Raumordnungs- und regionalpolitische Konzepte
Das Zentrale-Orte-Konzept
Unter den wichtigsten raumwissenschaftlichen Grundlagentheorien ist zweifellos an erster Stelle die Theorie der Zentralen Orte zu nennen. Sie wurde 1933 von Walter Christaller in seinem originellen Werk über "Die zentralen Orte in Süddeutschland" entwickelt und hat seitdem sowohl in der Wissenschaft wie auch in der Planungspraxis weltweit ein große Resonanz erfahren.
In den fünfziger und sechziger Jahren gewann die Theorie der Zentralen Orte in den raumbezogenen Wissenschaften eine wachsende Aufmerksamkeit. Zum einen bildete sie einen wichtigen Baustein in den Weiterentwicklungen neoklassisch orientierter Raumwirtschaftstheorien. Zum andern entwickelte sich eine empirisch orientierte geographisch-landeskundliche Forschung, in deren Mittelpunkt die Klassifizierung von Siedlungen nach ihrer Zentralität und die Abgrenzung ihrer Verflechtungsbereiche standen. In den sechziger und siebziger Jahren fand das aus der Theorie abgeleitete Modell hierarchisch gestufter Zentraler Orte und ihrer Bereiche auf breiter Front Eingang in die Raumordnung, Landes- und Regionalplanung.
Eine inhaltliche Darstellung der Zentrale-Orte-Theorie braucht hier nicht gegeben zu werden, da hierfür auf die Standard-Lehr- und Handbücher der Wirtschaftsgeographie und Raumwirtschaftslehre verwiesen kann. Eine geraffte Darstellung der Grundgedanken der Theorie hat der Verfasser im neuen "Handwörterbuch der Raumordnung" gegeben.
Die Theorie ist allerdings verhältnismäßig kompliziert und als neoklassische Standorttheorie für Laien nicht einfach zugänglich. Dieses Problem hat in der Praxis der Raumplanung dazu geführt, daß einzelne Kernbegriffe aus der Theorie wie z.B. Zentraler Ort, zentrale Funktion usw. entnommen wurden und sich im Sprachgebrauch der Planungspraxis so verselbständigt haben, daß teilweise der ursprüngliche Bedeutungsgehalt verlorenging.
Unter einem Zentralen Ort (Z.O.) versteht man in der Raumforschung (insb. Geographie, Ökonomie) (a) im allgemeinen Sinn eine Standortkonzentration (Cluster) von Einrichtungen, die Güter und Dienste für räumlich begrenzte Marktgebiete anbieten sowie (b) im speziellen Sinn eine Siedlung oder Gemeinde hinsichtlich ihrer Versorgungsfunktion mit Gütern und Diensten insbesondere für ihr Umland. Der allgemeine Begriff des Z.O. liegt der Theorie der Z.O. zugrunde; die geographisch-landeskundliche Forschung sowie Raumordnung und Landesplanung verwenden hingegen zumeist den davon abgeleiteten, auf ganze Siedlungen bzw. Gemeinden bezogenen speziellen Z.O.-Begriff. Dabei ist wiederum zwischen dem analytisch-deskriptiven Z.O.-Begriff der Wissenschaft und dem normativ-instrumentellen Z.O.-Begriff der Raumplanung zu unterscheiden. Im letzteren Sinne einer landesplanerischen Funktionszuweisung wird der Z.O.-Begriff heute weithin in der Öffentlichkeit verwendet.
Die Theorie der Z.O. hatte bereits bei Christaller und Lösch einen explizit normativen Gehalt, da sie nicht nur auf die Erklärung empirischer Phänomene, sondern vor allem auch auf die Ableitung "idealer" Siedlungs- und Marktsysteme zielte. Tatsächlich besitzt das aus der Theorie ableitbare Raummodell der Z.O. und ihrer Bereiche unter den gesetzten Prämissen die Eigenschaft eines gesamtwirtschaftlichen Optimums: Es maximiert die Anzahl der Anbieter(standorte) und führt damit zu einer optimalen Ausschöpfung des gegebenen Marktpotentials. Zugleich ist die Summe der von den Nachfragern aufzubringenden Transportkosten ein Minimum, so daß eine optimale Versorgung der Bevölkerung gegeben ist. Diese Eigenschaft begründete bereits früh die Attraktivität der Z.O.-Theorie für die Raumplanung.
Am Ende der fünfziger Jahren standen zunächst die Probleme ländlicher Räume und die Rolle ländlicher Unterzentren im Mittelpunkt des raumordnungspolitischen Interesses. Um der Abwanderung entgegenzuwirken, wurde der bevorzugte Ausbau ländlicher Mittelpunktsiedlungen angestrebt. Sie sollten nicht nur eine ausreichende öffentliche und private Grundversorgung (Schulen, Sporteinrichtungen, Kreditinstitute, landwirtschaftliche Genossenschaften etc.) gewährleisten, sondern im Regelfall auch Standorte für Industrie und Gewerbe sein.
Der 1963 erschienene erste Raumordnungsbericht der Bundesregierung stellte erhebliche Mängel der Siedlungsstruktur in den ländlichen Gebieten fest. Es bestehe zwar ein ausreichend dichtes Netz von Siedlungen mit zentralörtlicher Bedeutung, doch seien diese aufgrund vielfach mangelhafter Ausstattung und fehlender Verkehrsverbindungen noch nicht überall in der Lage, ihre Aufgaben wirksam zu erfüllen. Dementsprechend forderte das Raumordnungsgesetz 1965 in Gebieten mit "zurückgebliebenen Lebensbedingungen" die Förderung von "Gemeinden mit zentralörtlicher Bedeutung einschließlich der zugehörigen Bildungs-, Kultur- und Verwaltungseinrichtungen".
Während der sechziger Jahre legten sämtliche Länder in ihren Programmen und Plänen die Gemeinden mit zentralörtlicher Bedeutung fest. Damit wurde das Z.O.-Konzept als raumordnungspolitisches Instrument flächendeckend implementiert. Um die Terminologie bundesweit zu vereinheitlichen, definierte die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) 1968 eine vierfache Stufung in Ober-, Mittel-, Unter- und Kleinzentren. Diese "Versorgungskerne ... sollen soziale, kulturelle und wirtschaftliche Einrichtungen besitzen, die über die eigenen Einwohner hinaus die Bevölkerung des Verflechtungsbereiches versorgen. Jedes höhere Zentrum hat zugleich auch die Aufgaben der zentralen Orte niedrigerer Stufe". Während die Unter- und Grundzentren die Aufgabe der "Grundversorgung" erfüllen, dienen die Mittelzentren darüber hinaus der Deckung des "gehobenen Bedarfs" und die Oberzentren der Deckung des "spezialisierten höheren Bedarfs". Der Stufung der Z.O entspricht eine Hierarchie der Verflechtungsbereiche, wobei zwischen (a) Oberbereichen, (b) Mittelbereichen sowie (c) Nahbereichen, die sowohl den Unter- als auch den Kleinzentren zugeordnet sind, unterschieden wird.
In einer weiteren Entschließung forderte die MKRO 1970, die überörtlichen Versorgungsfunktionen der Z.O. im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs zu berücksichtigen. Seitdem ist in den meisten Bundesländern ein Z.O.-Ansatz in das System des kommunalen Finanzausgleichs eingearbeitet worden.
Während in den sechziger Jahren die Ebene der niederrangigen Z.O. und Nahbereiche im Mittelpunkt stand, verlagerte sich die Aufmerksamkeit der Raumordnungspolitik in den siebziger Jahren auf die Mittel- und Oberzentren. Maßgeblich dafür waren die vergrößerten Aktionsräume der Bevölkerung infolge der Privatmotorisierung, veränderte Vorgaben der Fachplanungen für Mindestgrößenschwellen sowie eine zunehmende Kritik an dem ambitionierten und kostspieligen Ziel eines flächendeckenden, am Raster der Nahbereiche orientierten Ausbaus der Versorgung. In einer Entschließung von 1972 betonte die MKRO die herausragende Bedeutung der Mittelzentren und Mittelbereiche für die Versorgung der Bevölkerung und fügte einen Katalog für die anzustrebende Ausstattung der Mittelzentren bei. Auch auf die Funktion der Mittelzentren als vorrangige Standorte für die Schaffung gewerblicher Arbeitsplätze wurde verwiesen.
In der zweiten Hälfte der siebziger und in der ersten Hälfte der achtziger Jahre konzentrierte sich die Diskussion auf die Ausweisung von Oberzentren und die Abgrenzung von Oberbereichen. In einer Entschließung von 1983 betonte die MKRO die besondere raumordnungspolitische Bedeutung der Oberzentren und benannte einen Katalog typischer oberzentraler Einrichtungen. Neben den Versorgungsfunktionen wurde zunehmend die Rolle der Oberzentren als Zentren regionaler Arbeitsmärkte und als Standorte hochwertiger Infrastruktur, beispielsweise des Verkehrs, einbezogen und den Oberzentren eine entscheidende Bedeutung als Kerne "ausgeglichener Funktionsräume" zugemessen. Allerdings kam es nicht zu einer Festlegung von Oberzentren und ihrer Verflechtungsbereiche auf der Bundesebene, und auch das Raumordnungskonzept der ausgeglichenen Funktionsräume konnte sich in der Praxis nicht durchsetzen.
Im Zuge des tendenziellen Bedeutungsverlusts der Raumordnung und der zunehmenden Kritik an vermeintlich starren Raumstrukturmodellen geriet auch das Z.O.-Konzept in den achtziger Jahren in die Defensive. An seiner Verankerung in den Gesetzen, Programmen und Plänen der Raumplanung änderte sich jedoch nichts. Die Förderung von Z.O. gehört gemäß § 2 ROG zu den Grundsätzen der Raumordnung in Deutschland und in allen Bundesländern zu den wichtigsten Zielen und Instrumenten der Landes- und Regionalplanung. In jüngster Zeit erlebt das Z.O.-Konzept aufgrund der deutschen Einigung eine gewisse Renaissance. Nach dem Muster der alten Bundesländer fand es Eingang in die Programme und Pläne der neuen Bundesländer, wo es insbesondere als Leitlinie für die weitreichenden Infrastrukturplanungen dient.
Die praktische Relevanz des Z.O.-Konzepts für die reale Raumentwicklung wird in der Wissenschaft unterschiedlich eingeschätzt. Naturgemäß ist der Einfluß in solchen Bereichen, die unmittelbar dem raumwirksamen Handeln des Staates zuzurechnen sind, am größten. Hier sind in erster Linie die öffentliche Infrastrukturplanung (insb. Krankenhäuser, Schulen, Hochschulen usw.) sowie die Verwaltungsgebietsreformen der letzten Jahrzehnte zu nennen. Im privatwirtschaftlichen Bereich, z.B. im Einzelhandel, werden Standortentscheidungen nur indirekt und mit dem verfügbaren Instrumentarium nur teilweise zielgerecht beeinflußt, insbesondere durch die Regional- und Bauleitplanung. Hingegen war das Z.O.-Konzept weitgehend unwirksam zur Steuerung der allgemeinen Siedlungsentwicklung, speziell zur Vermeidung dispersen Siedlungswachstums.
Das aus der Theorie der Z.O. abgeleitete raumordnungspolitische Z.O.-Konzept war zunächst nur versorgungsorientiert. Zur Verwirklichung des Postulats gleichwertiger Lebensbedingungen zielte es primär auf die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Diensten in zumutbarer Entfernung, wobei sowohl die Z.O. selbst wie auch ihre Bereiche und die darin implizierte normative Bestimmung der zumutbaren Erreichbarkeiten hierarchisch gestaffelt sind.
Eine lebhafte Diskussion kreiste in den siebziger Jahren um die Bestrebung, die Versorgungsaufgabe der in den Programmen und Plänen ausgewiesenen Z.O. um die Entwicklungsfunktion zu erweitern bzw. zu ergänzen. Da Z.O. (im speziellen Sinne) zugleich Standortkonzentrationen öffentlicher Infrastruktur, Zentren regionaler (Teil-)Arbeitsmärkte und in der Regel auch relativ bedeutende Industriestandorte sind, liegt es nahe, ihre raumordnungspolitische Funktion auf umfassendere entwicklungspolitische Aufgaben (Arbeitsmarkt, gewerblich-industrielle Entwicklung, unternehmensorientierte Infrastruktur) zu erweitern. Als theoretische Begründung diente in erster Linie die Wachstumspoltheorie. Demnach galten Z.O. mittleren und höheren Ranges aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Ausstattung und der daraus resultierenden Möglichkeit zur Nutzung von Agglomerations- und Urbanisationsvorteilen als bevorzugte Standorte für die gewerbliche Entwicklung.
Im Raumordnungsbericht 1974 und im Bundesraumordnungsprogramm (BROP) von 1975 führte diese Überlegung zum Konzept der sog. 'Entwicklungszentren', d.h. ausgewählten Mittel- und Oberzentren, die als Schwerpunkte der gewerblichen Entwicklung in Regionen mit Strukturschwächen zum Abbau regionaler Disparitäten beitragen sollten. In konzeptioneller Hinsicht sind Entwicklungszentren ein Element des sog. punkt-axialen Raumstrukturmodells, das aus einem großräumigen System von Zentren (Knoten) und verbindenden Entwicklungsachsen besteht. Allerdings enthält das BROP keine explizite Darstellung der Entwicklungszentren, sondern überläßt diese Aufgabe den Ländern.
Die einzelnen Bundesländer gingen in ihren Programmen und Plänen mit der Erweiterung des (normativen) Z.O.-Begriffs um die Entwicklungsfunktion unterschiedlich weit. Während die Arbeitsmarktfunktion generell zu den Aufgaben eines Z.O. gerechnet wird, betonen insbesondere Baden-Württemberg und Bayern darüber hinaus die Funktion der Z.O. als Instrument der umfassenden Struktur- und Standortpolitik. Nordrhein-Westfalen trennt zwar analytisch zwischen den Versorgungsaufgaben der Z.O. und den Entwicklungsaufgaben von Zentren, doch kommt die Überlagerung beider Funktionen dadurch zum Ausdruck, daß sämtlichen Z.O. mittlerer und höherer Stufe zugleich die Funktion von Entwicklungsschwerpunkten zugewiesen wird.
Die um die Entwicklungsaufgabe erweiterte Funktionszuschreibung führt in der Praxis dazu, daß Z.O. zunehmend als Instrument zur Erreichung umfassender raumordnungspolitischer Ziele aufgefaßt werden. Die sog. 'zentralörtliche Gliederung' wird damit letztlich zu einem raumplanerischen Standortraster mit Allzweckcharakter und ein Z.O. zu einer Gemeinde bezüglich ihrer raumplanerischen Funktion überhaupt. Eine solche verwässerte Begriffsverwendung führt jedoch zur Konfusion, da der konstitutive Bezug zur Z.O.-Theorie verloren geht.
Das Z.O.-Konzept hat sich nicht nur in der Praxis der Landes- und Regionalplanung über Jahrzehnte bewährt, sondern es verfügt auch als eines der wenigen Raumordnungskonzepte über eine respektable theoretische Grundlage. Diese Feststellung gilt trotz vielfacher Kritik und dem Faktum, daß viele theoretische und konzeptionelle Fragen noch ungelöst bzw. umstritten sind.
Nicht nur in Deutschland, sondern nahezu weltweit ist das Z.O.-Konzept zu einem tragenden Element der Raumordnung und Regionalplanung geworden. Seine wichtigsten Anwendungsfelder liegen in der Infrastrukturplanung sowie in der planmäßigen Entwicklung von innerstädtischen Zentrensystemen und regionalen und nationalen Städte- bzw. Siedlungssystemen. Auch für die ökologisch orientierte Raumplanung ist das Konzept bedeutsam, da das zugrunde liegende Modell aufgrund seiner Eigenschaft der Versorgungsoptimierung (durch Minimierung der Versorgungsfahrten) einen wichtigen Baustein für verkehrsvermeidende Siedlungsstrukturkonzepte bildet.
Von besonderer Tragweite ist das Z.O.-Konzept für die Raumplanung in Ländern der Dritten Welt mit übergroßen, schnell wachsenden Metropolen, wo nur durch eine Dekonzentration des Städtesystems die gravierenden regionalen Disparitäten gemildert werden können.
Das Konzept der Wachstumspole
Neben der Zentrale-Orte-Theorie bildet die Theorie der Wachstumspole eine wichtige Basis der Regionalpolitik und Landesplanung für die Entwicklung der Raum- und Siedlungsstruktur. Da auch diese Theorie zum regionalökonomischen Grundkanon gehört und in den einschlägigen Lehr- und Handbüchern vielfach dargestellt wurde, genügen hier einige Hinweise auf die wesentlichen Grundgedanken.
Im Unterschied zur Theorie der Zentralen Orte ist die Wachstumspoltheorie ihrem Ursprung nach weder eine Standorttheorie noch eine Siedlungsstrukturtheorie, sondern eine Theorie ungleichen ökonomischen Wachstums (Polarisationstheorie, entwickelt von Jean Perroux), die erst durch Weiterentwicklungen, vor allem durch J.-R. Boudeville (1968) und J. R. Lasuén (1973), zu einer für die Regional- und Raumordnungspolitik relevanten regionalen Wachstumstheorie wurde.
Lasuén (1973) faßt die wirtschaftliche Entwicklung als einen dynamischen Prozeß auf, bestehend aus einer Kaskade von Innovationsprozessen, deren raumzeitlicher Verlauf vor allem durch das Städtesystem bestimmt wird. Der diskontinuierliche Strom von Innovationen läßt sektorale und regionale "Cluster" von wachsenden und schrumpfenden Betrieben entstehen, deren Wachstums- und Schrumpfungseffekte über die vor- und nachgelagerten Multiplikatoreffekte auf ihre umgebende Region, aber auch auf andere Cluster, ausstrahlen. Inventionen, also die erste Phase von Innovationen, treten vor allem in den Metropolen der Industrieländer auf. Die anschließenden Diffusions- und Adaptionsprozesse folgen in der Regel a) der Städtehierarchie in der Form von hierarchieabwärts gerichteten "Sickereffekten" sowie b) einem räumlich kontingenten Ausstrahlungsmuster in der Form der sog. Nachbarschaftsdiffusion. Die aus den raumzeitlich differentiellen Diffusionsprozessen resultierenden sektoral-regionalen Cluster erzeugen in kurzfristiger Perspektive Wachstums- und Schrumpfungseffekte, in langfristiger Perspektive führen sie zu einer Restrukturierung des ganzen Städtesystems durch den Auf- und Abstieg von Metropolen, Zentren und ganzen Städtegruppen.
Die strategische Bedeutung der Metropolen (und in abgestufter Form auch der nachfolgenden Stufen der Städtehierarchie) für die Wirtschaftsentwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft wird akzentuiert. Interregionale Entwicklungsunterschiede sind unvermeidlich, sie lassen sich aber durch ein ausgewogenes Städtesystem, das die Diffusionsprozesse beschleunigt und sie den Zielen der Raumordnung entsprechend kanalisiert, minimieren.
Nicht die Größe der Städte allein ist für ihre Leistungsfähigkeit im raumzeitlichen Innovationsprozeß entscheidend, sondern ihre qualitative Ausstattung mit innovativen Unternehmen sowie mit Einrichtungen, die gleichsam als Relaisstationen zeitliche Adaptionsvorsprünge ermöglichen. Wesentlich sind in diesem Zusammenhang Informations- und Kommunikationseinrichtungen, wobei die "Hardware-Seite" einer modernen technischen Infrastruktur wahrscheinlich nicht einmal so wichtig ist wie das Know-how, das zur Anwendung und Umsetzung des potentiell verfügbaren Wissens erforderlich ist ("Brain-Ware").
Durch die Verknüpfung der ursprünglich unräumlichen Wachstums- und Polarisationstheorien mit Siedlungsstrukturtheorien wie vor allem der Theorie der Zentralen Orte bietet die Wachstumspol-Theorie eine Begründung für die raumordnungspolitische Schlußfolgerung, das ursprünglich nur versorgungsorientierte Zentrale-Orte-Konzept um die Entwicklungsfunktion zu ergänzen. Dieser Gedankengang lag u.a. dem nordrhein-westfälischen LEP I/II von 1979 zugrunde, indem dort allen Mittel- und Oberzentren die Funktion von Entwicklungsschwerpunkten zugewiesen wurde. Grundsätzlich läßt sich dieser Ansatz auch auf eine denkbare höchste Stufe der zentralörtlichen Hierarchie oberhalb der Oberzentren (metropolitane Stufe) übertragen.
Kritik:
Erstens leidet sie unter einem relativ hohen Abstraktionsgrad und einer ausgeprägten Empirieferne. Zwar ist ihr Fortschritt gegenüber den traditionellen Standort- und Wachstumstheorien unübersehbar, aber viele ihrer Aussagen sind (a) sehr allgemein und (b) weitgehend hypothetisch. Beispielsweise lassen sich aus der Wachstumspoltheorie weder Kriterien für die konkrete Bestimmung von Entwicklungszentren oder Entwicklungsschwerpunkten noch spezifische Gesichtspunkte für die inhaltliche Ausgestaltung von regionalen Entwicklungsstrategien ableiten.
Zweitens geht die Wachstumspoltheorie davon aus, daß die kumulativen Wachstums- (und Schrumpfungs-)prozesse aufgrund der Distanzabhängigkeit von Diffusionsvorgängen und Multiplikatoreffekten regionale Cluster erzeugen. Aufgrund der generellen Abnahme des Distanzwiderstandes und der Zunahme interregionaler Verflechtungen ist diese Annahme bis heute jedoch immer fragwürdiger geworden. Wachstumseffekte, die ein durch die Exportnachfrage entstandenes Wachstums-Cluster auslöst, müssen heute nämlich nicht mehr im wesentlichen in derselben Region wirksam werden, sondern können über das Städtesystem in ganz andere Regionen oder gar Länder transferiert werden.
Drittens schließlich hat die Wachstumspoltheorie den gravierenden Nachteil, daß ihre Theoreme durch die reale Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte (zumindest in den Industrieländern) de facto falsifiziert worden sind. Entgegen der aus der Theorie ableitbaren Annahme, daß mit zunehmender Stadtgröße bzw. Zentralität die besseren Standortvoraussetzungen für industrielles Wachstum (in der Form sektoraler Unternehmenscluster) gegeben sind, zeigt gerade die Entwicklung im produzierenden Gewerbe seit mindestens zwei Jahrzehnten einen genau entgegengesetzten Trend: Die meisten großen Zentren erleiden einen massiven Entindustrialisierungsprozeß, während in weiten Teilen des ländlichen Raumes das produzierende Gewerbe wächst.
Nun läßt es sich zwar argumentieren, daß deshalb noch nicht die gesamte Entwicklungspoltheorie falsch sein muß (weil möglicherweise andere, in der Theorie nicht berücksichtigte Einflußfaktoren die aus der Theorie abgeleiteten Effekte überkompensiert haben), aber solche Rettungsversuche vermögen die wissenschaftliche Attraktivität der Theorie und ihre Eignung als Grundlage für die Politik kaum zu verbessern und ändern nichts an dem Befund, daß die Entwicklungspoltheorie offensichtlich nicht in der Lage ist, die wesentlichen raumwirtschaftlichen Prozesse der letzten Jahre angemessen zu erklären.
Das Konzept der großräumig-funktionalen Arbeitsteilung
und der Vorranggebiete
Das Konzept wurde vor allem in den 1970er Jahren im bewußten Kontrast zur raumordnungspolitischen Hegemonie des Zentrale-Orte-Konzepts entwickelt (insb. von H. Weyl und K. H. Hübler). Ihre Ausgangspunkte:
Die Raumordnungspolitik solle sich von ihrer unrealistischen und schädlichen Nivellierungspolitik verabschieden und die bestehenden großräumig-funktionalen Arbeitsteilungen akzeptieren und gezielt weiterentwickeln.
Ausgangspunkt: Die einzelnen Landschaften und Teilräume des Landes besitzen unterschiedliche "Begabungen", vor allem aufgrund ihrer natürlichen Ausstattung und Lagebeziehungen. Als wichtigste regionale Vorrangeignungen kommen in Betracht:
- landwirtschaftliche Produktion (günstige Ertragsbedingungen wg. Bodengüte)
- Erholung/Tourismus (Nähe zu Ballungsräumen, Küsten und Gebirge)
- ökologischer Ausgleich ("Green belts" und periphere naturnahe Räume)
- Reservefunktion für künftige Siedlungsausweitungen,
- überregionale Infrastrukturfunktion (Seehäfen, Flughäfen, Eisenbahn, Autobahn).
Aufbauend auf einer Bestandsaufnahme und Analyse der Regionen und ihrer Vorrangeignungen können dann in einem politischen Prozeß "Vorranggebiete" für bestimmte Zwecke festgelegt werden. In diesen Vorranggebieten sind Vorkehrungen zu treffen, damit etwaige die Vorrangfunktion störende Nutzungen verhindert werden.
Beispiele für mögliche Vorranggebietsausweisungen:
- Wasserschutzgebiete,
- Nationalparks und Naturschutzgebiete,
- Freiflächen in Ballungsräumen,
- landwirtschaftliche Intensivgebiete?
- große Industrieareale?
- Siedlungsagglomerationen?
Kritik:
- Eine allgemeine Verschärfung regionaler Disparitäten wird toleriert.
- Für die ländlichen Räume entsteht die Gefahr einer "passiven Sanierung"; welche Erwerbsmöglichkeiten hat die in den großen ökologischen Ausgleichsräumen verbleibende "Restbevölkerung"?
- Werden damit ökologische Ziele auf die ökologischen Ausgleichsräume beschränkt, während sie in den Ballungsräumen aufgegeben werden?
- Interregionale Funktionsteilungen führen i.d.R. zu mehr Verkehr.
- Gibt es eine politische Ebene, die diese Festlegungen, ggfs. auch gegen den Widerstand der betroffenen Regionen festlegen kann?
Das Konzept der "ausgeglichenen Funktionsräume"
Entstehung:
Das Konzept wurde insbes. von Detlef Marx und einem Arbeitskreis der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Rainer Thoss u.a.) zwischen dem Ende der 1960er und dem Anfang der 1980er Jahre entwickelt. Es wurde zeitweise vom "Beirat für Raumordnung" des BMBau für die Bundes-Raumordnung favorisiert. Dahinter stand die Vorstellung einer umfassenden indikatorengestützten Steuerung der Regionalentwicklung durch den Staat.
Eckpunkte des Konzepts:
- umfangreiches und qualitativ differenziertes Arbeitsplatzangebot,
- wettbewerbsfähige, krisenfeste Wirtschaftsstruktur,
- Ausstattung mit hochwertiger Infrastruktur auf oberzentralem Niveau,
- gute überregionale Verkehrsanbindung, darunter direkter Autobahnanschluß.
Im allgemeinen sind diese Voraussetzungen erst ab einer bestimmten Mindestgröße gegeben bzw. erreichbar; als grober Richtwert wird eine Einwohnerzahlschwelle von ca. 100.000 angenommen.
Kritik (insb. Ende der 1970er Jahre und in den 1980er Jahren):
Fazit:
Das Konzept wurde nicht implementiert. Als gedanklicher Hintergrund hat es jedoch die Programme und Pläne der Landesplanung in den 1970er und 1980er Jahren beeinflußt.
Das Konzept der dezentralen Konzentration (Punkt-achsiales Siedlungsstrukturmodell)
Der Begriff "dezentrale Konzentration" enthält dem Wortsinn nach eigentlich einen Widerspruch in sich. Gemeint ist, daß Dezentralisierung und Konzentration auf unterschiedlichen Maßstabsebenen miteinander verknüpft werden: großräumige Dezentralisierung mit kleinräumiger Konzentration. Damit werden unterschiedliche Theorie-Elemente in einem Modell miteinander verbunden:
- Zentren (Theorie der Zentralen Orte und Wachstumspoltheorie),
- Achsen (erwartete Agglomerationseffekte durch Bündelung der Bandinfrastruktur),
- kleinräumige Konzentration mit zwei positiven Effekten: a) Wachstumswirkungen aufgrund von Agglomerationseffekten, b) Schonung der benachbarten Freiräume (Verhinderung von Zersiedlung),
- großräumige Dezentralisierung: Ausgleich interregionaler Disparitäten.
Das Modell wurde in den 1960er Jahren in der niederländischen Raumordnung entwickelt und in den 1970er Jahren in vielen Ländern angewandt. In den 1980er Jahren wurde es zunehmend als zu inflexibel kritisiert.
In den 1990er Jahren erfolgte eine Renaissance als Modell einer "nachhaltigen Siedlungsstruktur", und zwar aufgrund der folgenden Eigenschaften:
- kompakte Siedlungen (statt Streusiedlungen) haben niedrigen Energieverbrauch (Möglichkeit für zentrale Fernwärmeversorgung oder mit Blockheizwerken),
- kompakte Siedlungen (statt Streusiedlungen) sind "Siedlungen der kurzen Wege" mit hohen Anteilen des Fußgänger- und Fahrradverkehrs,
- Bündelung der Verkehrswege und Aufreihung der Siedlungen an den Verkehrswegen erlaubt günstige Erschließung durch ÖPNV und günstigen Modal-Split,
- Schonung der Freiräume.
Probleme:
Die reale Entwicklung folgte kaum dem Modell. Beispielsweise war die private Bautätigkeit vor allem in den kleineren Siedlungen zwischen den Achsen besonders dynamisch, während die beabsichtigte Konzentration auf die Siedlungsschwerpunkte weitgehend fehlgeschlagen ist. Dies spricht noch nicht unbedingt gegen das Konzept, verweist aber zumindest auf erhebliche Umsetzungsdefizite.
Gründe für die Diskrepanz zwischen Ist- und Soll-Entwicklung:
1) Das individuelle Standortwahlverhalten (insb. privater Einfamilienhausbauer) folgt nicht den landesplanerischen Zielen, sondern den individuellen Handlungsdeterminanten (Bodenpreise, Wunsch nach Wohnen im Grünen usw. Dabei wird die Nähe zu infrastrukturellen Einrichtungen wegen Pkw-Verfügbarkeit erfahrungsgemäß als wenig wichtig eingeschätzt.
2) Die kleineren Gemeinden, die zwischen den Achsen liegen, lassen sich durch die Raumordnungspolitik nicht diskriminieren und erschließen vergleichsweise billiges Bauland.
Verallgemeinert: Das Konzept steht teilweise im Konflikt mit Marktmechanismen und individuellen Präferenzen; es ist deshalb nur mit politischem Konsens und starker politischer Unterstützung durchsetzbar!
Das Konzept nachhaltiger Regionalentwicklung
Ansatz: Das normative Leitmodell der "Sustainability" ("Nachhaltigkeit", "Dauerhaftigkeit", "Zukunftsfähigkeit", "Umweltgerechtigkeit") wird nicht nur auf die globale Ebene (z.B. globale Umweltpolitik der UN), die nationale Ebene (z.B. nationale Umwelt- und Raumordnungspolitik) und die lokale Ebene (z.B. lokale Agenda 21), sondern auf die regionale Ebene bezogen. Die Konkretisierung dieses Konzepts ist auf der regionalen Ebene nicht minder problematisch wie auf den anderen Ebenen, d.h. die Auffassungen über die Bedeutung von Nachhaltigkeit gehen weit auseinander ("schwache" versus "starke" Nachhaltigkeit).
Mögliche Handlungsfelder:
Bewertung und Probleme:
Nachhaltigkeit droht zu einer Leerformel zu verkommen. Das Konzept impliziert jedenfalls keine festen Zielsetzungen, sondern offene politische Kommunikationsprozesse mit durchaus offenem Ausgang hinsichtlich der Ziele und Maßnahmen. Das schließt die Möglichkeit des Scheiterns mit ein, eröffnet aber auch Chancen durch die Einbeziehung und Mobilisierung der Bevölkerung.
Das Konzept des Regions-Marketings
Das "Place-Marketing" für Städte und Regionen erlebt derzeit in der Theorie und Praxis der kommunalen und regionalen Entwicklungspolitik eine bemerkenswerte Konjunktur. Bekanntlich entstammt der Begriff des Marketings der Betriebswirtschaftslehre und bezeichnet dort ursprünglich die "Absatz- und Vertriebspolitik" und speziell deren klassisches Instrument: die Absatzwerbung. Bei der Übertragung des Begriffs auf Non-profit-Organisationen oder gar Städte und Regionen würde ein solches enges Verständnis allerdings viel zu kurz greifen. Regions-Marketing umfaßt entschieden mehr als nur Informationsbereitstellung, Tourismus- und Imagewerbung.
Der modernere, umfassende Begriff des Marketings bezeichnet in der Betriebswirtschaftslehre ein integriertes unternehmerisches Führungskonzept, das langfristig und strategisch ausgerichtet ist und das bedeutet, daß das gesamte Denken und Handeln eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter konsequent an den Markterfordernissen ausgerichtet ist. Marketing ist in diesem erweiterten Sinne eine umfassende strategische Managementkonzeption.
Bei der Übertragung dieses Konzepts auf Non-profit-Organisationen wie Verbände, Parteien, Kirchen, Universitäten und vor allem bei einer Übertragung auf Städte und Regionen treten einige gravierende konzeptionelle Probleme auf, beispielsweise die Frage, welche Güter - das sind hier in der Regel Leistungen - produziert werden und wie die "Märkte" zu definieren sind. U.a. wird häufig als Einwand argumentiert, Städte und Regionen seien doch ebensowenig wie beispielsweise Universitäten mit Waschmittelproduzenten zu vergleichen, die ein Produkt absetzen und Gewinne erzielen wollten.
Tatsächlich ist das Marketing-Denken in der Konsumgüterindustrie entwickelt worden; aber es geht uns selbstverständlich nicht um eine naive, unreflektierte Übertragung von betrieblichen Konzepten des erwerbswirtschaftlichen Sektors unserer Volkswirtschaft auf Städte und Regionen. Marketing-Elemente dürften aber prinzipiell immer dann übertragbar sein, wenn Organisationen mit knappen Einsatzmitteln (Ressourcen) bestimmte Ziele auf bestimmten "Märkten" bestmöglich zu erreichen versuchten. Die Definition der Märkte (Zielgruppen oder Adressaten) ist dann häufig eine ebenso komplexe Aufgabe wie die Bestimmung der zu erreichenden Ziele und die Festlegung und Umsetzung der Strategien zur Erreichung dieser Ziele.
Städte und Regionen produzieren "Standorte", wie Dieter Bökemann in seiner "Theorie der Raumplanung (München 1982) im einzelnen dargelegt hat. Damit sind nicht nur im engeren Sinn bestimmte Flächen für Industrie und Gewerbe gemeint, sondern im verallgemeinerten Sinn die kommunale oder regionale Gesamtheit von Raumpunkten und Flächen mit bestimmten, räumlich differenten standörtlichen Nutzungspotentialen. Diese Nutzungspotentiale hängen einerseits von den quantitativen und qualitativen Eigenschaften der Standorträume ab (dies wäre die Angebotsseite), andererseits aber auch von der sich wandelnden Struktur der Nachfrage auf den "Standort-Märkten".
Ein wichtiger Aspekt der Dynamik von Standort-Märkten ist ihre partielle Entgrenzung und Enträumlichung, besser bekannt vielleicht unter dem Schlagwort der Globalisierung. Unter der Randbedingung eines dramatisch verschärften weltweiten Standortwettbewerbs zeigt sich immer deutlicher, daß nicht einzelne Städte, sondern nur größere Regionen - der japanische Consulter Kenichi Ohmae spricht hier von "Region-states" - die entscheidenden Bezugsräume für regionale Entwicklungsstrategien sind. Diese Einsicht hat für die regionale Entwicklungspolitik, beispielsweise für das Ruhrgebiet bzw. für die gesamte Region Rhein-Ruhr, erhebliche Konsequenzen: Da die einzelnen Städte in den Regionen in der Regel nach globalen Maßstäben viel zu klein sind, wird interkommunale Kooperation auf regionaler Basis zu einer unverzichtbaren strategischen Zukunftsaufgabe.
In unserem erweiterten Sinne meint regionales Standort-Marketing ein markt- und wettbewerbsorientiertes, international ausgerichtetes Denken und Handeln der relevanten Akteure. Oder etwas präziser definiert: "Regionales Standortmarketing ist ein umfassender entwicklungspolitischer Ansatz, der mit Hilfe einer konsequenten Einbeziehung privater Akteure und eines systematischen Vorgehens dauerhaft versucht, die Region, orientiert an den Bedürfnissen interner und externer Zielgruppen, zu entwickeln und zu verbessern".
Immer mehr Regionen versuchen, sich in der zunehmend verflochtenen Weltwirtschaft bewußt und gezielt zu "positionieren". Dabei sind dann kommunale Eifersüchteleien ebenso fehl am Platze wie von oben, d.h. vom Staat und der EU verordnete "Kooperationen" (wie in den sog. ZIN-Regionen in Nordrhein-Westfalen).
Mögliche Schritte:
(1) "Regionales Denken", d.h. Wahrnehmung der Region als eine einheitliche Standortregion und Entwicklung regionaler Identität der Akteure, z.B. durch:
- verstärkte Thematisierung der gesamten Region (ihrer Geschichte, ihrer Strukturen, ihrer Probleme usw.) als Einheit in der Wissenschaft, in den Medien, in der politischen Öffentlichkeit usw.;
- Erkundung der Hemmnisse regionalen Denkens und mangelnder regionaler Zusammenarbeit in der Region sowie der Defizite ihres Erscheinungsbildes im internationalen Raum;
- Einrichtung von unabhängigen runden Tischen zur Förderung des regionalen Denkens.
(2) Erarbeitung einer regionalen Entwicklungs-Strategie im Sinne einer diskursiven Erarbeitung strategischer Ziele, nicht im Sinne eines inflexiblen Plans, speziell:
- Identifikation von konsensfähigen Handlungsfeldern für überkommunale Zusammenarbeit in der Region aus internationaler Perspektive.
(3) Praktische Umsetzung insbesondere durch:
- Konzipierung und Realisierung erster konkreter Projekte, die von der Region gemeinsam getragen werden und die für die Region insgesamt von Bedeutung sind;
- Errichtung einer innovativen Agentur zur Förderung des regionalen Standort-Marketings (d.h. kein bürokratischer Kommunalverband, keine Unterabteilung der staatlichen Wirtschaftsförderung).
Bewertung und Kritik:
Die "Verbetriebswirtschaftlichung" der Politik und Planung birgt Chancen und Risiken:
Chancen insofern, als durch die Übernahme von Elementen aus dem fortgeschrittenen strategischen Management von Unternehmen effiziente Handlungsformen erprobt werden können, die der Politik und Planung möglicherweise neue Wirkungsmöglichkeiten eröffnen. Dies wiegt um so schwerer, als die traditionellen Steuerungsinstrumente über die Ressource "Raum" an Wirksamkeit eingebüßt haben. Außerdem eröffnen die neuen Methoden Chancen zur mobilisierenden und aktivierenden Einbeziehung der Planungsbetroffenen und Bevölkerung generell.
Risiken liegen darin, daß eine marketingorientierte Politik und Planung in der Realität dazu tendiert, den wirtschaftspolitischen Zielen ein Übergewicht zu Lasten von sozial-, kultur- und umweltpolitischen Zielen zuzumessen. Verallgemeinert: Marketingorientiertes Handeln impliziert das ökonomische Menschenbild eines nutzenmaximierenden Individuums und erkennt dem Handlungskoordinationsmodell des Marktes (zu Lasten sozialen, kommunitarischen Handelns) einen Vorrang zu.