BMW F 800 GS Endurowandern bis Kroatien und zurück

Frank Bick, 25.06.2018
Vor 4 Wochen etwa fuhr ich los auf eine Reise Richtung Kroatien. Auch Albanien wäre noch möglich gewesen, die Zeit hätte ich mir nehmen können, die Formalitäten wie Landkarte und Campingführer waren vorbereitet, als Freiberufler arbeite ich im Groben wann und wie ich es mir aussuche. Zur gleichen Zeit ging mein Mitstreiter der Seite Motorradphilosophen Peter Su Markus nach Chemotherapie, Operation und Bestrahlung in die Reha. Ich kehrte nach etwas mehr als 3 Wochen zurück und sortierte Fotos, Peter kehrte aus der Reha zurück und starb am Samstag den 23.06. Weil diese Ereignisse zusammenfallen, möchte ich die Reisebeschreibung nicht nur Peter Su Markus widmen, sondern auch in einem Sinne verfassen den wir Beide gemeinsam hatten, in 10 Jahren entwickelt haben, der uns verband. Ein kritischer aber dennoch wohlwollend amüsierter Blick auf das menschliche Treiben und Schaffen.

Peter wie ich sind der Meinung dass die Frage nach dem Sinn des Lebens überflüssig ist, eine Motorradphilosophie sollte eine ganz andere Frage in den Vordergrund stellen, nämlich die Frage nach dem Sinn des Tuns. Diese Frage kann bei der Sammlung von Oldtimern, einem Umbau zum Custombike oder aber bei der Entwicklung einer hochmodernen Reiseenduro gleichermaßen gestellt werden. Warum ist es sinnvoll ein Motorrad original zu belassen, so dass vom Rücklicht bis zum Bremshebel alles ist wie früher? Warum ist es sinnvoll eine originale Maschine zu zersägen und daraus einen Caféracer oder Chopper zu bauen? Sollte eine Reiseenduro viel Elektronik und Zusatzscheinwerfer erhalten? Auf diese und ähnliche Fragen kann es immer und zu jeder Zeit zwei Antworten geben, Ja und Nein. Denn ohne zu wissen was später mit dem Fahrzeug passieren soll, ohne zu wissen wem es wofür dienen soll kann die Frage nicht beantwortet werden. Dennoch posten hunderttausende in die Jahre gekommene gelangweilte Männer täglich ihre Meinung fernab weiterer Informationen unter hunderttausend Bilder von Motorrädern.

Was ist der Sinn des Tuns hat Peter unablässig gefragt und in der Motorradszene wenig bis keine Antworten gefunden. Auch ich frage mich schon länger warum ich eigentlich Motorrad fahre. Zum einen im Alltag, wegen der Parksituation im Ruhrgebiet. Ich fahre zu Kunden, Treffen und zum Supermarkt. Benutze das Fahrzeug also wie die meisten ein Auto verwenden. Habe ich Spass dabei? Mehr als im Auto, aber könnte ich beamen würde ich das Mopped zu Hause lassen. Als 25 jähriger bin ich voller Elan in die Sahara aufgebrochen und heute muss ich überlegen ob ich überhaupt eine Reise oder eine Motorradreise mache. Liegt es einfach nur am Alter? Diese Frage hätte Peter nicht zugelassen, denn das Alter ist unaufhaltsam. Die erste Frage muss in Peters Sinne lauten, was ist der Sinn der Reise für Dich Frank? Ja warum will ich reisen? Erholung vom Alltag und Ablenkung vom Stress argumentieren viele Menschen, das gibt es bei mir aber seit 30 Jahren nicht wirklich. Und wer das als Argument voran stellt, sollte vielleicht mehr daran setzen seinen Alltag zu ändern, anstatt die Welt mit seinem Motorrad zu belasten. Neben dem Alltagsfahrzeug gibt es zum anderen die Kurven, die Aussicht in den Bergen und am Meer, die Kultur und Natur in der Fremde waren und sind meine Motive für die Reise mit der Enduro. Um solch ein Erleben realisieren zu können, sich bei einer Reise neu zu orientieren oder zu erden, benötigt man bestimmte Voraussetzungen. Genügend Zeit ist die wichtigste dieser Voraussetzungen. Die Freiheit überall so lange zu verweilen wie es nötig ist und da zu übernachten wo die Dunkelheit einsetzt bietet das Zelten. Selbst in den Sommerferien gibt es meist ein Plätzchen für den einzelnen oder zwei Motorradfahrer, im Wald sowieso. Autobahnfahrten und Touren im Regen sind überflüssige Strecken, sollten also weitestgehend gemieden werden. So machte ich mich Ende Mai allein auf den Weg Richtung Süden, mit Motorrad und insgesamt 38kg Gepäck für Campingzwecke. 130km Autobahn bis Blankenheim in der Eifel und dann ging es los, die Hügel rauf und runter, die Kurven rechts und links.
Die erste Etappe verlief ohne Zwischenfälle, mal abgesehen von Gewittern die sich als stetige Begleiter erweisen sollten. Bei 25°C heißt es schwitzend vor der Gewitterfront die Regenklamotten auspacken, in meinem Fall waren es nur Überhandschuhe und die SympaTex®-Klimamembran Hose Mohawk von Polo. Die BMW TourShell verfügt über eine wasserdichte sowie atmungsaktive BMW Climate Membrane. Die BMW Endurostiefel sind auch von Haus aus dicht. Bis auf die Jacke, deren 2 vermeintlich wasserdichte Außentaschen kletschnass waren, hielt keiner der Ausrüstungsgegenstände Wort. Wasser drang bei der Hose nach etwa 20 Minuten im Kniebereich ein, nach einer Stunde etwa saß man in einer feuchtwarmen Suppe. Die Stiefel sind schon älter, bei dieser Reise fiel mir auf das einige Nähte sich lösten, vor allem im Bereich der Knöchelinnenseiten die gelegentlich Kontakt mit dem Motor bekamen. So gab es auch feuchte Füße. Trotz jahrzehntelanger Erfahrung hatte ich Regenhose und Stiefelüberzieher zu Hause gelassen. Warum eigentlich? Hey, ich fahre in den Süden an die Adria, nicht zum Nordkapp. Die kleinen Landstraßen im Hunsrück zu fahren war aufbauend. Sogar eine erste wenige Kilometer lange unbefestigte Straße lag auf meiner Route, die ich mit kurviger.de vorbereitet und auf das in die Jahre gekommene Garmin Zumo 660 gespielt hatte. Überaus freundlich wurde ich beim Camping Clausensee von einer netten Frau empfangen, ein Biker willkommen im Schaukasten kündigte es bereits an, platzierte auf der leeren Zeltwiese mein Ein-Mann-Zelt und wollte direkt um den See herum spazieren. Leider rutschte mir der Schlüssel für die Tore rund um den See vom Tankrucksack hinunter links hinter die äußere Verkleidung der BMW, ein Ort der für Finger vollkommen unzugänglich war. Ich überlegte das Seitenteil abzuschrauben und inspizierte das Bordwerkzeug. Ein 17er Maulschlüssel und ein Umsteck Schraubendreher waren alles was ich vorfand. Die Verkleidung allerdings hatte ausschließlich Torx Schrauben. Eine Untersuchung aller sichtbaren Schrauben ergab, es gibt keine einzige zugängliche, sichtbare Kreuzschlitzschraube oder Schraube mit Schlüsselmaß 17mm. Wofür ist dieses Bordwerkzeug, was ist der Sinn des Tuns? Im zu Hause gelassenen Handbuch fand ich später die Erklärung, der Schraubendreher ist für die Blinkerbirnen, mein Fahrzeug hat aber LED Ausstattung, der 17er für die Spiegel deren Schrauben von Gummis abgedeckt sind. Wer dreimal hinschaut findet auch den Torx für die Verkleidung, es ist das eine verdeckte Ende eines weiteren Einsteck-Schraubendreher-Teils das unter dem 17er Schlüssel liegt. Ich aber legte die BMW erstmal auf dem Alu-Koffer ab und schüttete den Schlüssel aus seinem Versteck. Erfreut dieses erste Abenteuer überstanden zu haben, spazierte ich heiter um den See. Ab der zweiten Etappe stand die Reise ganz unter dem Einfluß des Kreuzsymbols, Jesus Christ Vermächtnis begleitete mich von nun an auf Schritt und Tritt, ließ die Frage nach der Bedeutung von Kirche und Religion zunehmend stärker werden. Was soll die Präsenz in all den Dörfern und an Landstraßen bewirken? Frieden brachte das präsente Kreuz anscheinend nicht, denn die ganze Fahrt über begleiten den Reisenden auch die Gedenken der Kriege. 30jähriger Krieg, erster und zweiter Weltkrieg, im Balkan der Kosovo Krieg. Mafia, das bedeutet morgens Beten abends Töten. Religion scheint dem Selbstschutz zu dienen, die Symbole sollen in erster Linie den oder die Besitzer beschützen, für andere kann der Gläubige ohne Reue Tod und Leid bringen. Höhepunkt der Dokumentation des Leids in den wunderbaren Landschaften des gemischtkulturellen Elsass war die Gedenkstätte KZ Natzweiler-Struthof. Hier ließen wir Deutschen vor allem Kriegsgefangene und Widerstandskämpfer in umliegenden Steinbrüchen schuften und sterben. Beinahe die Hälfte der jährlich etwa 170.000 Besucher der Gedenkstätte gehören zur Altersgruppe der Schüler, als einziger Deutscher umgeben von all diesen jungen französischen Schülern beschlich mich ein Schuldgefühl. Werden diese Erfahrungen weiteres Leid verhindern und den Menschen klarmachen dass dieses kurze einmalige Leben für jeden Einzelnen besser ohne Krieg und Hass verläuft?
In Freiburg im Breisgau angekommen sind zwar noch jede Menge christliche Symbole anzutreffen, von besinnlicher Stimmung ist man in der 220.000 Einwohner Stadt dennoch weit entfernt. Auch die bekannte vom Nachbarn Frankreich übernommene badische Gemütlichkeit sucht man vergebens. Der Campingplatz Hirzberg im Zentrum ist rappelvoll, Wohnmobil an Wohnmobil steht man, auch Hütten und Zelte sind vermietet. Es sind noch irgendwo Ferien, und ein stetiges Hundegebell, Türengeklapper und kommen und gehen prägt das optische wie akustische Geschehen. Dennoch beschafft mir ein Mitglied des Familienbetriebs eine gemütliche Ecke, Service und Freundlichkeit sind auch hier keine leeren Worte. In 1200m erreicht der Tourist vom Campingplatz die Altstadt von Freiburg zu Fuss, vorausgesetzt er kommt unverletzt an. Fahrradfahrer mit jungen strammen Waden oder Akkumotoren brausen im Sekundentakt durch alle Winkel der Studentenstadt. In der Altstadt angekommen gesellen sich noch Straßenbahnen und Fußgänger dazu. Eine Stadt voller hektischer Betriebsamkeit. Heerscharen von Touristen kaufen auf dem Markt am Freiburger Münster die bekannten roten Würste an einer der 5 Stände bevor sie in Gruppen in vielen Sprachen durch das Wahrzeichen der Stadt geführt werden oder sich dem Nippes auf dem Markt zuwenden. Wer in Freiburg ein ruhiges besinnliches Plätzchen sucht findet es in den Museen. Für 7 Euro können 5 in Minuten fußläufig erreichbare Ausstellungsorte besichtigt werden. Ich habe 3 geschafft und die Ruhe genossen. Abends hockt man hier in der vom Klima begünstigten Stadt in Biergärten. Hektische Kellner liefern in Sekundeschnelle Hähnchen mit Pommes oder Weizenbier. Alle sind freundlich, die Stimmung ist gut. Wer allerdings Entspannung sucht, sollte mich in Orsoy am Niederrhein besuchen, da hat es kaum jemand wirklich eilig. Auf kleinsten Strecken und ein paar Kilometern unbefestigter Straße ging es vom Hochschwarzwald in die Schweiz. Aus dem Nordwesten kommend wirkt alles immer schöner, reicher und gepflegter. Die von mir vorab markierten Strecken entpuppten sich bisweilen als kuriose Wege, zum Beispiel mitten durch Schweizer Gehöfte mit Wegen aus 2 Steinplatten in Autospurbreite und Gras in der Mitte sowie rechts und links. Ein Bauer sprang mir in den Weg, nun war die Reise hier dank Mistgabel zu Ende schoß es mir durch den Kopf. Er lud mich zur Brotzeit ein und wir hockten inmitten der Landschaft und plauderten über Flüchtlinge. Die Migrationsbewegungen und Diskussionen beschäftigten ihn und seine Familie, sie machten sich Sorgen um die Zukunft. Ich war perplex. Hier oben? Aber gerade ohne den direkten Kontakt zur Außenwelt neigen wir anscheinend dazu die wenigen selektierten Meldungen zu einem völlig verzerrten Gesamtbild zusammen zu bauen. Fotografieren sollte ich besser nicht und auch nicht schreiben wo sie leben. Eine einfache Übung, ohne Navi würde ich diese Stelle auch nie wieder finden. Bei Schloss Kyburg legte ich einen weiteren Stop ein und studierte zusammen mit vielleicht 5 anderen Touristen die Gefängnisse und Folterwerkzeuge des Mittelalters. Auch einen hübschen Pranger hatte das ansonsten christliche Gebäude zu bieten. Als typischer Mann fotografierte ich natürlich auch einen jahrhunderte alten Feuerwehrwagen. Beim Fahren in bergischen Regionen begeistern vor allem an warmen Tagen die unzähligen Brunnen zum Auffüllen des Wasservorrats. Vom Hochschwarzwald bis nach Österreich gibt es auch einige Holzfiguren am Wegesrand zu bestaunen. In der Chopper Szene werden aber eher die Tikis der amerikanischen Trivialkultur gefeiert. Am Ende des Tages landete ich im österreichischen Biosphärenreservat Grosswalsertal auf dem gleichnamigen Campingplatz auf einem Hügel und genoß die Aussicht, mit Swimming Pool, ist klar. Neben gesunden Bioprodukten und schönen Wanderungen ist es von hier aus gut möglich ein paar Alpenpässe zu fahren, was ich mir natürlich alles nicht nehmen ließ. Die Pässe dieser Region sind ein schöner Vorgeschmack darauf was einen in den Hochalpen erwartet: Motorräder und Kurven. Die beiden kommenden Etappen schlängelten sich durch die österreichischen Alpen und Dolomiten. Das Motorrad Museum hoch oben auf dem Timmelsjoch bezeugt dass wir die Alpen nicht mehr als Naturraum begreifen, wie einst unsere wandernden Vorfahren. Die Pässe mit Mautgebühr sind im Sommer Spielwiesen von Motorrad- und Sportwagenfahrern, im Winter Skigebiete. Nur ein Bruchteil der Touristen interessiert sich für biologische oder geografische Zusammenhänge, Pflanzen oder Tiere oder kennt sogar deren Namen oder Lebensweise. Dementsprechend richtet sich das komplette Angebot an die motorisierten Menschen, spezielle Parkplätze und unzählige Bikers welcome Schilder weisen dem Orientierungslosen den Weg. Der Campingplatz Moosbauer bei Bozen war rappelvoll, selbst für kleine Zelte wurde es eng. Als ich bei den hübschen Frauen am Empfang Schlange stand, buchten die ersten Wohnmobilisten schon fürs nächste Jahr den Stellplatz. Auch im Restaurant Moosbauer musste man reservieren, oder ein ToGo Essen bestellen. Dort wurde ganzheitlich gekocht! Das 100% klimaneutrale Unternehmen hat jeden denkbaren Ort von der Pissrinne bis zum Müllcontainer zur pädagogischen Übung gemacht, Erklärungen allernorts, von LED Lampen beleuchtet. Mann bekommt das Gefühl das die Umweltrettung von hier ausgehend nun doch gelingen wird. Lediglich die Wohnmobile deren Klimaanlagen mit dem Umweltstrom gespeist werden und die ganze Nacht vor sich hinrauschen lassen Zweifel aufkommen. Der Zweifel wird noch stärker auf dem Weg nach Alesso im italienischen Teil der Dolomiten. Bis hier hin strahlen die Umweltbemühungen schon nicht mehr, weil die Touristen aus den deutschsprachigen wohlhabenden Räumen so weit nicht mehr fahren und deshalb Umweltbemühungen sinnlos für die Umwelt verpuffen würden und daher als Werbemaßnahme ohne Wirkung blieben. Im Hotel Albergo alla Rosa schuftet Luisa Martinez bereits in zweiter Generation. Ein Staat der 70% der Gewinne einstreicht fördert Korruption und Schwarzgeldmachenschaften meint Luisa die seit 42 Jahren täglich kocht, die Zimmer reinigt und an der Bar bedient. In ihrem eigenen Unternehmen kommt sie zu nichts. Für 60 Euro habe ich in einem der sauberen einfachen Zimmer genächtigt, meine wasserdichte Hose getrocknet. Abendessen mit Wein, Bier und Kaffee an der Bar sowie Frühstück inklusive. Abends nahm ich an einer Geburtstagsfeier teil, kleine wohlgenährte dunkelbraune Menschen allen Alters tranken und aßen fröhlich. Morgens um 7 Uhr kamen als erstes die Jäger mit geknickten Gewehren zum Schnaps vor dem Abschuss, abgelöst von den Kirchgängern, die vor und nach der Kirche ein Schlückchen genossen. Dann kehrte wieder bis 17 Uhr Ruhe ein und die Herren vom Frühshoppen waren wieder fit. Natürlich haben mich einige angesprochen und eingeladen. 42 Jahre? Mir genügten die 2 Tage, ich musste mit dem trinken aufhören und zog weiter zum Campingplatz in Alesso. Dort konnte ich nicht mehr alkoholsüchtig werden, denn ein Bier kostet in der schicken Bar 5 Euro. Die Umgebung mit dem großen See ist traumhaft, natürlich umrundete ich auch diesen Teich zu Fuß und entdeckte dabei einen Naturpfad mit Beschilderung zu Flora und Fauna. Auf kleinsten Landstraßen führte mich das Garmin Zumo 660 bis an die slowenische Grenze. Wunderbare Ausblicke mit mächtig viel unverbauter Natur erwarten den Motorradreisenden in der kleinen erst 1991 gegründeten Republik mit gerade mal 2 Millionen Einwohnern. Seit 2007 Mitglied der EU und auch im Euro Verbund gibt es keine wirkliche Grenze zu Italien. Nur ein Schild bezeugt die Ankunft. Und mein Garmin Zumo 660. Denn plötzlich war keine Straße mehr auf dem Bildschirm, ich hatte versäumt zu überprüfen ob Slowenien und Kroatien überhaupt Bestandteil meines Kartenpakets waren. Für einen Vollprofi der ungefähr 600.000km auf Motorrädern im Ausland zugebracht hatte bin ich ziemlich nachlässig geworden. Aber auch gelassener. Das Navi wird ausgeschaltet und die mitgebrachte Slowenien Karte im Tankrucksack platziert. Wunderbar, wie früher die Karte studieren und die schönsten Wege finden. Nicht ganz. Im gehobenen Alter habe ich natürlich auch gewisse Sehschwächen die sich wie ich jetzt feststellen musste nicht wirklich positiv auf das Karte lesen bei der Fahrt auswirkten. Von nun an stand ich auch wie früher alle paar Kilometer an Abbiegungen, suchte nach Schildern und meiner Lesebrille im Tankrucksack. Meine ohnehin nicht wirklich zügige Reise wurde noch ein Bisschen entschleunigt. Ein weiterer positiver Nebeneffekt war das ich auch nach der Reise genau sagen konnte wo genau ich überhaupt herumgefahren bin. Bei ausschließlicher Navigation mit dem Zumo ist mir das nicht immer wirklich präsent. Die eigentlich für Autofahrer gedachten Karten ließen sich in dem fummeligen Kartenfach des SW-Motech Tankrucksacks nicht wirklich gut unterbringen. Bei Regen zermatschten die Karten und die Klarsichtabdeckung des Kartenfachs beschlug wie ein Saunafenster. Nebenbei bedeckte der Tankrucksack die 12V Steckdose links oben auf der Tankimitation. Ja Peter, jetzt bist Du wieder dran. Was ist der Sinn des Tuns bei diesen Firmen? In erster Linie billige Produktion und massiver Verkauf. Da hilft es schon wenn ein und derselbe Tankrucksack für viele Modelle verwendet werden kann ohne auf irgendein Modell wirklich abgestimmt zu sein. Und ein Zündschloss wie eine Bordsteckdose oben auf der Tankimitation zu platzieren weist darauf hin das man im Hause BMW nicht an klassische Verwendung von Motorrädern denkt, vermutlich weil es sie selten gibt. Und aus der Sicht von BMW haben sie auch alles richtig gemacht, denn sie verkaufen die Fahrzeuge ja sehr gut. Damit ist der Sinn des Tuns seitens der Hersteller erfüllt und jede Aufregung sinnbefreit. Danke Peter, ich kann diese Dinge jetzt ganz in Ruhe weiter benutzen. Nach einem Gang über den "Walk of Peace" durch militärische Stellungen aus den Befreiungskriegen fuhr ich nachdenklich zu dem wunderbar gelegenen Camping DUJČEVA DOMAČIJA. Man stellt sich irgendwo hin und Abends kommt die Besitzerin mit einem LADA aufs Gelände gefahren und kassiert aus dem Auto heraus. In meinem Fall 8 Euro. Auf nach Kroatien. Bei sonnig warmem Wetter über kleine Landstraßen durch Dörfer in denen die Kriegsschäden noch gegenwärtig sind. Während in Frankreich und Italien die Häuser in kleinsten Dörfern mangels Verwendung verfallen, weisen einige Gebäude in Kroatien große runde Einschußlöcher auf. Kroatien ist Mitglied der EU, hat aber als einziges Land meiner Reise eine eigene Währung, die Kroatische Kuna. Nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2007 steckte das Land über Jahre in der Krise. Kroatien verlor bis 2014 ca. ein Sechstel seiner Wirtschaftskraft. Seit 2015 mehren sich jedoch die Anzeichen wirtschaftlicher Erholung. Die Wirtschaft wuchs 2015 um 1,6 Prozent und 2016 um 3 Prozent. Dennoch hat Kroatien immer noch eine hohe Arbeitslosenquote von 16,3 % zu verzeichnen, die Jugendarbeitslosigkeit ist mit ca. 43 % sehr hoch. Im ersten Moment wirken die bildschönen Städte mit engen Gassen und kleinen Gebäuden im Gebirge und am Meer wie die schönen Siedlungen Frankreichs. Bei genauem Hinsehen wird dann aber gewahr das hier mit wenig Geld und Möglichkeiten die Struktur aufrecht erhalten wird. Nur in den großen gut besuchten Küstenstädten hängen die EU Projekt Schilder und wird fleißig renoviert und restauriert. Ich landete in Poreč auf einem riesigen Campingplatz am Meer, mit Hunderten von Stellplätzen, Mobilhomes, Supermarkt, Cafés und Restaurants. Trotz des großen Platzes erwischte ich eine Parzelle in der rundherum mindestens 3 Reihen und Parzellen frei waren, im Schatten unter Bäumen, weit entfernt von den beliebten Plätzen direkt am Meer. Lange allein bleibt man dennoch nicht. Regelmäßig lassen Hundebesitzer ihre Lieblinge auf den unbesetzten und weniger frequentierten Parzellen ihr Geschäft verrichten, eine beunruhigende Beobachtung wenn man sein Leben als Zelttourist auf dem Boden gestaltet. So kreuzen sich morgens und abends die Wege der Hundebesitzer, ein jeder auf dem Weg zur Parzelle des anderen. Auf einem Campingplatz ist von morgens bis abends etwas los. Gegen 4 Uhr morgens erwacht das erste Leben im Lager der entspannten Naturfreunde. Der weiße Socken in Trekkingsandalen Morgensfrühheimfahrer gibt seiner Frau laut und deutlich knackige Befehle zum Schlagschrauber gestützten Abbau der installierten Technik und rangiert unter lauten Dieselgeräuschen sein Wohnheim etwa 20 Minuten hin und her. Gerade wenn man im hellhörigen Zelt wieder eingenickt ist, beginnen die ersten Kinder akustisch damit die Aufmerksamkeit der Erziehungsberechtigen wieder auf sich zu lenken. Spätestens gegen 8 beginnt eine Art Völkerwanderung zu Toiletten, Hundetoiletten und Brötchenausgabestelle. Der Zweck der Bewegung bleibt erkennbar an Brötchentüten, mitgeführten Leinen, schwarzen Plastiktüten, Klorollen oder Jack Wolfskin Kulturtaschen. Zwischen 10 und 17 Uhr etwa werden touristische Aktivitäten ausgeübt. Die Familien gehen zum Meer im Wasser spielen, die Frauen und Männer ohne Wohlstandsfigur braten in der Sonne, die Dicken quälen den Rasen im Schatten und konzentrieren sich auf ihre Atmung. Einige wagen sich auch in die entzückenden umliegenden Städte mit den kleinen Gassen und unzähligen Restaurants. Der Schwerpunkt der Städte die Küste hinunter liegt bei der Gastronomie. Hier wird von morgens bis abends schwerpunktmäßig gegessen. Zum sportlichen Ausgleich werden dann die Kirchtürme bestiegen und Selfies gemacht. Auf dem Glockenturm der Euphrasius-Basilika von Poreč verweilte ich etwa 1 Stunde und sah in dieser Zeit circa 300 Menschen kommen, fotografieren und gehen. Die Besucher mit den Handys machten Selfies, die mit Kompaktkameras fotografierten sich gegenseitig und die Aussicht. Der Spiegelreflex-Fotograf hingegen lichtete auch noch die schönen Glocken ab. Ich fragte gelegentlich in die Runde so etwas Beiläufiges wie "Wie heißt diese Kirche noch?" oder "Interessieren sie sich für alte Glocken?", da waren aber die meisten Besucher überfragt. Das wäre ein wunderbarer Ort für die Frage nach dem Sinn des Tuns. Warum fotografieren etwa 300.000 Menschen im Jahr sich auf dem Glockenturm der Euphrasius-Basilika? Ja liebe Leser, mit dieser vielschichtigen Frage beauftrage ich nun Euch nach Antworten zu suchen, vielleicht macht Ihr ja auch gelegentlich ein Selfie am Kirchturm. Gegen 18 Uhr traf ich für gewöhnlich wieder beim Campingplatz ein. Jetzt saßen etwa zwei Drittel aller Camper bei Abendessen und Fernsehen. Vom Laptop bis zum 42 Zöller war alles anzutreffen. Ich hingegen ging hinunter zum Meer an den menschenleeren Steinstrand und schwomm eine Stunde mutterseelenallein im lauwarmen Wasser der Adria. Den lauen Abend gestaltete ich gern mit 2-3 Dosen Bier und MP3 Player ausgerüstet am Ufer. Kein Mensch weit und breit, nur die Hundeleute gingen ihre Abendrunde. Gegen 22 Uhr kehrte auf so einem Platz abgesehen von den 2 Bars nun endlich Ruhe ein, wäre da nicht der ewige halb langhaarige Familiencamper mit seiner nicht mehr taufrischen Campingausrüstung, der immer als Letzter eintreffende rebellierende Sohn des Lehrerehepaars. Behelfskonstruktionen aller Art werden bis in die Dunkelheit genagelt und verzurrt, hier noch eine Plane drüber, da noch eine drunter. Nach diesen erholsamen Tagen am Meer ging mir langsam aber sicher die Lust aus noch weiter südlich zu fahren und ich fasste den Entschluss ohne Eile aber stetig zurück zu reisen. An der Grenze zu Slowenien dauerte es etwa 1 Stunde. Ab Herbst 2015 war Slowenien Durchgangsort für eine halbe Million Flüchtlinge und Migranten; die meisten auf ihrem Weg nach Deutschland und Nordeuropa. Die Regierung unter Miro Cerar verabschiedete im Zuge dessen verschärfte Asylgesetze, errichtete einen Grenzzaun an der Grenze zu Kroatien und limitierte die Asylantragszahlen auf 50 Personen pro Monat. Auf dem Campingplatz bei Kobarid, dem Kamp Koren, traf ich doch glatt noch einen Endurofahrer der Allein mit Zelt auf Reise war. Radomir aus Montenegro war genau wie ich auf der Rückreise und hier kreuzten sich unsere Wege. Bei ein paar Flaschen Bier am rauschenden Fluß der für viele Rafting Freunde ein Eldorado ist, plauderten wir über die Erfahrungen unserer Reise, verglichen das Leben in Deutschland und Montenegro. Montenegro ist kein Mitglied der EU, daher entwickelt sich der kleine Staat mit gerade mal 625.000 Einwohnern eher schleppend. Als Probleme gelten Korruption und die Unterwanderung der Politik durch kriminelle Strukturen. Der EURO ist Landeswährung, man nutzt ihn aber nur, Montenegro gehört nicht zur Eurozone. Zum Endurofahren scheint mir nach den Berichten Radomirs das Land aber sehr geeignet. Fremde werden höflich und zuvorkommend behandelt. Ich sah Radomir am kommenden Tag in Richtung Süden verschwinden und machte mich zu einem Campingplatz am Fuße des Großglockners auf. Die kleinen slowenischen Landstraßen waren die schönsten der ganzen Reise, die Campingplätze idyllisch in der Natur platziert. Beim Camping Zirknitzer in Kärnten bekam ich ein einfaches Zimmer und ein deftiges Abendessen, dass ich in Gesellschaft einiger österreichischer Originale zu mir nehmen konnte. Ein Landschaftsgärtner und sein Sohn kehrten zum Bier ein, ein paar Bauarbeiter ließen den Abend ausklingen. Erweitert wurde die feuchtfröhliche Runde später noch durch 3 Hamburger Motorradfahrer. Auch hier wurde die Flüchtlingsfrage wieder zum abendfüllenden Thema. Die Meinungen waren gespalten, aber darin das Europa keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen sollte war man sich einig. Insgesamt waren wir 6 Motorradfahrer auf dem Platz, darunter 4 BMWs. Eine Statistik wie ich sie am kommenden Tag auch auf dem Großglockner erleben durfte. Vor allem die BMW 1200 GS und andere moderne Großenduros dominieren das Geschehen auf dem Rummelplatz Alpen. Wieso ist das so könnte man sich fragen, aber bleiben wir bei der Methode Peter Su Markus und analysieren die Sachlage. Wer kauft sich ein Motorrad das in allen Lagen außer im Gelände sehr leicht zu steuern und sehr sicher in seiner Technik ist? Jemand der ein Abenteuer sucht? Bestimmt nicht. Aber gerade deshalb ist es natürlich klug ein Fahrzeug mit 280kg Adventure zu nennen wie BMW es macht. Ähnlich der nie im Gelände anzutreffenden Geländewagen wird hier ein Traum an unzählige Unbegabte und Angsthasen verkauft, wohl situierte oftmals akademische Menschen mit ausgeprägtem Sicherheitsbedürfnis wie es die grüne Warnweste noch unterstreicht. Als könnte man mit einer 1200 GS und Koffern übersehen werden. Diese Cabrios auf 2 Rädern die förmlich von allein jeden Begabten aber auch Unbegabten die Berge rauf und runter fahren dann auch noch Adventure zu nennen ist einfach genial. Danke Peter für diesen schönen Ansatz, ich werde mich in Zukunft zurück halten denn nun weiß ich ja das die Besitzer nichts dafür können. Ohne dieses Motorrad hätten sie den Spaß einer Kurvenhatz in den Alpen nicht erleben können und ihre Frauen hätten es auch nicht erlaubt. Gejagt werden die Motorradboliden nur noch von unzähligen Porschefahrern. Dank der 26 Euro inklusive Aufkleber an der Mautstelle den Großglockner hinauf begibt man sich auch in eine private nicht polizeilich kontrollierte Situation. Ich bekam für meinen Eintritt auch zwei schöne Motorradunfälle geboten. Die eine 1200 GS weniger auf der Straße wird man nicht bemerken, um die andere Unfallbeteilgte, eine XT 500 könnte man trauern. Die erste hatte zuviel Kraft, letztere zu schlechte Bremsen. Am Großglockner fliegen die Motorräder im schnellen Takt am Langsamfahrer vorbei. Ich hatte dann noch die Frechheit mitten auf den Strecken anzuhalten und zu fotografieren. Richtig bewundernswert ist das Verhalten der Massen nicht, Helden und Abenteurer sind aus anderem Holz geschnitzt. So fuhr eine junge Italienerin mit 22 PS und einer Royal Enfield Himalayan die Berge rauf und runter, konnte gut mithalten. Ja das ist doch mal eine bewundernswerte Person, eine junge Frau bereit fürs Abenteuer. Ganz ohne Warnweste. Die habe ich auch noch aus vollem Herzen begrüßt. Ansonsten geht mir die Grüßerei von all diesen Gruppen und Clübchen ziemlich auf die Nerven. Wenn man wie ich 4.500km in drei Wochen auf Landstraßen zurücklegt und gefühlte eine Millionen Mal gegrüßt wird geht der Sinn vollends abhanden. Es gibt viele Millionen Motorradfahrer allein in Deutschland. Warum sollte ich sie grüßen? Wir sind weder geächtet, keine Randgruppe, überall welcome und bekommen an jedem Flecken Europas in etwa 10 Minuten technische wie medizinische Versorgung, und das garantiert nicht von einem Motorradfahrer. Das Grüßen ist ein unnötiges Relikt aus vergangener Zeit. Ich muss mit so einer Kinderkacke aufhören. Mist, jetzt rege ich mich doch noch auf. Den letzten Aufenthalt hatte ich in Bad Kreuznach. Meine Lebensgefährtin verweilte dort und ich nutzte die Zeit für einen Besuch und Erkundungen dieser Region. Ich fand den etwa 10km von Bad Kreuznach entfernten Campingpark Lindelgrund. Absolut ruhig gelegen und mit allem Komfort ausgestattet ist der Platz ein erholsames Fleckchen Erde. Ich besuchte die Städte Bad Kreuznach, Bingen und Alzey, ging wandern und an der Nahe spazieren. Die Städte sind allesamt mit schönen Bereichen ausgestattet, die Cafés gemütlich, die Museen nicht spektakulär aber ohne Menschenandrang. Deutsche Kultur lässt sich dort weitaus entspannter studieren als in Freiburg, Hamburg und Berlin. Die Straßen des Hunsrücks und Saarlands sind gut ausgebaut, fahrtechnisch spannender als die langweiligen Kehren der Pässe. Mein Fazit der Reise ist schlussendlich das mir Slowenien und diese Region am besten gefallen haben, ich mich am wohlsten fühlte obwohl hier ja nichts besonderes zu finden ist. Und warum das so ist lässt sich doch leicht erklären, fragt doch einfach mal nach dem Sinn des Tuns wie Peter Su Markus es machte und tragt Eure Erkenntnis weiter. Ich werde Peter Su Markus nicht vergessen, soviel ist klar. Wie auch all seine Freunde, Verwandten, Schüler, Leser seiner Artikel und Bücher aus dem Motorrad Bereich und vor allem der asiatischen Kampfkunst und des Taiko Trommelns. Denn er hat uns seine Weisheit mit auf den Weg gegeben, und mehr kann ein Mensch wohl kaum erreichen.

"Schützen wir was wir bereisen?!" steht auf einem Plakat in einer Kirche in Bad Kreuznach. Was bewirkt der Tourismus überhaupt? Was sind die Vorteile für die Reisenden oder Bereisten? Natur und Umwelt leiden unter dem Tourismus, Landschaften werden zerschnitten, vergiftet und vernichtet. Die Mobilität ist ein messbarer Beitrag zur weltweiten Erwärmung. Wofür genau opfern wir die Umwelt in diesem großen Maße?
Wir könnten erholt von Reisen zurück kommen und unsere Aufgaben besser erledigen, unsere eigene Gesellschaft könnte davon profitieren. Unser Verständnis für das Fremde könnte sich vergrößern, so steht es zumindest bei vielen Facebook Postings über das Reisen geschrieben. Aber können die modernen hektischen Massentourismuskonzepte das leisten? Ich habe zwei Kilo bei meiner Reise abgenommen und viel gelernt, bei vielen kommt es genau anders herum.