04. September
Die Herberge in As Seixa ist der architektonische Knaller! Damit können sich die galizischen Herbergsbetreiber bei Schöner Wohnen bewerben. Das absolut Moderne integriert in altem Bruchsteingemäuer und meiner Meinung nach so gut gelungen, dass es immer wieder Spaß macht durch die Räume zu gehen. Besonderer Hingucker ist der Aufenthaltsraum im Eingang, in dem der Kaminbereich ohne Kamin erhalten wurde. Der Kamin bleibt offen und führt an der Freitreppe vorbei ins Dach.
Die Hosteliera erinnert ein wenig an Hattie von Navy CSI Los Angeles, mit der gleichen Größe hüpft sie auf den Drehstuhl der Rezeption, ähnlich energisch ruft sie, stop wir gehen zusammen auf die Zimmer und ähnlich freundlich hilft sie beim Betten machen. Ich habe sie nicht vor die Kamera bekommen, sie wuselt mit ihren kurzen Beinen so schnell durch die Gegend, ist sie mal da, ist auch schon wieder weg.
Die Nacht? Frage nicht! Es war schwer mit Toleranz und Nächstenliebe über das unglaubliche Schnarchen des übergewichtigen Polen hinwegzusehen, zumal er das Schnarchen mit gleichzeitigem Furzen unterstrich. Und mit welch einer unglaublichen Umständlichkeit er morgens um sechs seine Sachen zusammen gepackt hat. Und nachdem er beim fünften Durchleuchten des Zimmers mit seiner Stirnlampe, auch noch vorsichtshalber das Bett von der Wand zog, konnte ich mich eines, Ist jetzt nicht war oder? nicht erwehren. Und weil er sich überall im Zimmer ausgebreitet hatte, hat er seinen Leinenshort vergessen. Har, har, har.... Schadenfroh? Ich? Ja!! Und ich schäme mich auch ein wenig dafür, aber nicht so sehr, dass es mich belasten würde. Ich habe sogar noch aus dem Fenster gesehen, ob er noch unten rumläuft. Mein innerer Begleiter meint zwar, ich hätte erst aus dem Fenster gesehen als ich sicher sein konnte, dass er bereits weg ist. Ja und? Wenn er aber noch auf dem Hof rumgestanden hätte, hätte ich sie ihm runtergeschmissen. Hi,hi... Hose vergessen!
Es war heute das erste Mal seit langem nicht nebelig als ich gegen acht losgegangen bin. Ich kam gut voran und war bereits um elf Uhr in Melide. Hier in Melide trifft der Camino Primitivo auf den am meisten gegangenen Camino Francés. Allerdings habe ich die Schnittstelle nicht erreicht, weil ich bereits vorher eine sehr schöne Herberge gefunden habe. Auf dem Camino Primitivo kosten die staatlichen Herberge 6,00 €, hier auf dem Francés wieder 10,00. Und diese sehr schöne private Herberge, ist mir bereits auf Plakaten aufgefallen, sodass ich mal gefragt habe. Auch 10,00 € und ich kam sogar ins Vierbettzimmer.
Zum Mittag habe ich mir Schnittchen gemacht und will mal sehen, ob ich Spaniens beste Pulperia dann zum Abend hin finde. Wenn nicht, finde ich eine andere!
Für morgen habe ich mir ein Bett reserviert, so dass es wieder eine schöne Schlenderetappe von 7, 8 km wird.
Nee, die beste Pulperia Spaniens habe ich nicht gefunden. Selbst das spanische Google preist diese Pulperia als die beste des Landes an. Hätte ich jetzt dann doch albern gefunden danach zu fragen. Ich habe eine Kleinigkeit in einer Gassentaverne gegessen. Es hat satt gemacht, der Rioja war das Beste. Dafür war es billig! Die Kinder hätten es geliebt. Calamaris wie auf der Kirmes und die Patata Brava, waren Mc Donald Pommes mit scharfer Soße. Ich habe mich von den dort sitzenden Spaniern in die Irre führen lassen und nicht gemerkt, dass die alle nur was trinken.
05. September
Das Vierbettzimmer durfte ich mir mit einem spanischen Paar teilen und es war eine ruhige Nacht.
Aber hier ist was los... Ich habe mir einiges vorgestellt, aber dass es hier zugeht, als hätte der Sauerländer Gebirgsverein zum Familienwandertag aufgerufen und alle sind gekommen, hätte ich dann doch nicht gedacht.
Ich habe auch prompt einen Camino-Shop gesehen. Nun frage ich mich aber, wer kauft sich 50 km vor dem Ziel einen neuen Stock?
Im Wald war plötzlich Flötenspiel zu hören. Ein junger Mann, saß in seinem Zelt spielte Flöte, hat einen Stempel ausgelegt und bat um Spenden für seinen Esel, der neben dem Stempelplatz stand.
Ein Stück weiter großes Schild, El Pequeno Oasis! Die kleine Oase! Eine Holzhütte mit Obst und Getränken. Die Besitzerin der Hütte und eines wunderschönen SEAT 600 arbeitete in ihrer Himmbeerplantage. Ich grüße und fragte, ob die Himbeeren zweimal geerntet werden, weil die Himbeeren bei uns in Deutschland bereits Ende Juni durch sind. Hier blühen und reifen sie bis zum Ende der warmen Jahreszeit durch. Auch lecker!
Ich habe natürlich bereits einige ledierte Pilger gesehen, gerade in den Bergen, werden Kniee (Ist der Plural von Knie, Kniee? Sieht ein wenig doof aus!) werden Kniee häufig bandagiert. Aber was hier seinem Ziel entgegen humpelt, Ihr macht Euch keine Vorstellung. Rechtes Knie, eine Manschette, linkes Sprunggelenk eine Bandage und los! So langsam kann ich nicht schlendern, wie die humpeln. Ich würde mal behaupten 30% schlurfen, humpelnd ihrem Ziel entgegen, dass hier in Casteñada noch 44 km entfernt ist.
Und ich möchte es hier mal sagen, dass ich eine große Dankbarkeit verspüre, diese cirka 2.500 km ohne irgendwelcher körperlichen Beschwerden hinter mich gebracht zu haben. Keine Verstauchungen, Verrenkungen, Entzündungen! Weder bezüglich meiner Cholitis und was habe ich teilweise Essen müssen, noch eine der hier gern genommenen Miniskus- oder Archillesfersenentzündungen. Alles Super! Noch nicht mal eine Erkältung in dieser unleidlichen Regenphase. Vielen, vielen Dank!
Und nein, ich lobe hier keinen Tag vor dem Abend. Ich bin davon überzeugt, dass es mein persönliches Privileg dieser Reise ist, gesund zu bleiben. Deshalb habe ich mich auch so schwer getan diese teurer Globetrotter-Krankenversicherung abzuschließen. Und letztendlich musste ich sie nicht bezahlen. Auch dafür meinen Dank!
Die Herberge Santiago ist eine kleine Herberge mit vier Pilgerbetten und einem Pensions-Doppelzimmer. Die Betreiber total nette Endsechziger, die im Untergeschoss die Dorftarverne betreiben.
Hier liegt bereits ein Rucksack, der per Gepäckservice gebracht wurde. Ich habe ihn mir mal Probeweise an einen Zeigefinger gehängt und bin mal gespannt, wer da diesem Rucksack folgt. Bestimmt ein theatralisch hereinhumpender Italiener. Du hast schon ein Fußball Länderspiel mit Italienern gesehen? Dann weißt Du auch wie es aussieht, wenn ein Italiener eine volle Herberge oder eine Pilgerkneipe betritt.
Die Nachfolge des Rucksacks war unspektakulär. Jeder machts halt so wie er Spaß hat.
Ich sitze gerade auf der Terrasse der Kneipe, die unmittbar, nur von einem Holzgeländer getrennt am Jakobsweg liegt. Es vergehen keine zwei Minuten an denen nicht ein Pilger vorbei kommt. Wobei es meistens mehr als nur einer sind. Ich kann das immer noch nicht wirklich fassen. Und es wird schon ruhiger, die Ferien in fast ganz Europa sind zu Ende. Selbst die letzten Lehrer Deutschlands müssen sich auf den Rückweg machen.
Und was hier alles so vorbei kommt. Wobei die letzte halbe Stunde mir meine 30% Lediertheit nach unten schrauben. In dieser halben Stunde kamen nur zwei Extremhumpler vorbei. Der komplette Rest ging recht zügig ihrem Ziel entgegen. Auch wenn ich mich hier etwas auslasse, so wünsche ich ausnahmslos allen einen guten Weg. Habe ich das schon gesagt? Und mit allen meine ich auch alle die, die hier eine kleine nicht so nette Rolle gespielt haben. Meine nervige Französin, der schnarchende Pole, der leider seinen Short vergessen hat, der ebenso schnarchende Schwabe und natürlich auch Dieter, meine erste Herbergserfahrung. Hach, ich bin heute etwas nah am Wasser, dann werde ich immer so harmoniebedürftig. Ich such jetzt mal ein paar Bilder raus und dann ist Schluss für Heute. Und im WDR läuft Can't leave! Auch eine schöne Schnulze. WDR? Ich habe eine WDR-APP auf dem Tablet und wenn die Feldstärke des WLANs gut genug ist, klappt es ganz gut.