In Frankreich stellte es kein Problem dar, auch nach drei Tagen erinnerungsnah zu schreiben, da ich dort so gut wie niemanden hatte, mit dem ich mich austauschen könnte. Hier, wo ich jeden Abend mit wenigsten einem Deutsprachigen sowie vielen Englischsprachigen zusammen komme, wird der Tag zum Teil reflektiert und die Erinnerungen vernebelt.
Trotz Alledem...
Am Morgen des 08. August bin ich Richtung Gümes aufgebrochen. Erst mal eine lange Ebene, zum Teil am Gefängnis vorbei, gefolgt von einem irrwitzigen Auf- und Abstieg. Schmal und stellenweise so steil, dass die Hände zur Hilfe genommen mussten. Es war der kürzeste Weg von einer zur nächsten Bucht und ein toller Weg, der an einem Strand endete, an dem ich mich nur noch schwer beherschen konnte. Aber da noch zwanzig Kilometer vor mir lagen, habe ich den Wunsch ins Wasser zusteigen verworfen. Zum Einen spannt das Salz des Wassers sehr unangenehm auf der Haut, wenn es getrocknet ist und zum Anderen müssen nur ein, zwei Sandkörner zwischen den Zehen verbleiben und es gibt womöglich richtige Probleme. Der Weg verlief über mehrere Kilometer am Strand. Zum Glück war gerade Ebbe, sodass ich prima auf dem harten, feuchten Sand laufen konnte, sonst wäre es eine ziemliche Quälerei gewesen. Lustig die Blicke derer, die nicht wissen, dass hier ein Pilgerweg verläuft. Vollbekleidete Personen mit Rucksack, Stock und Hut, rennen über den Sand.
Gegen 16.00 h kam ich in der Kultherberge von Pater Ernesto an. Wobei Herberge trifft es nicht ganz, es war eher eine Pilgeranlage mit einer gigantischen Organisation. Es gab in den ursprünglichen Gebäuden, neben einer großen Bibliothek, einem sehr großen Aufenthaltsraum auch klassische Pilgerräume mit vielen Betten, aber es gab auch Bungalows für zwei bis fünf Personen mit WC und Dusche. Eine sehr schöne Kapelle, von der ich ein Panoramafoto gemacht habe, stand als Andachtsraum ebenfalls zur Verfügung.
Ich zählte ungefähr 100 Leute, die alle einen guten Patz bekommen haben und für noch mehr Menschen stehen Zeltbungalows zur Verfügung, die ebenfalls über Betten und Strom verfügen.
Es gab ein schönes, gemeinsames Abendessen sowie ein spanisches Frühstück, d.h. Brot, Konfitüre und Kaffee.
Alles auf Spendenbasis! Es gibt auch keine kirchlichen oder kommunalen Zuschüsse. Da kann ich auch verstehen, dass eine halbe Stunde vor dem Abendessen eine Versammlung aller Pilger stattfindet, bei der in spanischer und englischer Sprache über die Entstehung, die Entwicklung und eben auch über die Notwendigkeit gesprochen wurde, an seinen Obulus zu denken. bei dieser Gelegenheit wurde auch ein Weg beschrieben und den Pilgern als besonders schön ans Herz gelegt, der etwas vom normalen und gekennzeichneten Pilgerweg abweicht.
Das Abendessen war einfach und gut. Es gab Suppe und Nudeln, dazu Wasser und Wein, als Nachtisch Obst. Toll waren die zwei großen Essenstafeln. Als wir beim Nachtisch angekommen waren, kam Pater Ernesto selbst noch mal mit seiner Dolmetscherin an die Tische. Und du kannst an den Augen mancher Pilger sehen, wie schnell Gurus und Sekten-Strukturen geboren sind.
Meine Hütte teilte ich mir mit einem Franzosen, einem Schwaben und zwei sehr sympathischen Italienern. Der Schabe kann von Glück reden, dass es sich bei der Hütte um Massivbauweise handelte, sonnst wäre er heute noch mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Was hat der geschnarcht. Die Italiener haben morgens auch ganz suptil gefragt wie ich geschlafen hätte. Ich sagte, dass wir dafür kein Tigerproblem hatten. Fröhlich winkend fuhr der einzige Ausgeschlafende, ("Da hätte ich doch fast verschlafen!") mit seinem Fahrrad eine halbe Stunde später an mir vorbei. Das war ein Typ...
Etwas später kam ich an der oben angesprochenen Wegvarianten an, die ich einfach den Pfeilen und nicht der Empfehlung nach ging. Allerdings war festzustellen, dass der Weg angepasst wurde und was sich auch wirklich gelohnt hat. Es bleibt festzuhalten, dass es sich um eine gute, aber mittlerweile überflüssige Empfehlung handelt. Denn wer sich dran hält, klettert erst mal einer zu. Strand und von dort aus hoch auf die Klippen, um sich da dann mit dem regulären Weg zu verbinden. Der Klippenweg war die absolute Wucht. Es verlief bis auf wenige Ausnahmen fast ausschließlich einen halben bis ein Meter von der Abbruchkante entfernt und bot einen tollen Blick über die kleineren Buchten bis hin zur Bucht von Santander. Diese Bucht wurde wieder mit Hilfe einer Personenfähre überquert. Santander war mir persönlich sehr unsympathisch, so dass ich den Entschluss, den ich abends zuvor mit den Italienern getroffen hatte sehr gut hieß. Die Altstadt lohnt sich gar nicht. Warum? Weil es sie nicht gibt! Im Jahre 1941 hatte ein verheerender Tornado, wie es ihn in Europa nur sehr selten gibt, die komplette Altstadt verwüstet. Es wurde im einheitlichen Baustil wieder aufgebaut. Will sagen, eher langweilig. Klugscheißer-Wissen: Santander wird im übrigen nicht San - tander ausgesprochen, wie es viele, auch die ehemaligen Citibank Angestellten, die von der Banco de Santander übernommen wurden tun, sondern Sant - an - der, wie es mir von verschiedenen Spaniern auf Nachfrage bestätigt wurde.
Mit dem Zug ging es dann durch sehr stark industralisierte Peripherie, zwei Etappen weit nach Barrea, von dort nur noch an einem riesigen Solvaywerk vorbei und dann wieder durch schöne Landschaft, 10 km nach Santillana de Mar. Unterwegs schüttete es wie aus Containern, Oh wie schön ist es einen ordentlichen Poncho zu besitzen. Und Finger weg von Wolfskin-Schuhen. Das gleiche Thema wie bei den reklamierten Schuhen, dessen Reklamation anerkannt wurde, der linke Schuh zieht Wasser.
Um 17.00 kam ich in Santillana de Mar an, wo die Italiener bereits bei einem Bier saßen Ich bin nach Wanderführer ausgesfiegen, die beiden haben eine Bahnangestellte gefragt und sind nur fünf Kilometer gelaufen.
Santillana de Mar ist eine Puppenstube des Mittelalters. Der Wanderführer vergleicht es mit Rothenburg a. d. Tauber. Mein Gott, was für Menschenmassen. Und das an einem Dienstag. Die komplette Stadt, komplett ausgebucht. Ich hatte bereits dreißig Kilometer und ging weiter. Der nächste Ort mit Herbergen 12 km entfernt, ungefähr 300 Höhenmeter. Es gab unterwegs doch mittlerweile Herbergen, von denen mein Wanderführer nichts weiß, aber alle ausgebucht. Ich erreichte Cóbreces gegen 21.00 h, weil ich keine Möglichkeit einer Pause ausgelassen habe und mir zwischenzeitlich auch dringend trockene Socken anziehen musste.
Ich bin davon ausgegangen auf einer Bank zu schlafen und schellte bei einer kleinen empfohlenen Herberge, um schon mal für morgen zu reservieren. Auch für den anderen Tag ist bereits alles ausgebucht, aber in hundert Metern ist eine weitere Herberge...