenden können ohne zu überfordern.
Wenn man bedenkt, dass der Niedergang der konsumorientierten Werte westlicher Gesellschaften besiegelt schien, wird man bei einer pragmatischen Beurteilung der Ereignisse feststellen, dass sich in den ersten Wochen und Monaten nach der Wahl allen Befürchtungen zum Trotz kaum etwas in Richtung Niedergang bewegt hat.
Die Erde hat nicht aufgehört sich zu drehen und möglicherweise nimmt sich der auf das eigene Ego fixierte Teil der Menschheit in der Tragik der ihm aufgebürdeten Geißel aus dem Weißen Haus einfach nur etwas zu wichtig. Wenn ich mich dem mich umgebenden Geschrei der Masse zur Betrachtung meiner eigenen Lebensprämisse für den kurzen Augenblick einer alles klärenden Ruhe entziehe, dann stelle ich fest, dass der scheinbar mächtigste Mann der Erde zwar das Potential besitzt über seine wirren Ankündigungen und den, mit diesen Ankündigungen einhergehenden Übersprungshandlungen die Gedanken unzähliger sozialer Netzwerker in tiefe Düsternis zu tauchen, im realen Leben jedoch kaum über die Allmacht verfügt, die mir aus wie auch immer gearteten Interessensgrundlagen heraus glauben gemacht werden soll.
Von einem - America first -, zu einem - Ich zuerst - ist es nur ein kleiner Schritt und auch wenn es sehr plakativ scheint, spricht der Mann aus dem Weißen Haus mit seinen Parolen unzähligen Stammtischsitzern auf der Welt aus der Seele. Gleichzeitig dürften jedoch die Stunden der offen zur Schau gestellten braunen Hemden und weißen Kapuzen gezählt sein.
Damit befinden wir uns in einem, an Ernsthaftigkeit zunehmenden Zustand gesellschaftlicher Umbrüche von globaler Bedeutung. Ein Zustand, der nicht nur Neugier weckt, sondern auch verfolgt werden will und wo ließe sich diesem Zustand besser folgen, wenn nicht auf dem Boden seines Ursprungs. Nun ist es nicht so, dass ich zum ersten Mal in die USA reise. Doch während ich in der Vergangenheit meinem Weg in Richtung eines übergeordneten Ziels folgte und dabei wenig Zeit für die Dinge blieb, die mir rechts und links des Weges begegneten. Will ich mich auf dieser Reise vollständig dem Bedürfnis eines bewussten Sehens widmen.
Und auch wenn es sich sicher um die letzte Reise handelt, die ich unter diesen Umständen unternehme, lohnt es, sich auf den Weg zu begeben, um sich vor Ort ein eigenes Bild zu machen und nichts anderes will ich mir in den vor mir liegenden Wochen und Monaten machen. Das Bild eines Landes und seiner Menschen im Jahr 2017.
The Americans Seventeen
Peter Su Markus