13. Swapmeet Mecrin

Real Old School, 2009
Text und Fotos: Peter Su Markus
Die vom „School Bar Atelier“ unter der Leitung von Jean Claude Passetemps in dem kleinen französischen Ort Mecrin 47 Km südlich von Verdun nun schon im 13. Jahr jeweils am ersten Sonntag im Mai veranstaltete „Swapmeet“, hat sich im Laufe der Jahre zu einem Geheimtipp unter den Freunden der alten Schule entwickelt.

 

Wenn in der Überschrift von „Real Old School“ die Rede ist, dann geht es dabei weniger um den Begriff „Old School“ als Stilrichtung, sondern um das Vermitteln eines mit diesem Begriff verbundenen Lebensgefühls. Bei dem Treffen in Mecrin geht eine Form des alten Eisens an den Start, bei dem der Transport auf dem Trailer verpönt und die Anfahrt auf den eigenen Rädern und oft ungefederten Rahmen als Ehrensache betrachtet wird.

Und selbstverständlich sind mit altem Eisen überwiegend nicht die liebevoll aufgebauten und gepflegten Maschinen gemeint, die bei uns mit dem Status eines H Kennzeichens über den Asphalt bewegt werden und die man natürlich auch in Mecrin vor die Augen gerollt bekommt, sondern vielmehr die nach dem tatsächlichen Wortsinn von „altem Eisen“. Also schlicht altes Geraffel, das aus allen Epochen der Motorrad-, Moped- und auch Fahrradgeschichte zusammengetragen wurde, um an den hier präsentierten Aufbauten eine neue/alte Verwendung zu finden.

Jean Claude Passetemps machte 2005 in der Szene durch seinen Hooligan Aufbau, bei dem ein deutscher Stahlhelm aus dem zweiten Weltkrieg als Tank eine neue Verwendung fand, auf seine Arbeit aufmerksam und wer diesen Aufbau mochte, der wird das von ihm veranstaltete Treffen lieben.

Während andernorts die Bikes staubfrei und aufwendig ausgeleuchtet präsentiert werden, verfrachtete Claude Passetemps besagte Hooligan im Rahmen der 12. Swapmeet 2009 kurzerhand in den örtlichen Dränagekanal und ließ ihn dort für die Dauer des Treffens im knöcheltiefen Abwasser stehen.

Von dieser eher ungewöhnlichen Art der Präsentation abgesehen, bildeten die dörflichen Straßenzüge von Mecrin, das mit seinen schlichten Häusern, Scheunen und Winkeln zu den ärmeren Gegenden Frankreichs gehört, eine mehr als eigentümliche Kulisse für die französische Begeisterung für amerikanische Maschinen.

Die Swapmeet beginnt, sobald sich der morgendliche Nebel, der zu dieser Jahreszeit noch empfindlich klamm und kalt sein kann, gelichtet hat und zieht sich dann über den Tag bis zur Abenddämmerung. Angeboten wird in erster Linie das, was in den herbst- und winterlichen Umbauphasen keine Verwendung fand oder abgebaut wurde. Im Großen und Ganzen also all das Zeug aus dem die meisten der Biker, die sich auf den Weg nach Mecrin gemacht haben, ihre eigenen Maschinen zusammengeschraubt haben.

Die Stimmung im Ort ist entspannt ohne jeden Stress und ohne Hektik. Man kennt sich, plaudert ein wenig, kramt in den Kisten, die in großer Zahl um die Stände herum verteilt sind, unterzieht das eine oder andere interessant erscheinende Teil einer genaueren Untersuchung, um es nach Art der Franzosen erst einmal wieder zur Seite zu legen. Die bei den heutigen Aufbauten so beliebten Billet Teile sucht man an den Ständen und Kisten meist vergebens. Stattdessen sind die Tische und Kisten der Händler gefüllt mit Teilen, deren Herkunft und Verwendungszweck sich auf den ersten Blick meist nur dem Schrauber der besagten alten Schule erschließen.

Während die auf mögliche Kunden wartenden Lampen, Blinker, Tanks und Fender jüngeren Datums kaum Beachtung finden, übt eine Ansammlung mehrerer Kisten in denen sich nach Aussage des Verkäufers ein kompletter Late Shovel Motor in Form eines Motorpuzzles befinden soll, eine geradezu magische Anziehungskraft auf das fachkundige Publikum aus.

Die Swapmeet in Mecrin zeichnet sich durch ihr einzigartiges Flair, bestehend aus einer sich aus sich selbst ordnenden Unordnung aus und inspiriert ihre Besucher auf eine Art und Weise, die auch ohne den großen Kauf im Geiste zu neuen Aufbauten beflügelt.

Natürlich wollen die Händler ihre Teile am Abend nicht wieder unverkauft einpacken. Doch die meisten von ihnen haben selbst ein altes Eisen neben ihren Ständen stehen, werfen es an und statten dem Kollegen zwei Stände weiter einen kurzen Besuch ab. Ein Tag der ganz im Zeichen des ursprünglichen „Bikerspirits“ steht. Sich treffen, hier und da ein gutes Gespräch führen, dabei immer und überall die für die Franzosen wohl unverzichtbare Gauloises im Mundwinkel. Ein paar Teile verkaufen, ein paar Meter auf seinem Bike zurückzulegen, um die gerade verdiente Kohle sofort selbst wieder in Teile zu investieren, die man später einmal brauchen könnte.

So wandelt sich das Schutzblech, das man am Morgen noch zögerlich aus einer der zahllosen Kisten gezogen hat und das eigentlich unbrauchbar schien, im Laufe des Tages und zahlreicher Inspirationen später bis zum Abend zum ultimativen Kultteil für den zukünftigen Aufbau. Teile, die eigentlich niemand braucht und zunächst auch niemand haben wollte, finden so letztendlich doch noch glückliche Abnehmer und tragen vielleicht schon im nächsten Jahr an gleicher Stelle zur Inspiration zukünftiger Projekte bei.

Und wer weiß, vielleicht ist es ja sogar ein Biker aus Deutschland, der sich im nächsten Jahr am ersten Sonntag im Mai auf den Weg nach Mecrin macht, um sich von der Energie der „Real Old School“ durch einen schönen Maitag tragen zu lassen, um  am Abend ein Teil in der Hand zu halten, das eigentlich niemand braucht und keinen Nutzen hat und vielleicht gerade aus diesem Grund den Geist auf so schöne Weise zu inspirieren weiß.