Mopedclub Neumühl / Motorrad- und Mopedausstellung
Text und Fotos Frank Bick 22.06.2019In Insiderkreisen kursiert in diesem Jahr ein neuer Geheimtipp, der dank der Kraft von Social Media längst nicht mehr wirklich geheim ist. Auch im kostenfreien Syburger konnte man bereits lesen, an der Grenze Duisburg / Oberhausen gibt es ein neues Motorradmuseum. Jeden 3. Sonntag des Monats öffnet es seine Tore und gibt den Blick auf die beeindruckende Sammlung von Peter Wedig frei. Der Chef einer Bau- und Möbelschreinerei hat im Laufe der letzten Jahrzehnte Motorräder gekauft, restauriert und sorgsam trocken gelagert. Manche kosteten nur 100 Euro, er bekam sogar einige geschenkt. Den Ursprung seiner Gesinnungen findet man bei Josef Wedig, der mit einer auch in der Ausstellung stehenden NSU Quickly mit Anhänger, die bald in die dritte Generation gehende Schreinerei begründete. Motorradfahren und Schreinern ist die Passion der Wedigs. Der gestandene Unternehmer Peter sammelt die Fahrzeuge nicht als Statussymbol oder als Geldanlage, sondern weil er Zeit seines Lebens Motorrad gefahren ist. Motorräder sind seine große Leidenschaft und er fand in der Sammlung einen Rückzugsort von dem Alltag in der Schreinerei. Und wie wir alle wissen, Motorräder machen Männer glücklich. Nicht das Haben, sondern der Weg sind Peters Ziel. Jeder Neuzugang wird mit Unterstützung von Vereinskollegen fahrfähig gemacht, gegebenenfalls ein wenig restauriert. Ein klassisches Zweirad-Museum wurde hier aber nicht erschaffen. Unter diesem Begriff erwartet man eher rostiges Zeug, Schmuddelecken, alte Lederkappen und stinkende Ersatzteile aus anderen Jahrzehnten. All das gibt es hier nicht. Die Ausstellung von über 200 Motorrädern und Mopeds ist sauber, geruchsfrei, die Wände leuchten frisch gestrichen. Damit die weißen Stellen nicht zu kalt wirken, durften sich Sprayer aus der Region, bewaffnet mit Hunderten Dosen Farbe und fast ebenso vielen Dosen Bier nach Vorstellung von Peter an den Wänden austoben. Sexy Mädels, Motorräder und die heimische Industrie geben der Ausstellung einen würdigen Rahmen und dürften exakt den Geschmack der Besucher treffen. Bleibt die Frage, wofür solch eine Ausstellung eigentlich gut ist?
Die Ausstellung ist Sitz des vor Jahrzehnten gegründeten Vereins HMSV Duisburg e.V., was ausgeschrieben Historischer Motor Sport Verein Duisburg e.V. bedeutet. Peter ist 1. Vorsitzender des Vereins, der auch bei meinem Besuch anwesende Paul Ziehs ist der Präsident. Früher organisierte der Verein Rennen auf Holzbahnen und am Flugplatz Schwarze Heide. Die veränderten Bestimmungen machten solche Unterfangen jedes Jahrzehnt aufwendiger, die Mitglieder kamen in die Jahre, der älteste Teilnehmer ist über 90 Jahre alt. Mit der Sammlung von Peter bekam der Verein ein neues angemessenes Betätigungsfeld und Peter den notwendigen gemeinnützigen Rahmen, denn die Sammlung soll keine Gewinne erwirtschaften. Die aktive Unterstützung, ohne die solch eine Ausstellung nicht zu machen ist, kommt von den Mitgliedern des Mopedclub Neumühl, in welchem auch Peter und Paul tatkräftige Mitglieder sind. Im Mopedclub der Duisburger geht es in erster Linie um 50cc Fahrzeuge aus unseren Jugendjahren. Es werden Touren gefahren, Ausstellungen organisiert. Dieses Dreigestirn von Sammlung, Verein und Club ist eine Fügung des Himmels für Motorradfahrer die aus den 50er, 60er und 70er Jahren stammen, denn sie ermöglicht eine Zeitreise in deren Jugendzeit.
Die Ausstellung in der kompakten Halle befindet sich auf 2 Ebenen, wobei oben Mopeds wie Kleinkrafträder und unten Motorräder dicht an dicht stehen. In jedem Besucher, der an diesen Reihen entlang flaniert, werden zwangsläufig unzählige Erinnerungen aus der wilden Jugendzeit wach. An den Öffnungstagen erzählen einige 60-jährige Männer ihren Frauen, Freunden, Kindern oder Enkeln Geschichten von damals. Wer das Glück hat, mit Peter eine Runde zu drehen, erfährt die spezielle Geschichte von so gut wie jedem Motorrad. Der Mann hat etwas zu erzählen und trägt Geschichten humorvoll in Duisburger Manier vor, immer ein Schmunzeln im Anflug.
Die Treppe zu den Mopeds hinauf erwartet den Besucher die NSU Quickly mit Anhänger von der einst mobilen Schreinerei des Vaters. Ältestes Fahrzeug der Ausstellung ist eine Urania Ki120 von 1934, einst gefertigt in den Paul Tanner Werken in Cottbus und ein gern gesehener Gast in diversen Kriegsfilmen. Ein Laverda Moped aus den 60-iger Jahren fällt besonders durch Scheibenbremsen und Kunststofftank auf. Hier nahm die Geschichte solcher Komponenten ihren Anfang. Vorbei an dem schicken Retro-Renn-Bike Honda Dream 50 R fällt der Blick auf eine „Blechbanane“. Die legendäre Victoria Typ 115 wurde von 1961 bis 1965 gebaut. Es gab baugleiche Modelle von DKW mit dem Namen „DKW Hummel 115“, von Victoria als „Victoria 115“ und von den Express Werken AG als „Express 115“. Von allen drei Marken hingegen wurde die Variante „Kavalier 115“ angeboten, was sprachlich verdeutlicht, warum Männer mit Mopeds die tollsten Frauen eroberten. Meine Emotionen werden dank einer Hercules Ultra LC kurz aufgepeitscht. Ob beim Rennen gegen die Kumpels auf dem Weg zur Eisdiele oder bei der Spritztour mit der Schönheit aus der Parallelklasse zum Baggersee: Mit der Ultra II LC war man in der Moped-Clique ganz weit vorn dabei. Das Einzige was bei diesen Aktionen kühl blieb, war der Motor. Denn er war seit 1978 LC, eine Abkürzung für „liquid cooled“. Ein verspielt dekoriertes Sachs Moped aus Portugal bezeugt, dass Geschmäcker verschieden ausfallen. Spiralfedern ohne Nutzen, Abblendungen ohne Zweck, alles in Kombination mit einer schicken Lackierung, machen aus dem Nutzfahrzeug ein Bling-Bling für den großen Auftritt auf der Dorfkirmes. Dem aufmerksamen Betrachter und Kenner fallen sofort die ungewöhnlichen Wippschalter an einer Kreidler RS 50 auf. Schalter wie sie sonst nur auf Mehrfachsteckdosen zu finden sind. Das getunte Moped hat nicht nur 110cc, sondern nachträglich montierte Wasserkühlung und elektrische Lüftung. Das Kurioseste aber ist, dass Betrüger mit Fotos von eben diesem Moped bis heute Angebote bei mobile.de schalten. So was kann sich niemand ausdenken, meint Peter Wedig schmunzelnd.
Im Erdgeschoss stehen die Motorräder für die erwachsenen Kinder. Peters Vorliebe gilt zwei ehemaligen Konkurrenten, den BMW-Zweiventilern und den 4-Zylinder Kawasakis. So ist es nicht verwunderlich, dass die Granaten der Zeit, Kawasaki Z1 und BMW R 90 S die Sammlung zieren. Die Kawasaki Z1 wurde 1972 auf der IFMA in Köln vorgestellt. Im Prospekt wurde das 79 PS starke Motorrad mit einer Höchstgeschwindigkeit von über 230 km/h beworben. Die Leistungen des schnellsten Serienmotorrads der Welt und des ersten Big Bikes überhaupt, schüchterten den Reporter Franz-Josef Schermer derart ein, dass er den Artikel in der Zeitschrift mit „Frankensteins Tochter“ betitelte. Die fast genauso schnelle, aber vollkommen unterschätzte BMW R 90 S hingegen, kam wegen ihrer gutmütigen Motorcharakteristik und des Aufstellmoments des Kardanantriebs nicht so gut weg. Die R 90 S hatte als erstes Serienmotorrad der Welt eine schnittige, lenkerfeste Cockpit-Verkleidung aus glasfaserverstärktem Kunststoff und einen Heckbürzel. Sie wurde serienmäßig zunächst nur in Rauchsilber und ab 1975 zusätzlich in Daytona-Orange angeboten. Designer dieser BMW war der bekannte Hans A. Muth. Trotz all dieser Sportlichkeit sollte die BMW in Zukunft „Gummikuh“ heißen, weil sie bei starkem Vortrieb nach oben strebte, hochgedrückt vom Kardanantrieb. Die Werte beider Maschinen waren aber ähnlich. Die Kawasaki benötigte 4,5 Sekunden, um auf 100 km/h zu kommen, die BMW schaffte es in 4,8 Sekunden. Zwar war die Kawa mit 230 km/h Höchstgeschwindigkeit angegeben, dennoch war es dank eines schlechten Fahrwerks kaum möglich, dauerhaft schneller als 160 km/h zu fahren, während die BMW auch bei 200 km/h ruhig ihre Bahn zog. Ein grandioses Schmuckstück der Ausstellung ist eine Münch. Sie ist im Besitz von Thomas Jansen, einem weiteren Mitglied des Mopedclub Neumühl. Der Lkw-Fahrer ist als Botschafter des Syburger-Verlags auf vielen Treffen gern gesehener Gast. Zwischen 1966 und 1976 baute man im Hause Münch handgefertigte Motorräder. Aufgrund der Modellpolitik ist fast jede Maschine ein Einzelstück hinsichtlich Ausstattung und Material. Friedel Münch war Konstrukteur bei Horex, bevor er in Friedberg-Ossenheim mit Motorrädern handelte. Aus einem Automotor von NSU und Motorradkomponenten von Horex entstand ein geschichtsträchtiges Motorradmodell namens Mammut, offiziell Münch TT. Gerade einmal 500 Motorräder wurden gefertigt. Die japanischen Hersteller waren den Bemühungen um große, schnelle Motorräder weit voraus und so hatten all die engagierten kleinen Manufakturen keine Chance auf dem Markt zu bestehen. Auch die in der Ausstellung präsentierte Hercules Wankel 2000 von 1974 war solch ein chancenloser Exot. Schon für 1974 hatte die W 2000 aus dem Hause des ältesten deutschen Fahrrad-, Moped- und Motorradfabrikanten ein altbackenes Auftreten, war zu teuer und hatte wegen des überdimensionierten Kühlgebläses den wenig attraktiven Spitznamen „Staubsauger„ erhalten.
Ich könnte noch ewig so weitermachen und Geschichten zu den Motorrädern in der Ausstellung zum Besten geben, aber das wäre kein wirklich guter Ersatz für einen Besuch in der Motorradausstellung. Ich kann jedem Leser nur empfehlen, sich an einem der geöffneten Sonntage, einmal im Monat am 3. Sonntag, dort einzufinden und mit Peter, Paul, Thomas oder anderen Mitgliedern des Mopedclub Neumühl durch die Ausstellung zu gehen, den Geschichten zu lauschen. Auch die Besucher selbst tragen zur Lebendigkeit der Ausstellung bei, denn uns Motorradfahrer*innen aller Klassen und Geschlechter verbindet vor allem eins, die Freude am Benzingespräch.
Wer mehr über die Zeiten, aus denen die Motorräder der Ausstellung stammen, erfahren möchte, dem empfehle ich die Lektüre meines autobiographischen Werks: Motorradleben. Vom Mofa bis zur Midlife Crisis.