Royal Enfield Himalayan unterwegs
Vom Großroller zur Royal Enfield Himalayan!Reise- und Fahrbericht von Jürgen Koch
08.03.2017
Es war schon lange mein Traum gewesen auf einer Royal Enfield tuckernd in Indien meine Kreise zu ziehen, denn als junger Kerl war ich 1976 einmal in Indien auf Montage und da fielen mir die Motorräder auf: Die Royal Enfields - wie die AWO zu Hause und die Yezdi - wie die Jawa aus der Tschechei.
Seitdem ist viel Zeit vergangen, der Traum lebte immer noch.
Nun im Oktober 2016 sollte es soweit sein, mir schwebte Südindien vor, oder Goa, keinesfalls eine Himalaya-Tour nach Ladakh und Leh oder auch keine Tour durch Rajasthan.
Über diverse große Maschinen (BMW R80 RT, BMW K100 und Honda Paneuropean) bin ich seit Jahren nun bei einem Suzuki Burgman 650 gelandet und sehr zufrieden mit meiner Wahl, habe aber demzufolge keinerlei Erfahrungen mit Feldwegen, schlechtester Wegstrecke, Wasserdurchfahrten und ähnlichen in Europa seltenen Hindernissen.
Ich war auf Oktober 2016 festgelegt - und da gab es keine Reisen im Angebot wie ich sie gewünscht hätte! NUR eine Reise durch Sikkim und Bhutan. "Wir fahren nur auf asphaltierten Straßen" hatte das Werbematerial des Reiseveranstalters geworben, was sollte da schief gehen?
Und das mystische Land Bhutan hatte mein Interesse schon lange geweckt. Also gebucht und am 30. September losgeflogen.
Wenn man von Leipzig über Zürich nach Neu Delhi fliegt bekommt man einen schönen Eindruck von der Schweiz….und da fiel mir ein: Taschenmesser vergessen!
Nach einer Nacht in Neu Delhi ging es am anderen Tag weiter nach Bagdograh in West Bengalen, alle anderen Reiseteilnehmer und der Reiseleiter waren schon da und erwarteten mich. Mit einem Kleinbus ging es weiter nach Siliguri, dem Ausgangsbahnhof für die berühmte Darjeeling Kleinbahn, erbaut von den Engländern von 1879 bis 1881, heute wird sie nur noch auf den letzten 30 Kilometern als Touristenattraktion benutzt, Spitzname "toy train".
Der Blick aus dem Hotelzimmer in Siliguri war schon toll, in Reih und Glied standen die Maschinen und warteten auf uns, sehr zu meiner Überraschung keine Bullets sondern fast fabrikneue Royal Enfield Himalayans, gerade mal 3500 km auf dem Tacho, nie etwas davon gehört!
Hier die Pracht und ein Blick in unser Begleitfahrzeug. Eine kurze Runde am Nachmittag zum Kennenlernen der Maschinen und am nächsten Morgen ging es los.
Eine schöne Fahrt von Siliguri nach Darjeeling, inklusive einer Straßensperre wegen eines wilden Elefanten auf der Straße. Natürlich haben wir uns den Bahnhof in Darjeeling angesehen und die alten Dampfloks, so entstand das Bild wo alte und neueste Technik dicht beieinander sind.
In unserem Hotel haben wir mächtig Eindruck gemacht mit dieser Parade der neuesten Modelle und mußten mehrfach als "Fotomodelle" herhalten.
Unser Tourguide Tenzin aus Thimpu in Bhutan zeigte uns interessante kleine Lokale mit Spezialitäten, hier sind es gebratene "Momos", die Italiener würden Ravioli sagen,
die Chinesen Tiautse und die Schwaben halt einfach "Maultaschen"!
Nach dem Sightseeing in Darjeeling speisten wir in einem sehr schönen historischem Lokal und ich bestellte meinen Favoriten: Tandoori Chicken!
Es war bedeckt, leicht regnerisch und von den Bergen nichts zu sehen. Am nächsten Morgen wollten wir um vier Uhr mit dem Auto aufbrechen um am Tiger Hill den Sonnenaufgang zu erleben, keine guten Voraussetzungen. Ich ließ mich jedoch als einziger der Reisegruppe nicht abhalten an diesem Ausflug teilzunehmen und wir hatten großes Glück, sternenklare Nacht!
Es war ein schöner Sonnenaufgang unter Hunderten von Menschen, jedoch spektakulärer war der Anblick des Kanchenjunga (Kangchendzönga 8586 m) in der Morgensonne und etwas später der Anblick desselben vom Hotel aus.
Dermaßen verwöhnt konnte es nun weiter gehen. Auf verschlungenen Pfaden bergauf und bergab, entlang eines Flusses auf einer nicht mehr existenten Straße 30 Kilometer nur Baustelle, Schotter, Löcher, Lehm und Pfützen. Anfangs heiß und staubig, später regnerisch, naß und schmierig. Ohne Blessuren bei sinkender Nacht das Tagesziel erreicht und toll gewohnt.
Wir schraubten uns auf 2100m Seehöhe hoch, sehr angenehmes Klima bei der Mittagsrast und durch herrliche Pinienwälder ging es wieder abwärts bis zu einem Stop am berühmten Teemi Tea Garden, beeindruckend die Hänge voller Teesträucher, beeindruckend auch die Vielfalt des auf der ganzen Reise immer wieder angebotenen Tees, es dominierte zwar der "Tschai", der süße Tee mit Milch, aber als Teeliebhaber bin ich voll auf meine Kosten mit anderen leckeren Zubereitungen gekommen.
Bei einer solchen Rast gab es auch eine kleine "Reparatur", ein verbogener Bremshebel wurde mit einem Brett als Unterlage und einem zweiten als "Hammer" gerichtet und wieder montiert.
Unser Weg führte uns wieder talwärts und wir überquerten die Coronation Bridge, eine Bogenbrücke aus dem Jahr 1937, eine von zwei Brücken, welche die weiter östlich liegenden Landesteile erschließt, ein neuralgischer Punkt also.
Unsere sehr schöne Bungalow-Hotelanlage in Rumtek war leider nur über eine 100 Meter lange Schlammdurchfahrt zu erreichen…und dann hörten wir vom Wirt, daß er über mangelnde Besucherzahlen klagt! Eine Idee hätten wir schon gehabt dies zu ändern!!!
Von unserer Bungalow-Hotelanlage in Rumtek hatten wir diesen spektakulären Blick auf das erleuchtete Gangtok, die Hauptstadt Sikkims.
Ganz unten am Bildrand unsere Maschinen dem Regen trotzend.
Am nächsten Morgen beim Besuch des berühmten Klosters in Rumtek mußten auch wir dem Regen trotzen.
Ein Erlebnis ist der tägliche Tankstellenbesuch, in Reih und Glied wartend wird einer nach dem anderen bedient, die Uhr läuft weiter und am Ende zahlt unser Reiseleiter die Zeche.
Sehr angenehm auch die Art des Fahrens, keine strenge Kolonne, sondern es gab immer klare Ansagen wie z.B. etwa 20 km die Straße entlang und dann an der Abzweigung nach rechts, oder so ähnlich. Nun ja, manchmal gab es auch mehrere Möglichkeiten, also stehen bleiben und auf das Begleitfahrzeug warten, es fährt immer als letztes Fahrzeug der Gruppe. Also stehe ich am Straßenrand und warte! Zwischendurch kommt ein indischer Motorradfahrer und sagt mir daß die große Gruppe weiter unten eine andere Abbiegung genommen hat, ich solle aber hier warten, sie kämen gleich alle, zwar aus einer anderen Richtung als ich, aber das ist ja kein Problem.
Nach 5 Tagen in Darjeeling und Sikkim bergauf und bergab, einer Kurve nach der anderen fahren wir nun durch die Brahmaputra-Ebene in Assam auf einem Highway, einer guten Asphaltstraße, der bhutanesischen Grenze entgegen. Welch ein Gefühl! Geradeaus auf guter Straße und nun auch mal im 5.Gang rasante 80, stellenweise noch rasantere 100km/h! Welch ein Luxus!
Wir legen eine Teepause ein und treffen indische Motorradfahrer, denen wir noch sehr oft begeben sollten, sie haben das gleiche Ziel, und wagen einen Blick in die Küche!
Beim Grenzübertritt Indien - Bhutan gibt es keinerlei Kontrollen! Einfach durch ein reich geschmücktes Tor fahren und dann sind wir da. Abends melden wir uns bei der Ausländerbehörde an und werden fast erkennungsdienstlich erfaßt!
Welch ein Unterschied zwischen dem indischen Jaigon (indischer Teil der Doppelstadt) und dem bhutanesischem Phuentesholing (bhutanesischer Teil der Doppelstadt), fast wie Tag und Nacht!
Gleich hinter der Stadt geht es sofort in die Berge, und genau hier an der Ausfallstraße stehen die strengen Kontrolleure, kein Vorbeikommen ohne gültige Papiere, so wird das also geregelt mit der Grenzkontrolle. Damit hat man in der Stadt einen uneingeschränkten Handel.
Am ersten Aussichtspunkt ergibt sich ein fantastischer Blick auf die Ebene.
Auf schöner Straße geht es hoch auf etwa 2100 m Höhe und wir fahren nach Paro, der Stadt mit dem einzigen internationalen Flughafen Bhutans. Bei Einfahrt in die Stadt entdecken wir einen Sportplatz wo gerade ein Bogenschießtraining stattfindet, wir wenden unsere Maschinen und fahren dahin. Auf eine Distanz von 140 Metern wird auf eine kleine Scheibe geschossen, selten daneben, dann aber mit viel Spott der anderen Sportfreunde. Interessanterweise wird "hin und her" geschossen, auf beiden Seiten steht eine Scheibe, und neben der Zielscheibe gibt es Schutzmauern für die Aktivisten.
Sehr auffällig in Bhutan sind die wunderschönen Häuser mit tollen Holzarbeiten und farbenfroher Bemalung. Strenge Regeln sorgen für ein geordnetes Baugeschehen,eine Augenweide für den Fremden.
Und hier fällt sofort auf: jeder hat ein Handy und kostenloses WLAN in Gaststätten, Hotels und Cafes ist eine Selbstverständlichkeit. Da habe ich mich manchmal gefragt wer eigentlich das Entwicklungsland ist??
Selbstverständlich stand in Paro ein Ausflug zum berühmten Tigernest-Kloster auf dem Programm, ein mühevoller Aufstieg über 600 Höhenmeter bei einer Ausgangshöhe von 2000 m Seehöhe.
Ich verzichtete auf diese körperliche Herausforderung und schwang meinen 65 Jahre alten Körper lieber auf die Himalayan und fuhr das Tal bis zum bitteren Ende weiter, also bis zum Ende der Asphaltstraße und entdeckte so manche Schönheiten in Natur und im Technikdesign!
Abends haben wir in einem sehr schönen Hotel logiert.
Immer beim Wechsel in einen anderen Regierungsbezirk gibt es grandiose Eingangstore und Bilder des Königspaares sind genauso allgegenwärtig wie in der ehemaligen DDR die Bilder vom "Erich" und "Willy", auch bei solch einem Wechsel wird wieder streng kontrolliert.
In Thimpu, der Hauptstadt, gab es viel zu sehen. Es ist übrigens die einzige Hauptstadt eine Landes OHNE Verkehrsampel, dafür sind die den Verkehr regelnden Polizisten bekannt für ihre artistischen Künste.
Hinter Thimpu geht es bergauf zum Paß Dochu La 3150 m hoch.Dort gab es an einer Bullet ein Malheur, der Fußbremshebel war durchgebrochen und heruntergefallen.
Ein Problem für die Fahrerin, jedoch weniger für den indischen Techniker, halbe Stunde später alles wieder okay.
Bis hier zeigte sich Bhutan von seiner schönsten Seite was Straßen und Verkehr betrifft, doch dies änderte sich nach wenigen Kilometern und sollte uns die nächsten Tage tüchtig zum Schwitzen und bis an den Rand der Erschöpfung treiben.
Die einzige Verbindungsstraße zwischen West und Ost, die Straße zwischen Thimpu und Trashigang wurde auf Regierungsbeschluß in ihrer gesamten Länge von 500 Kilometern einer Erneuerung und Verbreiterung unterzogen, aber die Abrissarbeiten hatten gerade begonnen, fertige Abschnitte gab es noch nicht!
Die Highlights waren "alte" Straßenabschnitte ohne Baubeginn, da konnte man noch normal 40-60 km/h fahren, es gab aber nur noch ganz wenige. Und zu allem Überfluss begann es zu regnen, einmal auch 36 Stunden Dauerregen! Die unbefestigten Straßen (abgetragene Schwarzdecke) wurden wie Schmierseife, die Pfützen immer größer und breiter und die Anzahl der Erdrutsche immer größer.
Am schlimmsten empfand ich die Fahrt vom Bhumtang-Tal nach Mongar, das sind 175 Kilometer.
Nach dem Start ging es stetig nach oben auf den 3590 m hohen Shertong La Paß zu. Es regnete heftig, es wurde immer kälter und am Morgen hatten wir eine falsche Einschätzung zur Kleiderwahl getroffen, zu gut Deutsch: einige von uns durch bis auf die Haut!
Wir hielten an einem Gasthaus an, holten die Koffer aus dem Begleitfahrzeug und zogen frisches und dickes Zeug an sowie alle Regenklamotten, die verfügbar waren. Es gab Tee und warme Suppe und beim Anblick von den drei Indern, die auf gleicher Strecke ebenfalls mit Motorrädern unterwegs waren, ging es uns noch richtig gut. Sie mußten sogar ihre Geldscheine trocknen!!
Nach passieren der Paßhöhe im dichten Nieselregen wurde es immer unwegsamer, der 1. und maximal 2.Gang stark untertourig waren angesagt, es ist erstaunlich wie gutmütig dieser Motor ist und wie weich die Kupplung greift.
Vor uns rutschte ein Berg ab und versperrte die Straße, unbeschreiblich Erdmassen "fließen" zu sehen! Interessanterweise waren an neuralgischen Punkten immer Baumaschinen in der Nähe, die Geröll und Erdmassen" eine Etage tiefer" schoben, selbst auf die Gefahr hin die evtl. nach der Kehre darunterlegende Straße zu verschütten. Dieses Szenario habe wir life erlebt, die Felsbrocken von "oben" lagen dann "unten" auf der Straße, für uns Motorradfahrer kein Problem, wir paßten durch, aber die Autofahrer mußten auf den Bagger warten, der von oben kommen mußte.
Wir benötigten für diese 175 Kilometer 10 Stunden!
An einem Tag habe ich mir die Mühe gemacht und habe nach der Mittagspause allein zwanzig Schlammdurchfahrten gezählt. Echte Cross- oder Endurofreaks hätten ihre wahre Freude gehabt, ich als "gestandener Rollerfahren" hatte echte Manschetten und mußte alle Konzentration aufbringen nur auf die Straße zu schauen, und nur dorthin! Somit leider von der schönen Natur nur wenig gesehen - aber ich habe nur einmal den fremden Boden küssen müssen, erschöpft am Abend einfach "umgefallen" in einer Linkskurve bergauf auf Geröll und Schlamm.
Es gab auch mehrere Wasserdurchfahrten durch reißende Bergbäche, interessant was so alles mit diesem Motorrad und seinem großen 21 Zoll Vorderrad so alles möglich ist!
Da hilft dann am Abend ein natürliches "Heilmittel" über die Strapazen hinwegzukommen und dem Tag etwas Schönes abzugewinnen!
Am vorletzten Tag der Reise erreichten wir Trashigang, die östlichste Stadt unserer Reise und stellten unsere Motorräder parademäßig auf dem zentralen Platz ab. Im Nachhinein ist mir klar welche Aufmerksamkeit dieses neueste Modell bei den Bewohnern erzeugte, YouTube ist ja geradezu "voll" von Lobgesängen, Tips und Erfahrungen mit dieser neuen Maschine in Indien, sie ist ja auch gegenüber der alten Bullet "wie vom anderen Stern" und ausländische Modelle spielen ja eine völlig untergeordnete Rolle dort.
Ein großes Lob an dieser Stelle an unseren unermüdlichen Naresh, den Techniker und Monteur aus Neu Delhi, früh morgens startete er jede Maschine und ließ sie ein wenig warm laufen, bis der Choke eingeschoben werden konnte. Eine Technik, die die indischen Vergasermodelle besitzen, die nach Europa importierten Modelle werden eine Einspritzung haben und auch ABS.
Der letzte Tag meinte es gut mit uns, Sonne, warm und gute Sicht, wir haben nun endlich auch mal einen schneebedeckten Gipfel gesehen, leider nur sehr klein am Horizont, kaum sichtbar auf dem Foto.
Überall an den Straßen stehen große, gelbe, gemauerte Hinweisschilder mit sehr sinnvollen Sprüchen, diese würden auch nach Deutschland passen!
Zur letzten Mittagsrast setzen wir "Senioren" der Reise auf einer Bank, zusammen bringen wir es immerhin auf 195 Jahre Lebenserfahrung und mindestens 135 Jahre Motorrad-Erfahrungen!
Natürlich haben wir auf dieser Reise auch interessante Bauwerke gesehen, interessante Menschen getroffen sowie interessante Sitten und Gebräuche erlebt. Hier in diesem Bericht stand jedoch das Motorraderlebnis im Vordergrund.
Es war ein sehr nachhaltiges Erlebnis mit "Folgen"!
Im Mai wird meine neue Royal Enfield Himalayan in weiß mit Alukoffern geliefert!
Ich hätte nie gedacht daß sich zu meinen fünf Zweirädern mit Motor nun noch ein neues dazugesellt, und dann "so eines"!
Ich bin als Student in den frühen 70-er eine Touren AWO von Simson gefahren, jetzt habe ich eine als Oldtimer in Nutzung, die Himalayan wird meine "moderne AWO" werden denn die beiden Maschinen sind sich ähnlicher als man vermuten mag, beide Langhuber mit kernigem Sound, beide gutmütig und beide keine "Rasermodelle".
Das wird interessant in diesem Jahr.
Vielleicht bildet sich dann in Deutschland ein Ableger der indischen "THT"- Gruppe, der
"The Himalayan Tribe", die ja fleißig bei YouTube unterwegs sind.
In diesem Sinne:
Allzeit gute Fahrt!
Jürgen Koch
aus Bad Klosterlausnitz
e-Mail an Jürgen