22. August
Nachdem ich heute früh den Eindruck hatte, dass mir jeden Moment ein erfrorener Finger abfällt, wurde es im Laufe des Tages noch so richtig heiß. In den Tälern, in denen die Luft stand, hatte es die Atmosphäre einer finnischen Erdsauna, nicht nur wegen der Hitze, sondern im Besonderen wegen der Kiefernwälder, die dieses wunderbare Aroma abgeben.
Die Etappe wäre anstrengender gewesen, wenn ich sie nicht etwas modifiziert hätte. Von der Herberge aus etwas Straße, dann einen Weg steil runter, wieder steil rauf auf die Straße, über die Straße einen Weg steil rauf, wieder steil runter, über die Straße und sehr steil runter um dann natürlich unglaublich steil wieder rauf zur Straße zu führen. Das habe ich also diese dreimal mitgemacht, danach funktionierte meine App wieder und ich sah, dass sich das Ganze noch bestimmt fünf Mal wiederholen soll.
Als Fußgänger mit spanischen Autofahrern auf einer kurvigen Landstraße ist zwar nicht ganz ungefährlich, aber ersten gibt es ja diesen Erlass von Papst, ich glaube Clemens war es, der besagt, dass Pilger die auf dem Weg nach Santiago de Compostela um Leben kommen, unverzüglich ohne irgendwelche Fegefeuer-Umwege heim ins paradisische Reich kommen. Und zweitens war es mir einfach viel zu blöde dieses unsinnige Auf un Ab in der Hitze. So wurde aus einer als anstrengend angekündigte Etappe eine mittelschwere.
Mittendrin, höre ich meine innere Stimme Viva Colonia gröhlen und Zack Ohrwurm, um den weg zu bekommen, habe ich es mal mit, mer losse de Dom in Kölle... versucht, aber so schnell lässt sich er sich nicht austricksen, der Ohrwurm. Ich wusste überhaupt nicht wie dazu gekommen bin. Und dann passiere ich das Ortausgangsschild... Colonia de Aribba. Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, die Ortsschilder laut zu lesen, an denen ich vorbeigehe. Au Mann!
In Grado, also vor fünf Tagen gab es eine Französin, ich schätze mal Ende Sechzig die ständig irgendetwas rumzuwuseln hatte. Als sie abends ein Teil des Geschirrs abtrocknete, kam ich dazu um den Rest zu spülen. Als ich einen Teller in den Geschirrkorb stellte, nahm sie ihn und hielt ihn unter den Wasserhahn. Als ich eine saubere Tasse in den Geschirrkorb stellte, nahm sie sie und hielt sie unter den Wasserhahn. Okay, sagte ich, dann mach alleine! No, no! Doch, doch! Am anderen Morgen, Frühstück ab 6.15 h bis 7.30 h ich kam um sieben und war der letzte. Meine Französin kam freudestrahlend auf mich zu und fragte was ich denn essen wolle. Ich nehme mir schon was! Ja aber, Toast Kuchen, Marmelade.... Ich sehe das alles und nehme mir gleich etwas davon!!!! Sie fängt an den Tisch abzuräumen. Ich gehe in die Küche und nehme mir die Dinge die ich haben will auf einen Teller und sage ihr, dass sie den stehen zu lassen hat. Als ich mir Wasser für einen Tee machen wollte, wollte ich mir heißes Wasser aus der Leitung nehmen damit es schneller geht, zumal es eh gekocht wird. Der erste Tropfen kommt aus der Leitung, sie den Wasserhahn auf kalt. Ich entsetzt, drehe ihn wieder auf heiß. Sie no, no! Wasserhahn wieder auf kalt. Ich, auf Deutsch und einem Blick der keine Zweifel aufkommen lässt, WENN DU NOCH EIN MAL DEN WASSERHAHN ANFASST, HACKE ICH DIR DIE FINGER AB!! Sie schob beleidigt ab, weil das schließlich nicht gesund sei. Sie blieb dort noch einen Tag länger, was mich sehr freute, so lief ich nicht Gefahr in der nächsten Herberge wieder auf sie zu stoßen. Ein Kümmersymdrom denke ich mal, was dann heute im Grunde bestätigt wurde. Ja heute! Ich habe schließlich auch zwei Nächte in einer Herberge verbracht. Nette kleine Herberge, außer mir nur eine Person... Oh Mann! Das erste was sie macht, sie drückt mir ein Glas Wasser in die Hand. Ist ja auch nett. Nachdem sie es ca. eine Stunde ausgehalten hat hin und her zu laufen, fragte sie mich, es gibt zwei Schlafecken hier in der Herberge, ob ich einen Kaffee will. Nein, aber gerne Wasser für Tee. Oh, es gibt keinen Tee. Ich habe Tee, möchtest Du auch einen Tee?
Wir trinken Tee, und sprechen von ihren vier und meinen fünf Kindern, eins ihrer Enkel hat Asthma. Über deutsche und französische Großstädte und den Nationalitäten auf dem Camino. Wir gehen zusammen zur Kneipe Abendessen und teilen uns die kleine Rechnung. Sie ist Hausfrau und kümmert sich. Sie möchte auflegen, nein danke ich nehme mir gerne selbst. Ich lasse den Rest Tortilla fürs Frühstück einpacken. Sie findet das eine gute Idee und deckt schon Mal den Tisch, bereitet das Wasser vor. Und wenn wir dann morgen noch gemeinsam gefrühstückt haben, müssen wir aber auch sehen, dass wir Abstand zueinander finden.
23. August
Während des Frühstücks erzählte mir Juliene, dass sie von einer amerikanischen Koreanerin, die hier auf dem Camino umgebracht wurde gehört hat. Und als die Polizei den Täter gefasst hatte, haben sie mehrere Leichen gefunden. Sie hätte schon ein komisches Gefühl. Ne, ne, ne! Das kommt aber gar nicht in Frage! Gerne mache ich mir Vorwürfe und gerne darf sie mir ein oder zweimal im Schlaf erscheinen. Soweit kommt es noch!
Es waren heute über tausend Höhenmeter, einmal sechshundert am Stück auf acht Kilometer, zweimal hundertfünfzig und noch ein paar kleine. Die ersten acht Kilometer, direkt am Morgen verliefen zum Teil in Wald, an Bächen, auf schönen Wegen und waren noch angenehm zu gehen. Bei den nachfolgenden Steigungen, in der Mittagssonne, habe ich gedacht ich schmeiß mich weg. Alle Hinweise lauteten, sich für zwei Tage zu bevorraten, da es auf die nächsten zwei Etappen, keine Einkaufsmöglichkeiten gibt. Heißt, zweimal Abend, zweimal Frühstück und Snacks für Mittags. Also noch mal ein paar Kilos extra, weil viele Herbergen nur über Mikrowelle verfügen, gehen auch keine Tütensuppen.
Ich nehme alles zurück was ich über den Weg gesagt habe. Fast alles! Manches! Wie dem auch sei, ich habe gerade die zweite Steigung hinter mir, wobei die Abstiege auch nicht zu unterschätzen sind, da möchte ich zwingend eine Cola! Meine innere Stimme sagt, 15 km bis zur ersten Bar, also noch sechs cirka.
Du hast damals doch auch Wasser in Wein und so, kannst nicht auch Cola?
Und was willst du mit lauwarmer Cola?
Pfff! Ich wünsche mir jetzt offiziell eine kalte Cola, Coca Cola!
Der Weg traf nach langer Zeit wieder auf die Straße und ich dachte ich hätte ne Fata Morgana. Steht da ein junger Mann mit Lieferwagen, in dem sich kleine Kühlschränke befinden, zwei Tische mit Stühlen und Sonnenschirmen, standen daneben. Noch Fragen? Nenne es Wunder oder Zufall... Obwohl, etwas kälter hätte sie sein dürfen.
Die erste Herberge habe ich heldenhaft rechts liegen gelassen, ich hatte es eh vor, weil ich dann morgen, wieder eine heftige Etappe, fünf Kilometer weniger habe.Wenn ich hier fertig bin, bewerbe ich mich bei den Seals...
Und wer kam mit Wäsche auf dem Arm aus der ersten Herberge? Richtig Juliene! Freundlich gegrüßt und weiter.
Anderthalb Stunden später kam ich in La Mesa an und fand eine kleine, eigentlich ganz nette Herberge vor. Uneigentlich sind alle Außenwände des Schlafsaals verschimmelt. Ich habe mir ein Bett in der Mitte des Raumes genommen und die werde bestimmt in der einen Nacht nicht dran sterben. Ansonsten ist es hier toll ruhig. Ganz anders als in und um der Herberge, an der ich zuletzt vorbei ging.
Es war ein ganz toller Wandertag! Beginnend in engen Tälern mit kleinen Bachläufen, knackige Aufstiege belohnt durch gigantische Ausblicke.
Der Etappenguide meiner Camino-App sagt, steiler Abstieg bis zum Stausee. Wir befinden uns hier auf ungefähr 950 m, direkt hinter der Herberge verläuft der Weg erst mal bergauf bis auf 1.150 m, dann geht es stetig und steil abwärts bis auf 190 m, um dann nach weiteren 600 Höhenmeter, Grandas de Salime zu erreichen.