18. Juli
Um halb sechs kam dann jemand, der mir ein sehr bescheidenes Zimmer, aber auch zu einem bescheidenen Preis gab. Da ist es heute schon netter.
Auch heute konnte ich nicht dem Wetter entsprechend früh los, weil der Supermarkt erst um neun öffnete und ich etwas zu essen brauchte. Es gab dann heute Mittag Pfirsich und Bulgursalat.
So ärgerlich die Wochen Dauerregen waren, so anstrengend und an den Kräfte zerrend sind die derzeit täglichen 35°C Schattentemperaturen. Man kann auch sagen, deutlich gefährlicher. Ich habe es zum Glück mit in die Wiege gelegt bekommen, Wärme und auch Hitze gut aushalten zu können, allerdings verlangen mir Wetter und Weg eine unglaubliche Wasserdiziplien ab. Wenn ich nicht konsequent alle 15 Minuten stehen bleibe, und etwas trinke, bekomme ich Probleme. Wenn die ersten schwarzen Pünktchen vor den Augen flimmern, habe ich es mal wieder vergessen. Bei solchen Temperaturen und Anstrengungen sollte man nicht auf das Durstgefühl warten.
Es waren heute vierundzwanzig Kilometer mit insgesamt vier extrem steilen Anstiegen. Besonders schön für die Moral die ersten beiden. Vom Startpunkt ausgehend eine knappe Stunde nur Bergauf, gefolgt von einem unglaublich heftigen Abstieg der in ein so schmales Tal führte, dass es nach etwa 50 Meter ebenso steil wieder hoch ging.
Auf halben Berg begegnete ich Vater und Sohn. Der Sohn wirkte noch ganz fit, während der Vater mit patschnass Businesshemd auf dem Boden saß, den Rucksack von sich geschmissen.
Der Mann auf dem Boden sah mich Mitleid eregend an und sagte, nein er hauchte eher nach den allgemeinen Begrüßungs-Bonjours, tréééés chaud, seeeehr heiß! Was sagt man da? Ich habe mich für jau entschieden und angespornt durch die Niederlage eines anderen einen Schritt drauf gelegt.
Oben angekommen blieb der Weg erst mal auf einer Ebene und verlief dann etwas sanfter ins Tal. Im Tal blieb es auch jetzt nicht lange, der dritte Anstieg war allerdings humaner, mittlerweile war es 14.00 h, und der Weg traf im folgenden Tal auf eine Straße. So gut wie nicht befahren, näherte sich von hinten ein Auto, ich drehte mich um, das Auto hielt und der Fahrer Antoine nahm mich mit nach Saint Astier.
Auch die Kathedrale von Perigueux ist dem Saint Astier geweiht und hier, in einer romanischen Kirche aus dem 11. Jahrhundert liegen sie dann in der Krypta. Die Gebeine des Heiligen Astier.
19. Juli
Anfänglich dachte ich, dass das Rauschen der Wasserstufe im Fluß einschläfernd sein kann, aber letztlich war es so laut, als würde ein nicht enden Güterzug vor dem Fenster herfahren. Schade, Fenster zu!
Das Frühstück auf der Terrasse war klasse. Schönes Geschirr, toller Platz direkt an der Isle. Auch hier gab es nur Butter und Konfitüre, aber das Ambiente...
Wir hatten mal das Thema "Wer weiß wozu es gut ist..." Heute schönes Beispiel.
Ich hatte mich gestern entschieden bis Mussidan zu laufen, um von dort aus einen Abstecher nach Bergerac zu machen, weil das auch eine tolle mittelalterliche Stadt sein soll und weil sich in der Nähe das Kloster von Thich Nhat Hanh befindet und ich dort mal anfragen wollte, ob ich vielleicht ein oder zwei Nächte übernachten kann.
Auch heute dachte ich solange zu laufen wie es geht, um den Rest zu trampen. In Mussidan wollte ich nach einem Bus fragen, der nach Bergerac fährt.
Als der Moment des trampen wollens gekommen war, befand ich mich auf einer zwar gut ausgebauten Landstraße, auf der aber kaum Autos fuhren und es keine Bäume gab. Erleichterung verschaffenen Wind gab es kaum. Ganz im Gegenteil kam es mir so vor, als würde der heiße Asphalt seine gespeicherte Hitze wieder ausatmen.
Die paar Autos die kamen waren so schnell und der Randstreifen so schmal, dass an ein Anhalten gar nicht zu denken war.
Gegen 15 Uhr fing ich an mir gut zu zureden, dass ich wegen meiner Kopfbedeckung keinen Sonnenstich bekommen kann, nein, auch keinen Hitzeschlag, weil ich bei luftiger Kleidung genug getrunken habe.
Ich kam zu einem Dorf, es sah nach einer Kneipe aus, hätte aber auch ein Wohnzimmer sein können, wenn da nicht die Zapfhähne gewesen wären.
Madam, eine Coca bitte. Und frisches Wasser sagte sie, nahm meine Wasserflasche und füllte sie mit frischem kalten Wasser.
Nach: Warm! Ja sehr warm! Kein Wanderwetter! Ach, es geht! Woher? Wohin? Erzählte sie mir etwas, mehrfach weil ich es nicht verstanden habe, was sich so anhörte, als würde sie mich nach Mussidan bringen, was natürlich aus verschieden Gründen nicht stimmen konnte. Ich fragte sie, ob sie wüsste ob ein Bus nach Bergerac führe. Nein, kein Bus! Da fährt nix hin. Na, dann trampen ich. Die beste Möglichkeit! Ich zahle meine Pepsi und wollte gerade gehen, als ein Mann, Anfang 70 vom Hinterzimmer kam um sich von der Wirtin zu verabschieden. Oh, aus Deutschland ich habe Freunde in Köln, Bielefeld und Gütersloh. Natürlich kenne ich Wuppertal, mit der Bahn die hängt.
Fährt ein Bus nach Bergerac? Fragt die Wirtin. Nein und zum Laufen bei dem Wetter zu weit! Ich fahre ja hin und wieder nach Bergerac, mh, morgen ist Mittwoch? Mh, wenn sie um 10.00 h an der Kirche sind, nehme ich sie mit. Ja gerne! Also, dann bis morgen! Die Wirtin redet mit ihm... Ich fahre nach Mussidan, wollen sie mitkommen? Die Wirtin zwinkert mir zu. Das hat sie also gemeint.
Was wäre passiert, wenn ich auf der Strecke mitgenommen wäre? Also war es letztendlich gut nicht mitgenommen worden zu sein. Toll! Andersrum, wenn ich mitgenommen worden wäre, hätte ich mich gefreut und nichts von der verpassten Chance mitbekommen. Wie man es dreht, es geht immer weiter, in eine Richtung von der du vielleicht nur meinst sie selbst zu bestimmen.
Ich frage den Fahrer auf dem Weg zum Auto, wo er denn herkommt und er antwortet, aus Mussidan. Nein, wo er ursprünglich herkommt, er spricht ja nicht umsonst so gut deutsch. Er sagt Moment bitte, tat so als wenn er auf das Handy sehen muss, schloss seinen roten Twingo oder Cleo auf und ich wollte ihn dann auch nicht bedrängen, aber komisch ist es schon. Um von den Nazis gefoltert worden zu sein zu jung, Eltern? Warum gibt er mir keine Antwort? Wo möglich lande ich morgen stellvertretend für alle Nazideutschen verscharrt im Wald! Wenn es nur schnell geht, foltern wäre doof! Ich sag ja immer, vertrau mir kein folterwürdiges Geheimnis an, ich rede sofort. Und dann wiederum wäre es doch besser gewesen vorher mitgenommen worden zu sein, um noch nicht mal zu ahnen, wie knapp ich dem Schlechter von Mussidan entronnen bin.
Wer weiß... Er ging unmittelbar vor mir in die Kneipe und direkt nach hinten durch, blieb auch hinten. Während ich meine Pepsi trank kam eine Frau und wollte Malboro. Oh, keine mehr da, was machen wir, tut mir leid... Moment. Ging nach hinten und kam mit einer Stange Malboro zurück. Schon komisch...
So jetzt muss ich mich erstmal um meine neue Herbergensituation kümmern. Die Stadtverwaltung hat uns um 16.00 h reingelassen. Herbergsvater gibts nicht. Es ist das erste mal, dass ich mit einer Frau die Herberge teile. Eine dreißig jährige Schwedin aus Oslo... Hihi, nee nicht wirklich. Sie ist eine achtundsechsigjährige, dreifache Oma aus Paris. Und hat schon angekündigt, dass sie morgen um 5.00 h auf dem Weg ist. Ich sach nur Dieter... aber es scheint auch anders zu gehen, so wie Vorbereitungen aussehen.
Tag 4/7 In eigener Sache!
Als ich am 01. Mai loszog hatte ich gewisse Vorstellungen über den Verlauf dieser Reise. Wildes Zelten, unterwegs arbeiten und wenn das alles nicht funktioniert, sollte das Geld über das ich verfügte eigentlich reichen.
Abgesehen davon, dass ich mich, was Zelten im Allgemeinen und das Wildcampen im Besonderen deutlich überschätzt habe, haben sich Campingrelevante Teile meiner Ausrüstung in Wohlgefallen aufgelöst.
Richtig aber reingerissen hat mich diese unglaubliche Schlechtwetterperiode, während derer ich regelmäßig zwei Tage im Hotel bleiben musste um meine Klamotten wieder trocken zu bekommen.
An Arbeit ist wegen meiner sehr dürftigen Französischkenntnisse nicht zu denken. Vielleicht in zwei Monaten, wenn die Trauben reif sind.
Ich werde jetzt noch 11 Tage wandern, etwa bis La Réole an der Garonne, dann bekomme ich Besuch der sieben Tage, also bis zum 30. Juli bleibt. Danach werde ich mich mit dem Zug auf den Weg über Bordeaux nach Irun an der Spanisch/Französischen Grenze machen um den letzten, der insgesamt vier Abschnitte des Jakobsweges zu laufen. Allerdings wird auch bei dieser Straffung, das Geld nicht mehr weit reichen.
Aus diesem Grunde möchte ich Euch bitten, meine Arbeit als Schreiber dieses Blogs zu bewerten. Ich möchte Euch nicht um Spenden oder Zuschüsse bitten. Sondern um das, was es Euch wert ist, diese Berichte gelesen zu haben und weiterhin zu lesen.
So frei nach dem Motto: Ich habe schon für schlechtere Zeitschriften 2 oder 5 Euro, oder für schlechtere Taschenbücher 10 Euro ausgegeben....und ich bin gerne bereit für diese Form der Literatur 2, oder 5, oder 10 Euro zu zahlen.
Ich biete dafür überwiegend Übernachtungen in landesüblichen Pilgerherbergen mit entsprechenden Berichten. Ich biete mich so zusagen als Günther Wallraff der Pilgerherbergen an.
Hier noch mal die IBAN:DE23 2004 1144 0343 4917 00
Um einen möglichst großen Teil der Leserschaft zu erreichen, werde ich diesen Aufruf zu Beginn der nächsten sieben Berichte stellen. Also bitte nicht wundern und heute ist demnach 4/7.