5. Kustom Kulture Show Helsinki
Text und Bilder: Peter Su Markus
Seit einigen Jahren lassen sich die unterschiedlichen kreativen Strömungen unserer Szene im zunehmenden Maße unter der Überschrift "Kustom Kulture" miteinander verbinden. Die Pflege eines Livestyles der das ursprüngliche Lebensgefühls der Straße mit der Idee urbaner Freigeistigkeit und der erfrischenden Kreativität nachrückender Generationen verbindet und im besten Fall unvoreingenommen einzelne Stränge zusammenführt, die sich obwohl sie sich im Ursprung auf eigenen Bahnen entwickelten, harmonisch ins Ganze fügen.

Auch wenn die Fahrzeuge der Kustom Kultur, egal ob auf sie auf zwei oder auf vier Rädern bewegt werden, auf der Straße zunehmend als die in ihren Linien reduzierten Gegenstände der freien Bewegung betrachtet werden, behauptet der künstlerische Aspekt im Aufbau und der Präsentation dieser Fahrzeuge gerade im Rahmen der Show nach wie vor seinen festen Platz. Im Zuge einer weltumspannenden Begeisterung für das Thema, füllen die Kustom Kulture Veranstaltung inzwischen die Kalender echter Szenegänger und da sich in Zeitalter der Globalisierung nahezu jeder Ort der Welt einfach erreichen lässt, gibt es genügend Anlässe die Kustom Kulture entsprechend der kulturellen Eigenheiten des ausrichtenden Landes und seiner Bevölkerung zu feiern.

Dass das raue Klima der Wintermonate dem Erfolg dieser Veranstaltungen nicht im Weg steht, belegt die alljährlich Anfang Dezember im fernen Japan stattfindende Yokohama Hot Rod Show. Nun liegt Yokohama auch im Winter unter dem Einfluss eines eher milden Pazifikklimas und lockt so gerade die Besucher, die den winterlichen Gegebenheiten ihres Landes zumindest für die Dauer eines Kurztripps zu entkommen suchen, auf der anderen Seite liegt Yokohama aber auch nicht gerade mal ums Eck.

Mit Helsinki sieht es da schon deutlich anders aus, zwar verspricht der Winter dort tatsächlich Winter zu sein, von Deutschland aus ist es jedoch bequem in gut drei Stunden zu erreichen und weil uns die Finnen in der Vergangenheit immer wieder mit ihren ausgesprochen kreativen Zweiradkreationen überraschten, war der Entschluss zum Besuch der 5. Kustom Kulture Show in Helsinki, allen winterlichen Vorbehalten zum Trotz schnell gefasst. Belohnt wurde unser Mut mit einer kleinen, mit ausgesuchten Fahrzeugen fein gefüllten und künstlerisch hochkarätig besetzten Show in der beeindruckenden Kulisse des ehemaligen Kabelwerks am Rande Helsinkis.

Während die Ausstrahlung der Stadt mit ihrer Nähe zur russischen Grenze vor allem im grauen Winter noch etwas von der Atmosphäre des kalten Krieges des vergangenen Jahrhunderts spüren lässt, spricht das allgegenwärtige Angebot an Kunst und damit an kreativ geprägten Orten die Sprache des neuen Helsinki. Dass sich das Veranstaltungsteam um Marco "Platu" Plating das ehemalige Kabelwerk, das neben der großen Veranstaltungshalle, drei Museen und unzähligen Galerien beherbergt, zur Durchführung ihrer Show ausgesucht haben, dürfte also kein Zufall sein.

Bereits am Freitag herrschte in der Halle und den angrenzenden Galerien rege Betriebsamkeit und die Sprachenvielfalt, mit denen die eintreffenden Aussteller und Künstler den Raum füllten, machte deutlich, das sich die hier präsentierten Inhalte nicht auf die finnische Kustom Kulture beschränken sollten. Neben den Finnen, zeigten Künstler aus Russland, dem Baltikum und vor allem aus Japan ihre sehr persönlichen Interpretationen des Themas. Da man die japanische Szene bei uns inzwischen gut kennt, galt unser Interesse vor allem den Auf- und Umbauten des Ostens, die man bei uns eher weniger zu Gesicht bekommt. Eine Ausnahme stellt dabei Andy Niemi von Flying Choppers dar, dessen Arbeit wir euch im folgenden Bike Portrait vorstellen werden.

Als langjähriger aktiver Teilnehmer der Kustom Kulture Forever ist er in Deutschland längst kein Unbekannter mehr und bietet uns über seine Aufbauten immer wieder Einblicke in das finnische Chopperverständnis. Das dieses Verständnis nicht frei aller bürokratischen Hindernisse in einem, von uns häufig unterstellten Chopper Schlaraffenland entwickeln und gelebt werden kann, versichert uns Jussi Pakalen der den Belag der Straße vor seiner Werkstatt in Helsinki aus auf den von ihm gebauten  Bikes im Stil der alten Schule unter die Räder nimmt und dabei bereits das eine oder andere Mal an den Hürden der auch in Finnland geltenden Bestimmungen gescheitert ist.

Am Beispiel seines, in der Show gezeigten Diggers erläutert uns Jussi einen Teil dieser Hürden. Geplant war der Digger ursprünglich mit einem sehr schön hergerichteten BSA Motor, mit dem er sich bis zur Vorführung bei den Zulassungsbehörden auf der sicheren Seite fühlte. Doch dann gab es irgendwelche Probleme mit den Herkunftsdaten und der Motornummer und diese besiegelten dann relativ schnell das Ende des Projekts, zumindest in Richtung BSA. Da sich Jussi in der Bringschuld für die Show sah und ihm die von den Behörden abgesegnete Straßentauglichkeit seiner Bikes wichtig ist, ersetzte er den BSA Motor kurzerhand durch den Motor seiner Harley, was der Idee des Diggers unserer Meinung nach keinen Schaden zufügt, in den sich daraus ergebenden Änderungen am bereits fertigen Fahrwerk jedoch sicher nicht so einfach war wie es uns Jussi schildert.
Beim Blick auf die in der Show gezeigten Bikes haben wir uns vor allem auf die optisch und technisch gelungenen Ausführungen beschränkt und die Kreationen außen vor gelassen, die zwar auf durchaus beeindruckende Art und Weise beispielhaft dafür sein könnten, was sich so alles im Bereich der kreativen Handwerkskunst realisieren lässt, gleichzeitig aber auch in aller Deutlichkeit die Frage nach dem Sinn des Tuns in den Raum stellt und die Nachteile langer, vornehmlich düsterer Wintermonate verdeutlicht. Dass dies auch anders sein kann, belegten die Künstler, die sich der Arbeit mit Farbe verschrieben haben. Sei es am Fahrzeug, an einzelnen Fahrzeugteilen oder im Rahmen eines reinen Kunstobjekts hatte man sich hier in allen Bereichen der Qualität und der Auslotung aller Möglichkeiten verschrieben.

Unter der Überschrift Helsinki Photo Harvest Exhibition  wurden im Rahmenprogram ausgesuchte Fotos zur facettenreichen Entwicklung skandinavischer Hot Rod und Chopper Geschichte gezeigt. Darüber hinaus gab es einen Tattoo Bereich und auch das auf zwei Bühnen gebotene musikalische Programm ließ beim Besucher kaum noch Wünsche offen und wem all das noch nicht reichte, der hatte die Möglichkeit sich beim sonntäglichen Swap und Vintage Markt mit all dem einzudecken, von dem er bis zu diesem Tag nicht einmal wusste, das er danach suchte.

Überhaupt gefällt uns der Gedanke Veranstaltungen zunehmend nach dem Motto "was ich suche, weiß ich wenn ich es gefunden habe" zu besuchen und dabei einmal mehr die eingefahrenen Pfade des Mainstreams zu verlassen.
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