Die Binnenperspektive: Die innere Struktur der Stadt

Verschiedene Betrachtungsweisen nach Heineberg:

- Morphologische Stadtgliederung

- Morphogenetische Stadtgliederung

- Flächen- und Gebäudenutzungen ("Funktionale" Stadtgliederung)

- Bodenrentenmodelle

- Sozialräumliche Stadtgliederung

- "Social area analysis"

- Faktorialökologische Stadtgliederung

- Aktions- und wahrnehmungsräumliche Stadtstrukturanalyse

 

Morphologische Strukturanalyse, physiognomische Strukturanalyse

= Beschreibung, Erfassung und Deutung der "Stadtlandschaft", d.h. der physiognomisch wahrnehmbaren "dinglich erfüllten Erdoberfläche"; weiterentwickelt zur Stadtbildanalyse

Elemente der Stadtlandschaft:

- Grundrißgestaltung: Straßennetz, Parzellengliederung, horizontale Anordnung der Bauten

- Aufrißgestaltung: Geschoßzahl, Fassadengestaltung, Dachformen

Ziel: ganzheitliche Gestaltwahrnehmung der Stadtlandschaft ("Erfassung und Deutung") meist verknüpft mit genetischer Deutung und regionaler Typisierung, z.B. Siegfried Passarge: Stadtlandschaften der Erde. Hamburg 1930;
Peter Schöller: Die deutschen Städte. Wiesbaden 1967 (behandelt vor allem regionale Bautraditionen).

Kritik: Der traditionelle physiognomische Ansatz erschöpfte sich meist in einer teilweise oberflächlichen Beschreibung von Bauformen. Gefahr: Ausklammerung sozialer und politischer Zusammenhänge.

Andererseits: Dieser Ansatz ist auch heute noch (bzw. wieder) bedeutsam, wenn der methodische Ansatz reflektiert wird. So läßt sich die Stadtlandschaft als ein Ensemble von "Zeichen" auffassen und die morphologische Stadtgeographie hätte die Aufgabe, die Sinngehalte dieser Zeichen zu verstehen und zu interpretieren.
= "Lesen der Stadtlandschaft als Text"; "Semiologie der Stadtlandschaft". Dies wäre ein geisteswissenschaftlicher (bzw. kunstwissenschaftlicher) Ansatz in der Stadtgeographie. Heute erhält dieser Ansatz im Zuge der Wiederentdeckung ästhetischer Stadtbildqualitäten in der Ära der Postmoderne eine neue Aktualität. Außerdem behält der morphologische Ansatz seinen didaktischen Wert, z.B. im Rahmen von Exkursionen.

Morphogenetische Stadtgliederung

Ansatz: Genetische Deutung der Stadtform und -gestalt; Deutung der Stadtlandschaft als "Palimpsest" (d.h. wie eine mehrfach überschriebene Handschrift); Ziel u.a.: Gliederung der Stadt in historisch relativ einheitlich gestaltete Gebiete.

= dominante Betrachtungsweise in der vom Historismus beeinflußten Phase der Kulturgeographie, d.h. etwa zwischen 1900 und 1950. Methodologie: nicht Erklärung nach dem Vorbild der positivistischen Naturwissenschaften, sondern "Verstehen" des Gegenstands als Ergebnis historischer Prozesse.

Heute neue Aktualität wegen der Renaissance der hermeneutischer Methodologie und wegen der praktischen Bedeutung der Ergebnisse für Stadterhaltung und Denkmalschutz.

 

Methoden:

- Kartierung und historisch-genetische Einordnung von Gebäuden, Gebäude-Ensembles und der ganzen Stadtlandschaft;

- Vergleich mit historischen Karten, insb. mit dem Urkataster, d.h. der ersten exakten Vermessung und Kartierung aus der ersten Hälfte des 19. Jh. (d.h. im wesentlichen vor den tiefgreifenden Veränderungen der Industrialisierung!);

- Auswertung von archivalischen Quellen (insb. Bürgerbücher, Steuerregister) zur Rekonstruktion der Gebäude- und Sozialtopographie teilw. bis zum Mittelalter.

Warum gerade Verknüpfung von morphologischer und genetischer Betrachtung?

- Wissenschaftsgeschtliche Entwicklung: Landschaftskonzept der Geographie und Historismus der Kulturwissenschaften trafen zusammen;

- aber auch sachlich begründet: hohe Persistenz der baulichen Struktur;

- Wiederentdeckung der ästhetischen Stadtbildqualität in der Postmoderne (s.u.).

Bsp. Hameln

- historische Grundrißanalyse (Straßenführung, Tore, Parzellengliederung);

- historische Aufrißanalyse (ältere Schicht meist giebelständig; Barock: überwiegend traufständig; 19. Jh.: häufig Traufhaus mit Zwerchgiebel);

Konsequenzen für Altstadtsanierung: Silhouette mit Kirchtürmen, Sichtbeziehungen zu bedeutenden Einzelbauwerken, raumbildende Wände an Straßen und Plätzen, Geschlossenheit von Straßenräumen durch "Visierbrüche", Ensemblewirkung von Gebäuden auch ohne baugeschichtlichen Rang.

Wiederentdeckung der historisch gewachsenen Stadtbilder in der postmodernen Stadt:
z.B. Architekturtheoretiker Ungers: große Städte werden zum "Städtearchipel"; d.h. sie sind zusammengesetzt aus Stadtteilen mit einer spezifischen Identität, die sich vor allem in der Morphologie dokumentiert: Blockrandbebauung, offene Zeilenbauweise, Aufriß, Geschoßzahlen usw. Einheitlich gebaute Städte wären ein Alptraum, gerade die Komplexität aufgrund der Vielfalt der "Städte in der Stadt", die sich aus der historischen Entwicklung ergibt, macht den Reiz der europäischen Städte aus. Solche Stadtinseln mit einem bestimmten Charakter sollten nicht ständig dem Zeitgeschmack angepaßt werden, sondern ihre Identität bewahren und pflegen.

 

Flächen und Gebäudenutzungen ("Funktionale" Stadtgliederung)

= Beschreibung und Darstellungen der Flächen- und Gebäudenutzungen und Erklärung ihrer räumlichen Verteilung und Anordnung (Nutzung auch = Raum"funktion").

Methodologisch: Abkehr vom Historismus; Hinwendung zum szientifischen Fachverständnis ("Beschreibung und Erklärung"); Blütezeit: ca. 1950-1980.

Methode: Beschreibung und Dokumentation der Flächen- und Gebäudenutzungen mit Hilfe von Kartierungen (häufig aufwendige Farbkartographie). Damit kann die räumliche Anordnung der Nutzungen im Stadtraum dargestellt werden.

Ziele: a) Gliederung (Regionalisierung) des Stadtraums in "funktionale Einheiten"
(= traditioneller landschaftskundlicher Ansatz),
b) Ausgangspunkt für Theoriebildung zur Erklärung der Nutzungsstruktur
(= neuerer szientifischer Ansatz).

Eine allgemein verbindliche und universell geeignete Klassifikation von Flächen- und Gebäudenutzungen gibt es nicht. Diese muß je nach spezifischer Fragestellung entwickelt werden!

Häufig benutzte Kategorien in Anlehnung an die BauNVO "Art der baulichen Nutzung": Wohnbauflächen, gemischte Bauflächen, gewerbliche Bauflächen, Sonderbauflächen, Verkehrsflächen, Flächen für Versorgungsanlagen, Grünflächen, Wasserflächen, Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen etc., Flächen für die Landwirtschaft u. Forstwirtschaft. (Die -Darstellung dieser Nutzungen in den Planungskarten ist durch die Planzeichen-VO geregelt.)

Für andere wissenschaftliche Zwecke sind aber i.d.R. andere bzw. meist problemspezifisch differentiertere Systeme möglich und sinnvoll!

Dokumentation von urbanen Flächennutzungen und funktionalen Stadtgliederungen ermöglicht eine detaillierte Beschreibung und allenfalls eine "genetische Deutung", enthält jedoch noch keine Erklärung der räumlichen Stadtstruktur. Wichtige Ansätze zur Erklärung:

- empirische, induktive Generalisierungen (Burgess, Hoyt, Harris & Ullman)

- Bodenrentenmodell (Alonso)

- Sozialraumanalyse (Shevky & Bell) und Faktorialökologie (Berry)

 

Empirische, induktive Verallgemeinerungen:
Modelle der klassischen Sozialökologie

Weitaus bedeutendster Ansatz: "Ringmodell" = "Modelle konzentrischer Ringe"

Ernest W. Burgess & Robert E. Park (Hrsg.): The city. Chicago 1925.

= sog. "Chicagoer Schule der Stadtsoziologie", u.a. beeinflußt von Georg Simmel.

Modell der konzentrischen Ringe ist im wesentlichen eine induktive Verallgemeinerung aufgrund von Beobachtungen in nordamerikanischen Städten, insb. in Chicago.

Folgende "Ringe" werden unterschieden (in Chicago nur als Halbkreise ausgebildet wegen der Lage am Michigan-See): 1) "Loop" ("CBD"), 2) Übergangszone, 3) Arbeiterwohnzone, 4) Mittelschicht-Wohnzone, 5) Pendlerzone.

 

Begründung:
a) Wettbewerb um Bodennutzung (Analogie zur Biologie, Einfluß Darwins),
b) historische Entwicklung (Zonen als "Wachstumsringe").

 

Kritik: Modell ist weitgehend deskriptiv und sehr simpel, es gilt nur sehr begrenzt im historischen und kulturellen Zusammenhang. Biologische Analogie ist problematisch.

 

"Sektorenmodell" von Hoymer Hoyt 1939.

Grundlage: vergleichende Mietpreisuntersuchungen in US-Städten.

Ergebnis: Es gibt allgemeine räumliche Muster, die sich nicht in das Ring-Modell pressen lassen; statt dessen sind häufig Sektoren unterschiedlicher Mietpreishöhe zu beobachten. Dies entspricht sozialen Gliederung nach Statusgruppen.

Begründung: Wettbewerb um Flächen und Anziehung bzw. Abstoßung von Nutzungen: Industrienutzungen bei Eisenbahnen u. Wasserwegen; Arbeiterwohngebiete bei Industrien, Oberschichtgebiete weit entfernt von Industrien, nahe bei Parks.

= Konstruktive Kritik des Ringmodells; dieses wird ergänzt und modifiziert.

 

"Mehr-Kerne-Modell" von Chauncy D. Harris und Edward L. Ullman 1945.

Entstand ebenfalls aus konstruktiver Kritik. Ausgangsthese: Die großen Städte wuchsen meist nicht von einem einzigen Zentrum aus in unbesiedeltes Umland, sondern durch Integration von bereits vorhandenen Kernen. Außerdem haben bestimmte Nutzungen (z.B. Schwerindustrie) bestimmte Standortanforderungen, die sich weder in das Ringmodell noch in das Sektorenmodell pressen lassen. Deshalb: unregelmäßige Anordnung verschiedener Nutzungen bzw. Nutzungsgebiete ("natural areas"). In der Nachkriegszeit wurde dieser Trend durch die autobahnorientierten Shopping-Center verstärkt.

 

Kritik:

- Aussagekraft begrenzt, insb. auf USA und erste Hälfte des 20. Jh.

- Begrenzung der Betrachtung auf horizontale Nutzungsdifferenzierung.

- Theoriedefizit: Die Modelle haben nur eine geringe Erklärungskraft.

 

Vertikale Erweiterung des Ringmodells nach Harold Carter 1972

Bezieht die drei inneren Ringe (Kernzone, Übergangszone, innere Wohnzone) auch auf die vertikale Differenzierung der Gebäudenutzungen. Zeigt damit die räumliche Überlagerung der verschiedenen Nutzungen.

Begründung: Entscheidend für die Nutzungsdifferenzierung ist die Zugänglichkeit, die nicht nur horizontal, sondern auch vertikal abnimmt.

Kritik: nur grobe Skizze, vertikale Nutzungsdifferenzierung ist kaum regelhaft ausgebildet (z.B. Büros).

 

Bodenrentenmodelle

R. V. Ratcliff 1949; Brian J. L. Berry 1959; William Alonso 1964.

= ökonomischer Ansatz zur Erklärung der räumlichen Stadtstruktur.
Kernthese: Räumliche Differenzierung von Nutzungen ist ein Ergebnis von Marktprozessen, insb. des Bodenmarkts.

Entscheidende Größe: Fähigkeit zur Zahlung von Bodenrente. Diese Größe variiert in Abhängigkeit von der Nutzungsart und von der Distanz zum Stadtzentrum (= "Rentenangebotsfunktion" = "bid rent function"). Bei Überlagerung der Rentenangebotsfunktionen setzt sich die Nutzung mit der höchsten "Lagerente" durch, so daß ähnlich wie bei dem Thünen-Modell konzentrische Ringe von Nutzungszonen und Bodenwerten entstehen.

Dieses Modell kann weiter differenziert werden (z.B. Subzentren).

Kritik:

- setzt freien Bodenmarkt voraus (insofern historisch und kulturell begrenzt)

- vernachlässigt den öffentlichen Sektor (Stadtplanung usw.)

- reine ökonomische Theorie ist teilw. realitätsfern (irrationale Handlunge, Macht etc.)

 

 

Sozialräumliche Stadtgliederung

= Gliederung bzw. räumliche Differenzierung nach sozialen bzw. sozialökonomischen Merkmalen (= Variablen) der Bevölkerung ("Segregation")

Dies ist ein Forschungsgebiet sowohl der Stadtgeographie als auch der Stadtsoziologie (Segregationsforschung).

Empirische Untersuchungen hängen wesentlich ab von der Verfügbarkeit geeigneter Daten: BRD:

- amtliche Zählungen finden nur in großen Intervallen statt (wenn überhaupt);

- amtliche Zählungen berücksichtigen nicht alle relevanten Merkmale;

- Daten sind kleinräumig aufgeschlüsselt häufig nicht verfügbar.

Methodische Probleme:

- Aggregationsniveau (interne Homogenität der kleinsten Einheiten?)

- Exzessive Datenmenge (Verdichtung? Interpretation?)

 

 

Sozialraumanalyse

= "Social area analysis", 1949/55 am Bsp. von Los Angeles von E. Shevky u. W. Bell begründet. Methodischer Ansatz: Auswahl und Interpretation der Daten muß theoriegeleitet sein.

Bezugsrahmen: "Theorie des sozialen Wandels" mit dem Grundpostulat wachsender Differenzierung und Komplexität der städtischen Gesellschaft; daraus werden drei Grunddimensionen mit 7 Indikatoren abgeleitet:

1. Sozialer Rang 1. Anteil der Arbeiter und Handwerker

2. Anteil der Personen mit Volksschulbildung

3. Miethöhe

2. Urbanisierung 4. Fruchtbarkeitsquote

5. Anteil erwerbstätiger Frau

6. Anteil Einfamilienhäuser

3. Ethnische Segregation 7. Ausländeranteil (bzw. Nichtweiße)

Kritik:

- positiv: theoretischer Bezugsrahmen für Variablenauswahl und Interpretation; Überwindung des induktiv-empiristischen Ansatzes;

- Deduktion der Indikatoren aus dem allgemeinen Konzept des sozialen Wandels ist nicht zwingend, sondern eher locker und spekulativ;

- Unabhängigkeit und Gleichgewichtung der Variablen werden vorausgesetzt;

- Variablen zur Raumausstattung fehlen;

- erlaubt grobe Klassifikation, geeignet für Vergleiche.

 

 

Faktorialökologie ("Factorial ecology")

Methodischer Fortschritt: Verwendung multivariater statistischer Verfahren, insb. der sog. "Faktorenanalyse"

Faktoren- bzw. Hauptkomponentenanalyse: mathematisch-statistisches Verfahren, basierend auf der multiplen Regressions- und Korrelationsanalyse. Sie "bündelt" solche Variablen, die untereinander hoch korrelieren, zu neuen abstrakten Dimensionen ("Faktoren"). Vorteil: Eine Gruppe von Variablen, die alle etwas Ähnliches beschreiben, wird durch eine einzige neue Variable, die den größtmöglichen Anteil der Ausgangsinformation enthält, ersetzt; die neuen Kunstvariablen sind untereinander unabhängig (= unkorreliert), d.h. sie enthalten keine redundante Information. Vorteil: Informationsverdichtung.

Zwei empirische Beispiele:

Ph. Rees über Chicago

J. V. O'Loughlin u. G. Glebe über Düsseldorf

Inzwischen liegt eine Fülle von faktorialökologischen Stadtstrukturanalysen aus allen Teilen der Erde vor. Neuere Tendenz: weniger ganzheitliche Strukturuntersuchungen, sondern als Analyseschritt im Rahmen von Untersuchungsstrategien mit spezielleren Fragestellungen.

Kritik:

- Anwendung der Faktorenanalyse bietet nur "Scheinobjektivität";

- Faktorialökologie geht überwiegend induktiv vor; zur Interpretation wird aber oft auf das Shevky-Bell-Begriffsschema zurückgegriffen.

- Wirklich fruchtbar wird dieser Analyseansatz, wenn darauf weiterführende weiterführende Untersuchungen aufbauen, z.B.

- interlokale bis interkulturelle Vergleiche,

- historische Längsschnittuntersuchungen,

- unabhängiges Variablensystem z.B. zur Analyse von Wahlen, Kriminalität usw.

Insg.: Heute werden die methodischen Probleme und die begrenzte inhaltliche Aussagekraft deutlich gesehen; dennoch Standardrepertoire der Stadtgeographie!

 

 

Aktions- und wahrnehmungsräumliche Stadtstrukturanalyse

Hier andere Betrachtungsebenen:

Aktionsraumforschung: Individualebene des beobachtbaren menschlichen Handelns;

Perzeptionsforschung: subjektive Vorstellungsebene (als mentale Dimension des menschlichen Handelns).

Innerstädtische Aktionsraumforschung: untersucht die räumlichen Bewegungen von Individuen im Stadtraum.

Typologie nach Zwecken: - Arbeit, - Schule/Kindergarten, - Einkaufen, - Freizeit usw.

Einige empirische Ergebnisse:

- Versucht man, die Einzelaktivitäten zu aggregieren, so entstehen "persönliche Kommunikationsfelder"; diese unterscheiden sich signifikant nach sozialökonomischer Lage und Alter (vgl. Schema von Kolars u. Nystuen).

- Zentrum der Aktivitäten ist der Wohnstandort; bei suburbanen Wohnstandorten sind die Aktionsräume in der Regel sektoral ausgebildet (vgl. Bsp. Augsburg von Poschwatta).

- Eine vertiefte Erforschung aktionsräumlicher Aktivitäten fällt eher in das Gebiet der Sozialgeographie. So beschäftigt sich die Aktionsraumforschung mit Zeit-Budgets, strukturellen und raumzeitlichen Handlungsschranken ("constraints") und versucht, die allgemeine sozialkulturelle Handlungstheorie um die räumliche Dimension zu erweitern.

Zur Erklärung menschlicher Aktivitäten im Stadtraum muß die Perzeptionsebene mit einbezogen werden, denn die physische "Umwelt" wirkt auf menschliche Handlungen nicht unmittelbar, sondern über den sog. "Perzeptionsfilter".

Bahnbrechend: Kevin Lynch: The image of the city. Cambridge, Mass. 1960.

(dt. Übers.: Das Bild der Stadt. Braunschweig 1975)

Lynch ließ Personen ihre städtische Umwelt skizzieren, so daß "kognitive Karten"
(= "mental maps") entstanden. Seitdem hat sich eine ganze Forschungsrichtung entwickelt: "Wahrnehmungsgeographie".

Damit wird der Ansatz der Stadtgeographie wesentlich erweitert: Nicht mehr nur der physische Raum der Stadtlandschaft und die Verteilung von (in Gruppen oder individuell handelnden) Menschen im Raum der Stadt werden untersucht, sondern die geistige Welt der mentalen und sozialen Repräsentationen der physischen Welt. Man muß diese Repräsentationen jedoch kennen, um das Handeln und Verhalten der Menschen angemessen verstehen und erklären zu können. In der "new cultural geography" geht es denn auch immer weniger um die Stadt als physisches Objekt der Erdoberfläche, sondern um Repräsentationen (Images von Städten und kulturelle Konstrukte als Ergebnis von Kommunikationsprozessen und Machtverhältnissen).