Jetzt ist es 13.00 h, ich habe den ersten französischen Ort erreicht, auf dem Marktplatz ein Päuschen gemacht, mich etwas verlaufen, dann doch den richtigen Weg gefunden, einen verwunschenen Wald durchquert und ihn auf Pfaden und Stufen verlassen, die ohne weiteres mit denen aus Herr der Ringe mithalten können. Natürlich übertreibe ich...
Nun sitze ich hier zwischen zwei Landstraßen an einem Picknicktisch und halte Siesta. Wie jeden Mittag einen frisch gebrühten Tee und das Brötchen das vom Frühstück übrig war.
Diese Reise ist eine besondere Reise, nicht zu vergleichen mit einem Urlaub dessen Ende abzusehen ist. Und das denke ich aus zweierlei Gründen. An erster Stelle steht natürlich die Entgültigkeit mit der ich mein Vorhaben vorangetrieben habe. Wenn du bei der Auflösung der Wohnung zum Teil das tust, was in der Regel deine Erben übernehmen, ich also jetzt mein eigener Nachlassverwalter war, gibt dem Ganzen eine so spannende Note, das hat eine ganz besondere Qualität.
Der zweite Grund ist die Geschwindigkeit. Wie gerne fahre ich mit dem Auto in Urlaub, ich sehe was von der Welt aber entscheidend ist, die stetigen Veränderungen bewusst zu erleben. Mit dem Flieger wirst du irgendwo abgesetzt und dann musst du dich überraschen lassen, wenn du nicht zum wiederholten Male dort bist. Ich erinnere mich, dass wir Kinder auf dem Weg in den Süddeutschen Urlaub, an den braunen Kühen sahen, dass wir bald da waren.
Und zu Fuß ist es noch viel extremer. Die Natur verändert sich am langsamsten. Wenn ich jetzt hier, 40 km nördlich von Metz aus dem Zelt sehe, könnte es genauso gut auch in Wuppertal sein. Wenn ich mir die Häuser aber ansehe, sind deutliche Veränderungen zu erkennen. Klar die Sprache ändert sich an der Grenze. Wo ich bis heute früh immer guten Tag gesagt habe, habe ich heute ca.30 mal artig bonjour geschallert, wenn ich an Menschen auf Wegen oder Vorgärten vorbei kam.
Ich habe meine Mütze verloren, aber mein Vermieter des entsprechenden Tages sagte, dass er eine schwarze Kappe auf einem Begrenzungspfosten hat hängen sehen. Wenn er noch dort hing nach unserem Telefonat, schickt er sie zur Angela. Aber da wir uns irgendwie nicht wirklich verabreden können, muss ich mir wohl eine neue kaufen...
Heute habe ich das erste Mal das Zelt aufgebaut. Gar nicht so einfach einen geeigneten Platz zu finden. Ich bin auch etwas schlecht ausgerüstet. Mit Brot und Wasser. Da waren die letzten 15 km wieder nichts, aber überhaupt nichts. Ich hatte noch einen Apfel den habe ich kleingeschnitten gedünstet und etwas Studentenfutter reingeraspelt. Sehr lecker! Satt? Mmh...
Ich bin mal auf die Nacht gespannt. Also die EXPED Matte ist schon mal klasse. Ich liege hier seit 2 Stunden und koche, esse, schreibe und es ist saubequem. Wenn ich nur nicht so ungelenk wäre, dann wäre auch mal ein Schneidersitz möglich. Was soll ich ausziehen? Hose und Socken! Hoffentlich muss ich heute Nacht nicht pinkeln. Oh Mann, oh Mann...
Ich habe die Türe der Außenhaut aufgelassen, sodass ich durch die geschlossene Moskitotüre raussehen konnte, was ich auch einmal die Stunde tat. Nach den netten Hotelzimmern, war das der Schock.
Nachdem es noch einmal kurz geregnet hatte, verabschiedete sich der Tag mit fast Wolken freien Himmel. Die Vögel wurden mit zunehmender Dämmerung leiser, bis nur noch das vereinzelte Zirpsen von Grillen zu hören war. Stille... Es wurde nicht richtig dunkel, wahrscheinlich Vollmond. Wildschwein Grunzen. Kühe muhen, warum schlafen die nicht? Quieken junger Wildschweine.
Ansonsten habe ich, wenn ich geschlafen habe gut geschlafen. Der Schlafsack war vom Wärmekomfort genau richtig und die Matte hat gehalten, was sie schon zuvor versprochen hat. Es war neblig und alles patschnass, von Außen.
Zum Frühstück gab es eine Tasse Tee und eine Hand voll Studentenfutter. Ein Schluck Wasser war noch zum Nachspülen da.
Zum nächsten Ort waren es zwei Stunden. Die angekündigte Bar gab es nicht mehr, die Hotelbar machte erst Mittags auf. Zum Glück bekam ich etwas Käse und ein Baguette zu kaufen. Mein Wasser wurde auch aufgefüllt. Jetzt sitze ich in Kedange-sur-Canner an einem Picknicktisch, frühstücke und kann vor allem auch das Zelt trocknen.
Im Ursprung war die Etappe nur bis St. Hubert geplant, aber ich hatte nur noch ein kleines Stück Baguette, weil alle angekündigten Läden, Bars u.s.w. nicht mehr vorhanden waren. Also kam ich nach großer Anstrengung in Vigy an. Der Pilgerführer sagt: "Achtung, nur ein Gästezimmer in Vigy!" Selbst wenn jemand bereit wäre 80,00€ für ein Zimmer in einer Dorfpension zu bezahlen... Es wurde renoviert. Gegen 18.00 h stolperte ich in eine Pizzaria. "Bonjour Madam, je voudrais une Biere avec un peut Limonade!" Auch in Folge konnte ich mich verständlich machen. Mein erster Französisch-Kontakt am Morgen wurde mit den Worten des Metzgers zu nichte gemacht, dass seine Frau ganz hervorragend Deutsch spricht. Recht hat er gehabt.
Hier in der Pizzaria, am zweiten Tag ohne Dusche, haben sich die Mädels bestimmt gefragt, was dieser schmuddlige Wanderer die ganze Zeit mit seinem großen Rucksack in der Toilette macht. Und ich meine eine gewisse Dankbarkeit in ihren Augen wahrgenommen zu haben, als ich ein frisches T-Shirt und Sandalen an hatte und die vom Lehm verkrusteten Wanderschuhe vorsichtig in die Ecke stellte.
Ich aß noch eine vegetarische Pizza und schlich mich, meine Wanderschuhe überm Arm aus dem Dorf. Mein menthaler Level ging gegen 0,5 und auch körperlich war ich völlig fertig. Für die letzten 6 Waldkilometer der heutigen Etappe habe ich geschlagene drei Stunden gebraucht, weil der Weg im Grunde unpassierbar war und dennoch passiert werden musste.
Ich fand unmittelbar hinter Vigy einen akzeptablen Zeltplatz. Heute früh machte ich einen Tee und aß das restliche Baguette vom Vortag, hoffte beim Zähne putzen, dass das Wasser reichen wird und machte mich auf den Weg nach Metz.
Humpelnd habe ich gegen 14.00 h Metz erreicht, habe mir ein Hotel gesucht und mich aufs Bett geschmissen. Nach dem Duschen habe ich große Wäsche gemacht, ich hoffe, dass alles rechtzeitig trocken wird.
Ob ich mir das alles etwas leichter vorgestellt habe?