Es gibt Orte, die bereits über ihren Name etwas in Schwingung versetzen. Niagara ist einer dieser Orte. Ich kann mich daran erinnern, ihn seit meiner Kindheit aus irgendeinem schwarz/weiß Film zu kennen. Ich weiß natürlich etwas über die Fälle und seiner unmittelbaren Nähe zur kanadischen Grenze. Und ich weiß, dass dieser Ort gerne von Paaren besucht wird.
Dass der Ort offensichtlich auch eine Anziehung auf Inder ausübt, wusste ich nicht. Nun fehlt mir der Partner, dafür bin ich von zahlreichen Indern umgeben. Als ich an den Rand der Fälle trete, ist mir klar warum man gerne in Gesellschaft besucht. Sie bieten einen Anblick, der geteilt werden möchte und es fällt schwer das sich hier bietende Schauspiel, einfach nur zu schweigend betrachten.
Dass sich Menschen vom Rand der Fälle auf eine andere Ebene begeben, kann ich ebenfalls verstehen, obwohl es nicht mein Ding wäre. Wie bei vielen anderen Orten in den USA, die eine durchaus gebotene Gefahr für Leib und Seele darstellen, ist der direkte Zugang zum Rand der Fälle kein Problem. Allerdings sollte man wohl nicht zögern und auch nicht nach unten sehen.
Um sehen, was einen unten erwartet, genügt ein kurzer Blick über den Rand. Ich kann nicht genau sagen, wieviel Meter es bis nach unten sind, aber die schroffen Felsen am Grund der Fälle sprechen eine klare Sprache. Wer hier ins Wasser und über den Rand geht, kann sicher sein das danach nichts mehr kommt.
Ohne es zu wissen, bin ich dem Fluss bei der Anfahrt zu den Fällen bereits eine ganze Weile gefolgt. Ich habe die Schiffe beobachtet und mich ein wenig an den Rhein erinnert gefühlt. Das Gefühl, nun am Rand der Fälle zu stehen und mit anzusehen, wie der komplette Fluss im Nichts verschwindet, während sich die Menschen um mich herum damit beschäftigen sich mit ihren Handys selbst zu fotografieren, dabei die Fälle zum bloßen Hintergrund degradieren und sich auf der kanadischen Seite ein Riesenrad langsam vor sich hin dreht, ist mit Worten kaum zu beschreiben.
In Gedanken zücke ich bereits meinen Stift, um die magischen Orten auf meiner Liste um einen Eintrag zu erweitern und beobachte dabei den traurig wirkenden Mann, der zwei Bänke weiter in Gedanken versunken, auf den Rand der Fälle schaut.
Niagara
Peter Su Markus